Zusatzschild für Blum-Straße

von 9. November 2010

Seinen 203. Geburtstag würde Robert Blume am Mittwoch feiern. Aus diesem Grund wird der Politiker und Publizist Robert Blum nun geehrt. Im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ bringt die Bürgerstiftung Zusatzschilder im Paulusviertel an der nach Blum benannten Straße an. Gespendet wurden die Schilder von Elisabeth und Knut Köhler sowie Hannelore und Dr. Ulrich Zerjeski.

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt, doch häufig wissen die Hallenser gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalb stattet die Bürgerstiftung Halle seit Juli 2008 monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über die NamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborg von Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischen Persönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.

Jeder Interessierte kann für einen halleschen Straßennamen ein solches Schild spenden.

Mehr aus dem Leben von Robert Blum lesen Sie auf Seite 2:
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Am 9. November 1807 in Köln geboren, wuchs Robert Blum in äußerst bescheidenen Verhältnissen auf .Sein Vater, Engelbert Blum, musste seinen Beruf als Fassbinder wegen körperlicher Gebrechen bald aufgeben, verdiente den kärglichen Lebensunterhalt als Lagerist, später als Aufseher einer Stecknadelfabrik und starb 34-jährig an Tuberkulose. Seine Mutter, Maria Katharina Blum (geb. Brabender) arbeitete als Dienstmädchen. Sie heiratete kurz nach dem Tod ihres Mannes im November 1815 den Schifferknecht Kaspar Georg Schilder. Die damit verbundene Hoffnung auf wenigstens bescheidenen Wohlstand erfüllte sich nicht. So konnte Robert den schon früh zu bemerkenden Bildungsdrang nur sehr fragmentarisch befriedigen, als er für ein Jahr das Jesuitenkolleg (Marzellengymnasium) in Köln besuchen durfte (1819-1820). Bemühungen um ein Stipendium, das die Fortsetzung der Ausbildung ermöglicht hätte, blieben erfolglos. So musste er bald eine Lehre zuerst als Goldschmied und Gürtler, später als Gelbgießer aufnehmen, um etwas zum Unterhalt der Familie beizutragen. Mitte der zwanziger Jahre fand er eine Anstellung beim findigen Unternehmer und Laternenfabrikanten Johann Wilhelm Schmitz. Mehrere Jahre war er in dessen Auftrag als eine Art Handlungsreisender unterwegs und nutzte diese Wanderjahre zur Welterkenntnis und um sich ständig weiter zu bilden. Nach sechs Wochen Militärdienst wurde er nach einigen Streitigkeiten wegen ausstehender Lohnnachzahlungen von Schmitz 1830 entlassen.

Eine neue Stelle fand er im Oktober desselben Jahres am Stadttheater Köln als Theaterdiener. Im Juli 1832 folgte er seinem alten und neuen Theaterdirektor, Friedrich Sebald Ringelhardt nunmehr als Theaterassistent an das Stadttheater Leipzig. Hier verstärkte er, nicht zuletzt unter dem Eindruck, den die Juli-Revolution in Paris auf ihn gemacht hatte, seine schriftstellerischen und politischen Aktivitäten. Einziges gedrucktes Drama bleibt „Die Befreiung von Candia“, aber auch diesem bleibt eine Aufführung versagt .In Vergessenheit geraten (und das wohl zu Recht) sind auch die meisten seiner lyrischen Versuche. Nachhaltigere Wirkung für die Theater- und Literaturgeschichte hatte die von ihm gemeinsam mit den Leipziger Schriftstellern Karl Herloßsohn und Hermann Marggraff herausgegebene Theaterenzyklopädie. Der erste Band, zu dem Blum mehr als 70 Artikel beigesteuert hatte, erschien 1839 unter dem Titel „Theater-Lexikon oder Encyclopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde“.

