Möchtegern-Autoren und richtige Schriftsteller

von 17. März 2011

Der Leipziger Verleger Jonas Plöttner brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Also irgendwie ist die Buchmesse jedes Jahr anders.“ Recht hatte er und meinte damit, dass der diesjährige Auftakt der Leipziger Buchmesse im Gegensatz zum letzten Jahr etwas geradezu Bedächtiges an sich hatte.

Zwar drängten sich auch an diesem Donnerstag tausende Menschen in den Hallen und an den Verlagsständen, doch war diesmal nichts von diesem rauschhaften Ansturm wie im letzten Jahr zu spüren. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die meisten tatsächlich zum Lesen und Zuhören gekommen waren. So wie an den Ständen der Hörverlage, die sich seit Jahren großer Beliebtheit erfreuen. Audiobooks, wie man sie neudeutsch etwas tollpatschig nennt, üben nach wie vor eine merkwürdige Faszination aus.

Ob als Gruselgeschichte im Groschenromanformat oder als elegisch, epische Erzählung – die Bücher zum Hören haben sich zu Ohrwürmern im Wortsinne gemausert. Apropos elegische Erzählungen. Wenn er Buchmesse sagt, meint der eingefleischte Leser eigentlich Literatur im eigentlichen Sinne, die Begegnung mit Schriftstellern, ihren Fantasiewelten und ihren Büchern. Die gibt es natürlich auch auf der Buchmesse. Aber ein anderes Phänomen lässt sich in den letzten Jahren häufig beobachten: Die Verlage schnappen sich irgendeinen mehr oder weniger prominenten Prominenten, egal, ober es sich nun um einen mittelmäßigen Schauspieler, eine unspannende TV-Moderatorin, einen wie eine 300-jährige Schildkröte aussehenden Schlagersänger, einen halbgaren Fernsehkoch oder einen nicht totzukriegenden DDR-Entertainer handelt.

Sie alle werden zu „Autoren“ hochgejubelt und dürfen mit ihren kaum zu überbietenden Weisheiten in Buchform am Ende von sich behaupten: Seht her, ich habe ein Buch geschrieben!

So wie jene Ruth Moschner (Big Brother, Riverboat), die in epischer Breite über „dünne Dänen“ und ihr „Buch“ die Schoko-Diät dampfplaudert, bis man sich aufgrund von Gähnkrämpfen in orthopädische Behandlung begeben muss und sich fragt, wer solche Bücher kauft und am Ende auch noch liest. Denn gekauft werden sie, das bedingt schon das ungeschriebene Verlagsgesetz.

Jenes besagt nämlich, dass man mit einem erfolgreich verlegten Buch, viele andere nicht so erfolgreiche (oder gute?) Bücher mit durchziehen kann. Und es ist kein Geheimnis, dass die Sachbuchbranche boomt. Kochbücher, Diättipps, Fitnessratgeber und ähnliches erfreuen sich uneingeschränkt großer Nachfrage.

Aber mal ehrlich, wäre eine Leipziger Buchmesse ohne diese drolligen bis schrägen Protagonisten der Anti-Literatur nicht auch ein wenig fade und allzu ernst? Genau. Deshalb schüttelt man sich nach dem Gähnkrampf ordentlich durch und begibt sich zu denen, die wirklich und auch selbst schreiben. Richtige Geschichten, Literatur und so. So wie der Gewinner des Leipziger Buchpreises in der Kategorie Belletristik, Clemens J. Setz. Der Grazer Schriftsteller hat den mit 15.000 Euro dotierten Preis für sein Buch „Die Liebe zu Zeit des Mahlstädter Kindes“ erhalten. Ein hoch verspieltes, unheimliches Werk das Grenzen überschreitet. Nominiert waren außerdem Anna Katharina Fröhlich mit „Kream Korner“, Arno Geiger mit „Der alte König in seinem Exil“, der heimliche Publikumsliebling Wolfgang Herrndorf mit „Tschick“ und Peter Stamm mit „Seerücken“.

Angesichts solch geballter Erzählkunst schaut man dann doch wieder einigermaßen versöhnt und milde auf „Autoren“ wie Matthias Reim mit seinem Nachschlag(er)werk „Verdammt ich leb noch“. Ja, möchte man zustimmen: „Verdammt, er lebt noch“. Aber so böse ist man dann verdammt noch mal doch nicht.

(Text und Foto: Matthias Weidemann/l-iz.de)