Schlafen auf der Straße und Wühlen im Müll

von 28. Februar 2017

Tatsächlich ist das alles Augenwischerei und purer Propaganda. Seit Jahren nimmt die Mehrzahl der Menschen in Deutschland Kaufkraftverluste hin. Mit der Agenda 2010 ist ein breiter Sektor aus Niedriglohn und Leiharbeit entstanden. Die Mehrzahl der offenen Stellen sind entweder so miserabel und/oder schlecht bezahlt, dass man sie eigentlich niemandem zumuten sollte oder so speziell, dass die Frage aufkommt, ob es nicht höchste Zeit ist, die Wirtschaft bei Bildungsfragen stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Kaufkraftzuwachs durch den Mindestlohn wird munter unterlaufen, indem sonstige Vergünstigungen gestrichen, Stellen abgebaut oder bezahlte Stunden durch unbezahlte Stunden ergänzt werden. Viele Arbeitgeber leben zudem trotz der munter alternden Gesellschaft und trotz der oft höheren Kompetenz älterer Arbeitskräfte noch immer den Jugendwahn. Jung und dynamisch sollen die Einsteiger sein. Ein Anachronismus in einer Zeit, in der das Renteneintrittsalter immer weiter gestiegen ist.

Ab Mitte 40 bekommen Bewerber die Diskriminierung offen zu spüren. Natürlich sagt kein Unternehmen, dass es das Alter ist, das stört, denn das ist ja gesetzlich verboten. Da abgelehnte Bewerber aber nie die Gründe für die Ablehnung erfahren, sind alle Gründe möglich, was wegen der völligen Intransparenz von Bewerbungsprozessen jedoch folgenlos bleibt. Es spräche einiges dafür, Einstellungsroutinen zu erstellen, die wirklich auf die je nach Beruf spezifischen Anforderungen abstellen und Alter, Geschlecht, Familienstand, Elternschaft, Glaubensbekenntnis sowie Ethnie außen vor lassen. Fachkräftemangel? Offenbar ist das nicht wirklich ein Problem, auch wenn die Bettelzettel in immer mehr Fenstern kleben. Wie die ultimative Lösung für viele Verantwortlichen offenbar aussieht, zeigte sich an der abenteuerlichen Idee, mehr als eine Millionen hoffnungsvolle, überwiegend junge Männer im Tarnkleid humanitärer Hilfe nach Deutschland zu schaufeln, um gleich nach ihrer Ankunft Arbeitskräfte herauszusieben.

Die Verarmung wachsender Teile der Gesellschaft ist inzwischen auch in Halle an der Saale sichtbar. Immer öfter ziehen die Ausgestoßenen quer durchs Stadtgebiet von Mülltonne zu Mülltonne, um Flaschen zu sammeln für ein paar Euro aus dem Flaschenautomaten. Auch schlafen teilweise Menschen in Hauseingängen oder lagern mit den ärmlichen Habseligkeiten ihrer traurigen Existenz auf Parkbänken oder gar direkt vor Halles Ratshof. Wer Arbeit hat, ist keineswegs sicher vor der Bettelei bei Mitmenschen, karitativen Einrichtungen und Behörden. Viele Selbstständige sind aus der Not heraus in die Selbstständigkeit gegangen, weil sie sich nicht weiter von Arbeitsamt oder Jobcenter gängeln lassen wollten und nicht wenige dieser Menschen scheitern oder halten sich nur als Aufstocker irgendwie und von Monat zu Monat über Wasser.

Wenn immer wieder Studien veröffentlicht werden über das angebliche Einkommen und den allgemein gewachsenen Wohlstand, können viele Menschen nur mit dem Kopf schütteln und fragen, wer sich solche Zahlen ausdenkt. Gerade erst hat die Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu eine Studie veröffentlicht, die besagt: Sachsen-Anhalt ist das Schlusslicht bei der Arbeitnehmerzufriedenheit. Warum das so ist, liegt auf der Hand: zu wenig Anerkennung, zu wenig Abwechslung, schlechte Bezahlung und Chefs, wie sie in rauen Milieus eben öfter zu finden sind.

Nun zieht Martin Schulz, ein Mann aus dem rechten Flügel der SPD und ein saturierter Eurokrat, als Heilsbringer durch das Land und sammelt gutgläubige Wahlschafe ein mit dem Versprechen, überall etwas ändern zu wollen, wo es am meisten drückt. Doch der Macht zuliebe hat die SPD mit beinahe jedem paktiert und wiederholt diejenigen vor den Kopf gestoßen, die satt mit immer neuen leeren Versprechen und Belastungen. Es ist bedenklich, dass sich inzwischen eine wachsende Zahl Menschen nicht mehr mit diesem Land identifiziert und die bleierne Politik der etablierten Parteien als Dejavu der DDR in ihren letzten Tagen erlebt und bei letzterem von der spitzesten Feder der Republik, dem Publizisten Hendryk M. Broder, recht bekommt.

Broders DDR-Vergleich erschien unter anderem in der Huffington Post

http://www.huffingtonpost.de/2015/10/28/merkel-ddr-deutschland-fluechtlinge_n_8406288.html