Haushalt: Stadtrat sattelt aufs Minus drauf

von 27. April 2011

19,5 Millionen Euro. Das war die Vorgabe vom Landesverwaltungsamt für den Haushalt der Stadt Halle (Saale). Ein Ziel, das am Mittwochnachmittag im Stadtrat deutlich verfehlt wurde. Und so verwundern die Worte von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados nicht: “Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diesen Haushalt nicht genehmigt bekommen”, sagte das Stadtoberhaupt gegenüber HalleForum.de.

Mit den Stimmen von CDU, SPD und Linken wurde der Etat für das laufende Jahr vom Stadtrat verabschiedet. FDP und Grüne hatten mit Nein gestimmt, die MitBürger sich enthalten. Zuvor wurde über zahlreiche Änderungsanträge beraten und teilweise ordentlich draufgesattelt. Die 850.000 Euro für Dünnschicht-Straßenbelag zur Erneuerung maroder Straßen wurde zwar noch aus einer anderen Haushaltsstelle genommen. Doch viele andere Punkte kommen obendrauf, wie zwei Millionen Euro für Brandschutzmaßnahmen an Schulen. Und auch die Hartz IV-Reform reißt ein Loch von 2,5 Millionen Euro in den Haushalt.

Am Ende fehlen wohl in diesem Jahr 25,5 bis 26 Millionen Euro in der Kasse, so Finanzdezernent Egbert Geier gegenüber HalleForum.de. Nach den am Mittwoch abgestimmten Änderungsanträgen muss das noch einmal genau ausgerechnet werden. “Ich bin langsam ratlos”, kommentierte Dagmar Szabados diese Zahlen und kritisierte den mangelnden Sparwillen der Stadträte. Und Sparmöglichkeiten hat die Verwaltung einige ausgemacht. Beispielsweise seien die Kinderbetreuungskosten pro Kind in Magdeburg günstiger. Dort seien alle Kitas privatisiert und die Freien Träger müssten Eigenanteile zahlen. Als weiteres Beispiel nannte sie eine Beteiligung der Sportvereine an den Betriebskosten für Sportanlagen. “Wir sind in guten Verhandlungen mit den Vereinen, aber der Stadtrat lehnt das einfach ab. So gut wie in Halle geht es den Vereinen nirgendwo”, so die Oberbürgermeisterin. “Die Vereine sind hier im Paradies.”

Zweieinhalb Stunden hatten die Stadträte Haushaltsreden geschwungen und über Änderungsanträge beraten. Am Anfang stand in der Sitzung aber die Schelte von Finanzdezernent Egbert Geier, der von einer “Haushaltstortur”, einer “Tour de Etat” sprach. Halle habe einen gewaltigen Instandhaltungsrückstand, so Geier, “und das in allen Bereichen.” Innerhalb der Verwaltung vermisse er eine klare Prioritätensetzung, in den einzelnen Dezernaten agiere man nach dem Motto der Haushaltsbevorratung. Er wünsche sich von der Verwaltung mehr Stringenz nach innen beim Suchen nach Sparpotentialen. In den Beratungen – 16 Fachausschuss-Sitzungen und sieben Finanzausschuss-Sitzungen – sei es oft nur zu atomisierenden Klein-Klein-Diskussionen gekommen. Immer wieder habe es starke Versuche gegeben, Dinge neu in den Haushalt aufzunehmen. “Diese Form der Haushaltspolitik bringt uns nicht weiter, sie ist nicht zielführend.” Auch wenn es unangenehm sei, müsse gespart werden und nach neuen Einnahmemöglichkeiten gesucht werden. Stattdessen habe der Rat weitere Millionen aufgenommen. Dies sei ein falschen Signal an die Kommunalaufsicht, die den Haushalt genehmigen muss. Geier warnte vor einem Bumerang-Effekt, seinen Worten zufolge drohen nun neue Beratungen zum Haushalt.

