Bundesverfassungsgericht kippt Vorratsdatenspeicherung

von 2. März 2010

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung begrüßt. „Die Karlsruher Entscheidung ist erfreulich klar und mit der Anordnung zur unverzüglichen Löschung der bisher gespeicherten Telekommunikationsdaten auch beeindruckend konsequent“, sagte Hövelmann in Magdeburg. „Das stärkt den Bürgerinnen und Bürgern den Rücken gegenüber unverhältnismäßigen Eingriffen des Staates. Mit einer verfassungskonformen Neuregelung bietet sich die Chance, auch wieder mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für Maßnahmen zu gewinnen, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten tatsächlich erforderlich sind – auch für eine gesetzlich klar begrenzte Vorratsdatenspeicherung.“

Hövelmann äußerte die Erwartung, dass die Bundesregierung einen neuen Gesetzesvorschlag auf den Weg bringen wird: „Der Ball liegt jetzt bei der schwarz-gelben Koalition in Berlin.“ Der Minister appellierte an die Innenpolitiker im Bund, „nicht immer über das Ziel hinauszuschießen und erst danach zu schauen, was Karlsruhe zulässt“. Wer Kriminalität bekämpfen und den demokratischen Staat gegen Terroristen verteidigen wolle, müsse auch selber bei der Gesetzgebung Achtung vor der Verfassung beweisen.

Auch die FDP-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat das Urteil des Bundesfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung begrüßt. „Das Urteil lässt den heutigen Tag zum Tag der Grundrechte werden. Das Verfassungsgericht hat der Datensammelwut von CDU und SPD Einhalt geboten. Es ist ein wichtiges Signal, dass es mit dem deutschen Recht nicht vereinbar ist, alle Bürger unter einen Generalverdacht zu stellen und persönliche Kommunikationsverbindungen über sechs Monate zu speichern“, erklärte der innenpolitische Sprecher Guido Kosmehl. Nach dem nun gekippten Gesetz waren Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Verbindungsdaten über sechs Monate zu speichern und den Behörden unter gewissen Voraussetzungen auch zur Verfügung zu stellen. „Auch im Kampf gegen den Terror gilt es, die Grundrechte der Bürger zu wahren, das muss rechtsstaatliches Grundprinzip bleiben.“ Der Innenpolitiker warnte aber vor immer neuen Angriffen auf die Freiheitsrechte. „Zu oft werden die Ängste der Bürger instrumentalisiert, dabei haben wir häufig kein Gesetzes- sondern ein Vollzugsdefizit.“ Kosmehl gratuliert den über 30.000 Unterstützern der Verfassungsbeschwerden. „Der lange Atem hat sich nun endlich gelohnt.“

„Das Urteil setzt eine klare Haltelinie für die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger“, erklärt Katrin Budde, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt. „Der Staat kann nicht ohne dezidierte Begründung die Daten seiner Bürger sammeln.“ Die sofortige Löschung der bereits gespeicherten Daten bezeichnete Budde als unabdingbare Voraussetzung für eine verfassungskonforme Neuregelung. „Jetzt gilt es eine vernünftige Balance zwischen den Mitteln zur Bekämpfung schwerer Straftaten und zwischen unser aller Persönlichkeitsrechten zu finden“, so Budde weiter. „In einem demokratischen Staat darf die Freiheit seiner Bürger nicht unreflektiert der Verbrechensbekämpfung geopfert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat hier die Richtung gewiesen.“

„Bekanntlich hat DIE LINKE die Vorratsdatenspeicherung stets abgelehnt, da sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nachhaltig beschädigt hat“, so die innen- und rechtspolitische Sprecherin der Links-Fraktion im Landtag Gudrun Tiedge. „Alle Menschen müssen das Recht haben, über ihre Daten, ihre sozialen, politischen und wissenschaftlichen Kontakte und Verbindungen selbst entscheiden zu können. Das heutige Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein ernstzunehmendes Stoppzeichen für alle, die dieses Recht beschneiden wollen.„ Man begrüße das Urteil ausdrücklich und sehe darin eine wichtige Entscheidung zur Wahrung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. „Es ist offenbar eine Sackgasse, wenn immer wieder versucht wird, das Grundgesetz bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit auszutesten. Stattdessen muss es genau umgekehrt darum gehen, gerade die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, anstatt mit ihrer stetigen Beschneidung das Grundgesetz immer weiter auszuhöhlen. Das Urteil sollte zugleich Anlass sein, weitere fragwürdige Datenspeicherungen wie etwa im Arbeitnehmer-Informationssystem ELENA oder durch das so genannte Swift-Abkommen zu Speicherung von Bankdaten zu stoppen oder gar nicht erst zuzulassen.“ Von der Landesregierung erwarte man deshalb gegenüber dem Bund eine unmissverständliche Positionierung und eine „klare Ablehnung der Pläne etwa des hessischen Innenministeriums, das entsprechende Gesetz so „nachzubessern“, dass erneut verdachtsunabhängige Datenspeicherung im großen Stil möglich werden kann.“