Sommer heißer und trockener

von 20. November 2015

Dabei hatte sich der Gelobte eingangs in Understatement geübt und sich selbst als Quereinsteiger in die Meteorologie vorgestellt. Dass in Halle an der Saale Klimawerte seit inzwischen 165 Jahren kontinuierlich erfasst wurden, nannte Döring einen „Schatz“. Es liege eine lückenlose Messreihe seit 1851 vor und das gebe es in kaum einer anderen deutschen Stadt. Die einzige kleine Lücke sei im Frühjahr 1945 entstanden, weil ein Wetterbeobachter beim Militär war.

Bevor er zu den Details kam, klärte Döring die Frage, was denn Wetterextreme sind. Extreme lägen vor, wenn die Temperaturen stark schwanken, immer neue Extremwerte auftreten, das Wetter täglich rasch wechselt, sich Extremwerte häufen und große räumliche Unterschiede bestehen. Für Halle legte er dazu zahlreiche Folien über ausgewertete Messreihen vor. Zunächst für die Temperatur. Auch wenn die Zuschauern nun sägeartige Linien zu sehen bekamen: Die durch alle gemittelten Werte gelegten Linien – der so genannte Trend – stieg leicht an.

Halles niederschlagsreichsten Tage fielen auf die zwei Weltkriege

In den 165 Jahren gab es zwei kühle Phasen: von 1881 bis 1911 und von 1959 bis 1989. In den warmen Phasen, wie sie aktuell zu erleben ist, schwanken die Temperaturen stärker als in den kühleren. Dann sind nicht nur die Höchsttemperaturen im Mittel höher. Auch die niedrigen Extremwerte (Kälte) übersteigen die in der Kaltphase. Der Durchschnitt der Jahres-Maximaltemperatur ist über den betrachteten Zeitraum von im Schnitt 33 Grad Celsius auf fast 35 Grad Celsius angestiegen. Der Zahl der Sommertage mit Spitzenwerten von mehr als 30 Grad Celsius hat deutlich zugenommen. Der Durchschnitt der Jahrestiefstwerte sank zugleich, entgegen der Erwartung, leicht, liegt aber weiter um minus 15 Grad Celsius.

In den Jahren 2001 bis 2010 wurde die größte mittlere Jahres-Niederschlagsumme seit 1851 gemessen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte es mehr Tageswert-Niederschlags-Extreme gegeben als in der zweiten, es war also in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts trockener. Die Jahrhunderttagesextreme maß man in Halle (Saale) während er beiden Weltkriege: 105,8 Millimeter Niederschlag am 28. Mai 1916 und 132,5 Millimeter am 24. Juli 1943. In beiden Fällen handelte es sich um Gewitter. In Ostdeutschland hat nur Schwerin noch einen dritten Tag mit über 100 Millimeter Niederschlag aufzuweisen. Deutschlandweit wurde dieser Wert am häufigsten in Wendelstein (13 Mal) und in Freudenstadt (8) gerissen. Feuchte Phasen waren die Jahre 1925 bis 1955 und 1991 bis 2011. Trotz des Gesamteindrucks, dass die Wintermonate heute schneeärmer sind als früher, war es der Winter des Jahres 2010, in dem mehr als 50 Tage lang über zehn Zentimeter Schnee lagen in Halle. Ein Extremwert. Starkregen hat nicht zugenommen, zugenommen hat hingegen die Trockenheit. Trotzdem liegen Halles größten Dürrejahre schon länger zurück. Dürresommer fielen auf die Jahre 1911, 1947, 1976, 1982 und 2003. Der Spitzenwert mit 177 Tagen Trockenheit und 88 Tagen Dürre wurde im Sommer 1947 erreicht, gefolgt vom Sommer 1982 mit 173 Tagen Trockenheit und 46 Tagen Dürre.