“Die Grenze des Möglichen ist erreicht”, sagte SPD-Stadtrat Johannes Krause. Wie viele andere ging er auf die Unterfinanzierung der Stadt durch das Land ein, 30 Millionen Euro bekomme Halle zu wenig. Die zu späte Einbringung des Haushalts kritisierte Bernhard Bönisch (CDU). Doch auch der Umgang der Verwaltung mit Investitionen sei kritikwürdig. 120 Millionen Euro seien eigentlich im letzten Jahr eingeplant gewesen, ein Drittel davon wurde gestrichen ohne das jemand etwas davon erfuhr. Bönisch wünschte sich deshalb mehr Transparenz. “Löblich” nannte er es, die Sportvereine finanziell beteiligen zu wollen. Der CDU-Mann vermisste auch in der Verwaltung einen Sparwillen. “Kleinvieh macht auch Mist”, sagte er angesichts des Dienst-Audis der Oberbürgermeisterin. Sparpotentiale gebe es auch in der Personalausstattung, dies sei der größte Posten der Ausgaben im städtischen Haushalt. Tom Wolter kritisierte, dass die Stadt seit neun Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr habe. In seinem Fokus stand aber auch die seiner Meinung nach mangelhafte Informationspolitik durch die Verwaltung. So habe er die Haushaltsberatungen empfunden als sei er selbst Mitarbeiter der Stadtverwaltung, weil er Fragen stellen musste deren Aufbereitung schon längst hätte durch die Verwaltung erfolgen können. “Die Haushaltsberatungen geben immer den Zustand der Verwaltung wieder. Und der scheint nicht der beste zu sein”, sagte Linke-Stadtrat Bodo Meerheim. Seine Zustimmung zum Haushalt wollte er davon abhängig machen, ob Kürzungen im Sozialbereich rückgängig gemacht oder gedämpft werden. Entsprechende Änderungsanträge wurden später teilweise genehmigt. Die vier Merkmale des Haushalts seien Hoffnung (bei der Finanzplanung), Mangel (bei der Unterhaltung der Liegenschaften), Armut (Sozialleistungen) und Reichtum (im Vermögenshaushalt). Unzufrieden war Meerheim mit der Haushaltskonsolidierung. Je mehr man den städtischen Unternehmen aufbürde an die Stadt auszuzahlen, um so weniger könnten diese in die eigene Werterhaltung investieren. Er warnte davor, weiterhin auf Millionenauszahlungen der Wohnungswirtschaft zu hoffen. “Wahrscheinlich würde es niemand merken, wenn ich die Rede aus dem letzten Jahr halten würde”, merkte Dietmar Weihrich (Grüne) an. Denn es sei jedes Jahr das Gleiche mit dem Haushalt. Doch er fand noch einen ganz aktuellen Kritikpunkt. Der Stadtrat hatte eigentlich eine stärkere Bürgerbeteiligung beim Haushalt beschlossen. Mehr als ein Onlineformular kam bei der Stadt aber nicht raus. “Das ist viel zu wenig, keine echte Bürgerbeteiligung.” Was auch die Resonanz von gerade einmal 31 Rückmeldungen zeigte. Wie auch Bodo Meerheim kritisierte er den “schleichenden Wertverlust”, weil keine ausreichenden Mittel für den Erhalt des städtischen Gebäudebestandes bereitgestellt würden. Stattdessen fließe das Geld in fragwürdige Projekte wie den Ausbau des Gimritzer Damms. Auch den Stadionbau führte er hierbei auf, so seien 130.000 Euro für zusätzliche Toiletten im Stadion Neustadt ausgegeben worden, damit der HFC hier spielen kann. “Dazu gibt es keinen Stadtratsbeschluss.” Sparmöglichkeiten sieht Weihrich durch eine bessere Energieeffizienz. So sei er im Winter mit einer Wärmebildkamera durch die Stadt gegangen. An der Sporthalle am Bildungszentrum seien die Werte so schlecht gewesen, dass sogar das Graffiti auf der Wand isolierend wirkte. Zunehmende Lustlosigkeit attestierte Gerry Kley (FDP) der Verwaltung bei der Haushalts-Aufstellung. “Dieser Haushalt war von vornherein nicht genehmigungsfähig.” 2.600 Mitarbeiter seien offenbar nicht dazu in der Lage und nun sollen es 56 Ehrenamtliche retten. Sparmöglichkeiten hatte er einige, die wie Verkleinerung des Bauordnungsamtes. Sogleich kritisierte er die Ablehnung zweier FDP-Anträge durch den Stadtrat, wonach die Verwaltung vor dem Abschluss von Beraterverträgen diese begründen muss, ebenso die Neubesetzung freier Stellen. “Da gehen die Hunderttausende hin”, sagte er.