13.04.2016 – Ehrentag der Pflanzen

von 11. April 2016

Die Pflanzen sind nur zur Blütezeit oberirdisch vorhanden und präsentieren sich als meist 30 – 80 cm hohe unverzweigte Stauden mit überwiegend gelblichen, bräunlichen oder violetten Färbungen. Wegen der zwingenden Abhängigkeit von der Wirtspflanze und der komplizierten Keimungsbiologie der staubfeinen Samen ist eine Kultur oder ein Verpflanzen ausgeschlossen. Eine Sommerwurz sucht sich gewissermaßen selbst aus, wo sie vorkommt.

In Sachsen-Anhalt sind zehn Sommerwurzarten einheimisch, wobei aber im Norden und Osten des Landes fast keine Vorkommen bestehen. Diese Sommerwurzarten besitzen eine recht enge Wirtswahl; einige der Arten sind auf eine einzige Wirtspflanzenart beschränkt. Dadurch besitzen diese Arten eine mehr oder weniger enge Bindung an einige Lebensraumtypen von europäischem Interesse, für die die sogenannten FFH-Gebiete im guten Zustand erhalten werden sollen. Gleichzeitig hilft die Wirtsbindung bei der Artansprache, weil die äußerlich recht ähnlichen und zu ähnlicher Jahreszeit im Mai oder im Frühsommer blühenden Arten für den Laien kaum auseinanderzuhalten sind.

Eine zumindest im Harz nicht seltene Sippe ist die Netz- oder Distel-Sommerwurz (Orobanche reticulata). Sie parasitiert Distelarten wie Kohldistel (Cirsium oleraceus) oder Krause Distel (Carduus crispus) und kommt daher zerstreut an feuchten und nährstoffreichen Wald- oder Wegsäumen oder Gewässerufern vor. Diese Lebensräume entsprechen dem europäischen Lebensraumtyp „Feuchte Hochstaudenfluren“. Sowohl der Lebensraumtyp als auch die Netz-Sommerwurz sind aktuell kaum im Rückgang. Recht anschaulich sind beispielsweise die Vorkommen im Zillierbachtal südlich von Wernigerode. Der Zillierbach mit seinen Uferbereichen steht dort als FFH-Gebiet „Zillierbach südlich Wernigerode“ unter europäischem Schutz.

Gleich drei landesweit äußerst seltene Sommerwurzarten sind auf Feld-Beifuß (Artemisia campestris) als Wirtspflanze beschränkt: Sand-Sommerwurz (Orobanche arenaria), Panzer-Sommerwurz (Orobanche artemisiae-campestris) und Böhmische Sommerwurz (Orobanche bohemica). Alle drei Sippen können als Anzeiger eines weiteren europäischen Lebensraumtyps bezeichnet werden, den „Subpannonischen Steppenrasen“. Dieser Lebensraum umfasst Trockenrasen, die vor allem von ost- und südosteuropäisch verbreiteten Pflanzen dominiert werden und bei uns auf die im Regenschatten des Harzes liegenden nördlichen und östlichen Harzvorländer beschränkt sind. Die Panzer-Sommerwurz galt landesweit als ausgestorben und wurde 2010 im FFH-Gebiet „Trockenrasen am Wendelstein“ im Unstrutgebiet wieder gefunden. Für die wenigen Vorkommen der Böhmischen Sommerwurz besitzt das Land eine besondere Verantwortung, weil weltweit kaum 40 Vorkommen der Art bekannt sind. Alle drei Arten gelten in Sachsen-Anhalt als vom Aussterben bedroht. Gut zugängliche Vorkommen sind nicht vorhanden.

In der Südwesthälfte des Landes tritt die Nelken-Sommerwurz (Orobanche caryophyllacea) zerstreut auf. Der Name leitet sich vom intensiven Gewürznelkengeruch der Blüten ab. Als Wirtspflanzen werden Rötegewächse befallen, beispielsweise das Echte Labkraut (Galium verum). Ihre Vorkommen befinden sich im europäischen Lebensraumtyp „Kalk-Trockenrasen“, also in Magerrasen auf kalkhaltigem Untergrund. Wegen des starken Rückgangs der Schafhaltung und dem allgemeinen Nährstoffeintrag in der Landschaft sind sowohl die „Kalk-Trockenrasen“ als auch die „Subpannonischen Steppenrasen“ im Rückgang begriffen. Auch die Nelken-Sommerwurz wird in der Roten Liste des Landes Sachsen-Anhalt als gefährdet geführt. Schöne Bestände finden sich noch in den Magerrasen zwischen den Kleinhalden des historischen Kupferschieferbergbaus südwestlich des Welfesholzes bei Hettstedt. Dieser Bereich ist Bestandteil des FFH-Gebietes „Kupferschieferhalden bei Hettstedt“. Auch im FFH-Gebiet „Bielsteinhöhlengebiet bei Rübeland“ im Harz befinden sich noch Vorkommen der Nelken-Sommerwurz. Diese können gut vom Weg aus betrachtet werden.

Die verbleibenden Sommerwurzen sind ebenfalls mehr oder weniger eng an die „Kalk-Trockenrasen“ gebunden. Am ehesten kann man mit etwas Glück im Nordharzvorland oder im Unstrutgebiet Sommerwurzen entdecken.

Eigentlich müssten die heimischen Sommerwurzen wegen ihrer Exotik und Seltenheit eine ähnlich große Liebhaberschar begeistern wie die heimischen Orchideen. Vielleicht steht dem die spezielle Optik der Pflanzen oder ihr geheimnisvolles und unverlässliches Auftreten entgegen. Vielleicht ist auch nur die geringe Bekanntheit das fehlende Glied zur Popularität.

Auf jeden Fall sind sie es wert, zusammen mit ihren europäisch bedeutsamen Lebensräumen für uns und für künftige Generationen erhalten zu werden.