Das zwischenzeitlich auf sieben Bände angewachsene Nachschlagewerk erschien bereits 1846 in einer zweiten Auflage. Ein von Robert Blum heraus gegebenes Handbuch der Staatswissenschaften und Politik hatte wohl eher geringe zeitgeschichtliche Bedeutung. Anders seine politische Publizistik: Sie vor allem war es, die ihm zu Lebzeiten sowohl bei Gesinnungsgenossen wie auch politischen Gegnern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit einbrachten. Seit Mitte der 30er Jahre engagierte sich Blum in scharfen Artikeln für Presse- und Redefreiheit, für nationale Einigung, soziale Gerechtigkeit und gegen Willkürjustiz. So verfolgten die „Sächsischen Vaterlandsblätter“, deren inoffizieller Herausgeber Blum 1841 wurde, einen konsequenten Oppositionskurs. Als das Blatt Preußen wegen seines rigiden Vorgehens gegen den Freiheitsdichter Hofmann von Fallersleben heftig angriff, zog es sich nicht nur die verstärkte Aufmerksamkeit der Zensur zu, sondern konnte auch seine Auflage beträchtlich steigern. Noch stärker war die Resonanz, als es einen der größten Justizskandale im Vormärz öffentlich machte: Georg Büchners Mitautor des „Hessischen Landboten“ (der wohl populärsten Flugschrift des deutschen Vormärz), Pfarrer Friedrich L. Weidig wurde im April 1835 verhaftet und im Darmstädter „Arresthaus“ während seiner zweijährigen Haft grausam misshandelt, gequält und so in den Freitod getrieben. Die deutschlandweit ausgelöste Empörung war mit ein Grund dafür, dass das Blatt 1845 zuerst in Kurhessen und Bayern, dann in Preußen und Sachsen verboten wurde. Damit war eines der mutigsten publizistischen Organe des deutschen Vormärz zum Schweigen gebracht. Ein ehrgeiziges Projekt war auch das seit 1843 jährlich erscheinende Volkstaschenbuch „Vorwärts“, dessen alleiniger Herausgeber Blum seit 1846 war. Bereits für den ersten Band konnte er so namhafte Autoren wie Georg Herwegh, Hofmann von Fallersleben, Johann Jacoby, Robert Prutz und Theodor Welcker gewinnen. Trotz zahlreicher Schikanen, Verboten und ständiger Eingriffe durch die Zensur konnte der „Vorwärts“ bis 1847 regelmäßig erscheinen.

Verstärkt wandte sich Blum nun der praktischen politischen Tätigkeit zu. So leitete er gemeinsam mit Ruge im März 1845 das Deutsch-Katholische Konzil in Leipzig. Als sich am 12. August die Anhänger der deutsch-katholischen Bewegung zum Protest gegen die Anwesenheit des religiös eifernden Prinzen Johann (Bruder des Königs) in Leipzig versammelten, kam es, nachdem die königlich-sächsischen Truppen in die Menge geschossen hatten, zu tumultartigen Szenen. Bei diesen Volkskundgebungen erwies sich Blum als brillianter Redner und pragmatischer Politiker.

Für eine Revolution sei es noch zu früh, beruhigte er die aufgebrachten Massen. 1846 wurde Blum zum Stadtverordneten und im Oktober des Folgejahres, trotz der Intervention des Innenministers, zum Stadtrat gewählt. Am 1. März 1848 verlangte das Leipziger Stadtparlament in einer Adresse an den König Pressefreiheit und die Vertretung der deutschen Länder im Bundestag. Blum forderte in seiner Rathausrede am 3. März mehr: den Rücktritt der Regierung. Am 13. März trat das Ministerium komplett zurück. Zwei Tage später wurden neue, liberale Minister ernannt. Lange geforderte Zugeständnisse wurden gemacht: Vereidigung des Militärs auf die Verfassung, Pressefreiheit, Volksbewaffnung und politische Amnestie. Am 19. März nahm Blum das Zwickauer Mandat für das Vorparlament an und wurde dessen Vizepräsident. Im Mai wurde er in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt und galt als Führer der gemäßigten Linken. Im Oktober 1848 reisten er und einige linke Abgeordnete mit einer Grußadresse ins aufständische Wien. Blum forderte von der Wiener Bevölkerung in einer Volksversammlung: „Keine halbe Revolution!“ und nahm selbst an den Barrikadenkämpfen teil. Am 4. November wurde er von österreichischen Regierungstruppen verhaftet und standrechtlich zum Tode verurteilt. Trotz seiner parlamentarischen Immunität wurde Blum am 9. November in Brigittenau bei Wien erschossen.

Robert Blum gilt als der populärste Politiker der 1848er Revolution. Nach seinem Tod rankten sich zahllose Legenden und Mythen um seine Person. Blum-Devotionalien in Form von Schmuckblättern, Pfeifenköpfen, Büsten und Kartenspielen überschwemmten den Markt. Einst ein Idol, wurde er durch die Nachwelt so gut wie vergessen. Dabei hat er, wie Ralf Zerback schreibt, „weit in die Zukunft geblickt: in unsere Gegenwart. Er hatte Ideen von Deutschland und Europa, die erst einhundert Jahre nach seinem Tod Gemeingut wurden“.

Quellen: Robert Blum: Politische Schriften, hrsg. v. Sander L. Gilman, Nendeln 1979
Ralf Zerback: Robert Blum, Leipzig 2007