Keine gesicherten Aussagen zur Zunahme von Wetterextremen

„Wetterextreme gehören zum Klima. Das Wetter war immer eine Abfolge von Extremereignissen“, ergänzte Döring seine Analyse. Zur Änderung der Häufigkeit und Intensität von Extremata könne bei Temperatur und Niederschlag keine sichere Aussage getroffen werden. Gleichwohl meinten anwesende Fachkollegen des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU), die Geschwindigkeit der Änderungen zugenommen hat. Seit Wissenschaftler Eiskerne aus riesigen Eisbergen gebohrt und untersucht hätten, lägen Vergleichsdaten für einen sehr langen Zeitraum der Erdklima-Geschichte vor. Um aus aktuellen Messreihen Schlüsse zu ziehen, müssten Zeiträume von mindestens 60 Jahren betrachtet werden.

Obwohl die Klimaveränderung offenbar auch in Halle (Saale) sichtbar ist, an den Messwerten, aber mehr noch an der Vegetation, blieb Döring insbesondere bei der Interpretation der Temperaturen vorsichtig. Denn die Eigenschaften des jeweiligen Ortes, wo die Werte gemessen werden, hat auch Einfluss auf die Messergebnisse. So wurde in Halle zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten gemessen. Die erste Messstation stand ab 1899 an der Mauerstraße, ungefähr dort wo heute das Elisabeth-Krankenhaus steht. Dann übernahm das Landwirtschaftliche Institut an der Ludwig-Wucherer-Straße die Messungen. Eine alte Wetterwarte stand genau da, wo sich jetzt die Bibliothek des Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums (Steintor-Campus) befindet. Die Station gab es bis in die 1970er Jahre, die Daten dort jedoch nur bis in die 1950er Jahre für die wetterdienstliche Messreihe übernommen. Stattdessen erfasste der Meteorologische Dienst der DDR die Daten dann in Passendorf und am Donnersberg in Halle-Kröllwitz. Seit den 1990er Jahren erfolgten die Klimamessungen auf dem Julius-Kühn-Feld, dem Agrarversuchsgelände der Universität Halle. Wachsende Bebauung und Verkehr haben die Messungen an den alten Standorten wahrscheinlich beeinflusst.

Veranstalter der Vortragsreihe waren die Heinrich-Böll-Stiftung und das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU). Es war die Fortsetzung einer Klimaschutzreihe, die einst im Reformhaus Halle (an der Klausbrücke) angeschoben wurde. Zur fakultativen Beschäftigung mit dem Thema Klima empfohlen die Veranstalter die Online-Lern-Plattform iversity.org.

Stadtrat diskutiert Halles Mitgliedschaft im Klimabündnis

Die Stadt Halle gehört zum Klimabündnis. Auf der Suche nach Wegen, Haushaltsposten zu streichen und so Geld zu sparen, hatte Halles Stadtrat 2013 bereits geplant, die seit 1992 bestehende Mitgliedschaft im Klimabündnis „Alianza del Clima / Climate Alliance e.V.“ zu kündigen, nachdem er zuvor veranlasste, dass eine Beratungsgesellschaft aus Berlin ab März 2011 ein Jahr lang an einem „Integrierten Kommunalen Klimaschutzkonzept“, insgesamt 213 Seiten, arbeitete. Nach einem zweijährigen Aufschub des Themas, steht es am 25. November 2015 unter Punkt 7.5 wieder im Stadtrat auf der Agenda. Inzwischen hat die Verwaltung für das Themenfeld Klimaschutz ein eigenes Dienstleistungszentrum (DLZ) etabliert. Im Dezember 2015 soll ein Energiepolitische Leitbild für Halle verabschiedet werden.

Klimabündnis Alianza del Clima

http://www.klimabuendnis.org

Unabhängige Institut für Umweltfragen

http://www.ufu.de/

Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt

http://www.boell-sachsen-anhalt.de/

Dienstleistungszentrum Klimaschutz bei der Stadtverwaltung Halle

http://www.halle.de/de/Verwaltung/Verwaltungsorganisation/GB-Stadtentwicklung-05842/DLZ-Klimaschutz/

Integriertes Kommunales Klimaschutzkonzept für Halle (pdf zum Herunterladen)

http://www.halle.de/VeroeffentlichungenBinaries/581/685/klimaschutzkonzept_halle.pdf

Online-Kurs zum Klimawandel

https://iversity.org/de/courses/klimawandel-und-seine-folgen