Blaue Zone schnell einführen, aber bitte fair!

von 28. Juni 2017

Rückblickend freuten sich die Menschen im Osten der Republik, wie sich die Luft nach 1990 sichtbar verbesserte. In der Tat sank mit der Modernisierung technischer Anlagen, mehr aber noch mit dem massiven Niedergang der Industrie, der Ausstoß an Ruß, Asche und Schwefeldioxid, wie er in der kohlebasierten Chemieregion Halle (Saale) bis dahin normal war. Hingegen nahm nach der Wende die Menge der Stickoxide deutlich zu, denn die Zahl der Viertaktmotoren wuchs deutlich und insbesondere die Zahl der Dieselfahrzeuge hierzulande wuchs. Wenn Fahrzeugabgase überhaupt ein Thema waren, dann herrschte die Auffassung vor, mit dem Einbau von Katalysatoren sei das Problem gelöst. Diese Ansicht hat sich inzwischen geändert. In den letzten Jahren kam für Dieselfahrzeuge der Partikelfilter dazu. Nun schienen endlich alle Probleme gelöst.

Erst jetzt sind schließlich auch die Stickoxide ein Thema. Die Vermutung drängt sich auf, dass Lobbyisten hinter den Kulissen so die Offensive für den Elektromotor vorbereiten, doch berechtigt ist der Fokus auf die Stickoxide gleichwohl. Denn sie bergen große Gesundheitsgefahren, nicht zuletzt für die Atemwege, sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) krebserregend und werden da, wo sie anfallen, insbesondere in den Großstädten, nur sehr langsam abgebaut.

Inzwischen ist von der blauen Plakette und Fahrverboten in großen Städten die Rede. Hamburg hat bereits ernst gemacht und in München reifen ähnliche Pläne. Erste Politiker fordern, blaue Zonen schneller einzuführen und gegen die Gifte aus den Dieselfahrzeugen umgehend vorzugehen. Der Haken dabei: Mehr als zehn Millionen Fahrzeuginhaber wären betroffen und damit ein große Zahl potenzieller Wähler. In Halles Rathaus hatte man sich unter OB Dagmar Szabados bis zuletzt gegen jede Art der Umweltzone gewehrt. Schließlich wurde zur Vermeidung eines Zwangsgeldes die Minimalzone eingeführt (Innenstadt statt ganze Stadt wie beim Nachbar Leipzig). Nun dringen Töne durch, dass wiederum von oben in Halle die blaue Zone durchgedrückt werden soll. So gut und richtig das Ziel dahinter ist, so zweischneidig ist das Schwert. Denn das Fahrverbot kommt einer Enteignung gleich und trifft zuerst die, die sich kein entsprechendes Fahrzeug leisten können. Außerdem sollten erst einmal die öffentlichen Einrichtungen mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Fuhrpark, nicht zuletzt den des Öffentlichen Nahverkehrs, entsprechend anpassen.

Angesichts der komplexen Problemlage in Sachen Stadtverkehr ist es freilich sinnvoll, endlich das gesamte Thema ökologisch wie ökonomisch zu betrachten. Wie sind die Zahl und Größe der Fahrzeuge sowie das Verkehrsaufkommen zu verringern? Wie lassen sich Wege verkürzen und Fahrzeuge optimal ausnutzen? Wie können moderne Ökoantriebe allen Menschen zugänglich gemacht werden? Wie lässt sich das Auto als Statussymbol überwinden? Wie lassen sich alle Verkehrsmittel harmonisieren in der Enge der Stadt und bei der Vielzahl der Nutzer? Wie ist Mobilität für alle Menschen gleichermaßen zu garantieren?