Angeklagter vorerst frei

von 11. September 2012

Paukenschlag im Prozess um eine Schießerei unter Motorrad-Rockern in Halle: Der Angeklagte kommt vorerst auf freien Fuß. Das Landgericht Halle hob am Dienstag den Haftbefehl gegen den 39-Jährigen auf. Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, hieß es zur Begründung. Auslöser war die Aussage des Opfers der Schießerei. Der 26-Jährige hatte als Hauptzeuge seine früheren Aussagen gegen den Angeklagten widerrufen. “Im Nachhinein kann ich das so nicht bestätigen”, sagte er vor Gericht. Er könne sich nicht mehr genau an die Tat erinnern. Der Mann war am 3. Mai kurz nach Mitternacht in Halle vor seiner Haustür in seinem Auto angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden.

Bei der Polizei hatte er laut Protokoll noch ausgesagt, sein früherer Freund habe auf ihn geschossen. Der 39-Jährige soll laut Anklage den Motorrad-Rockern Bandidos angehören. Das 26 Jahre alte Opfer der Schießerei soll dagegen der Präsident der rivalisierenden Underdogs MC gewesen sein. Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Beim Motiv gehen die Ermittler von einem erbitterten Machtkampf um die Vorherrschaft im Milieu aus.

Der 26-Jährige gab an, nach der Operation im Krankenhaus unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden zu haben. Er wisse nur, dass zwei “dunkle Gestalten” in jener Nacht plötzlich vor seinem Auto aufgetaucht seien. Er wisse nicht, wer auf ihn geschossen habe. “Ich kann den Grund nicht sagen, warum das jemand gemacht hat”, sagte er. Der junge Mann war unmittelbar nach den Schüssen nach eigenen Angaben selbst mit seinem Auto in eine Unfallklinik gefahren. Ärzte retteten ihm mit der Operation das Leben. Er gab an, nicht mehr Mitglied der Underdogs MC zu sein.

Auf die Frage des Staatsanwalts, weshalb er nun erst Monate später vor Gericht seine Aussagen widerrufe, sagte der 26-Jährige, er habe die Schüsse auf seine Person erst einmal verarbeiten müssen. Der Angeklagte saß seit Mai in Untersuchungshaft, im Gerichtssaal vermied das Opfer jeglichen Blickkontakt. “Es gibt einen gewissen Ehrekodex in der Rockerszene”, sagte ein Kriminalbeamter aus. Das Opfer habe ihm im Krankenhaus gesagt, es wolle erst noch einmal darüber nachdenken, ob es den Ehrenkodex brechen werde.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Das Landgericht hat weitere Zeugen geladen. Die Kritik der Verteidigung an der personellen Besetzung des Gericht hatte die Schwurgerichtskammer erneut zurückgewiesen.