175.320 Stunden ein Ohr gehabt

von 29. April 2012

 Am 24. April 1992 ging es los. Zunächst von Freitags 18 bis Montags 8 Uhr saßen die freiwilligen Helfer der Telefonseelsorge in Halle (Saale) am Telefon. „Und wir haben gewartet und gewartet“, so Mitstreiterin Thea Ilse, ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des Vereins. Denn geklingelt hat es damals vor 20 Jahren nur recht selten, was wohl auch an der noch mangelhaften Ausstattung der halleschen Haushalte mit Telefon lag. Das hat sich heute geändert. 20.000 Mal im Jahr klingelt es, etwa 10.000 helfende Gespräche kommen zusammen. Mittlerweile sind die Ehrenamtlichen rund um die Uhr im Einsatz. Man stehe allen Menschen offen, so Thea Ilse, Man gebe menschliche Nähe, höre zu, frage nach, sei Gesprächspartner bei Sinnfragen.  Die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann, die auch die Festpredigt in der katholischen Heilig-Kreuz-Kirche hielt, bedankte sich bei den Mitarbeitern, Menschen die für andere ihre Kraft zur Verfügung stellen. Für die Landesregierung sprach Sozialminister Norbert Bischof. Er wies darauf hin, dass die Einrichtung sowohl von der evangelischen, als auch von der katholischen Kirche getragen werde. Und auch wenn 80 Prozent der Sachsen-Anhalter konfessionslos sind, sei die Telefonseelsorge doch ein Markenbegriff. Er ging auch auf das Motto „Wir haben Zeit“ ein. Denn das sei doch in der heutigen hektischen Zeit eine Ausnahme. Deshalb sei es das wichtigste, doch zumindest eine erfüllte Zeit zu haben für ein zufriedeneres, beglückteres Leben. Dafür, dass sich die vielen ehrenamtlichen Helfer den Problemen der Mitmenschen stellen, zollte er Respekt. „Denn Zuwendung und Liebe kann man nicht erkaufen.“ Dafür könne man keine Landesrichtlinie erlassen.  Dass Christen und Nichtchristen in der Telefonseelsorge gemeinsam aktiv sind, ist für Ulrich Lieb vom Bistum Magdeburg das beste Beispiel für eine weitgefächerte Ökumene. Tele für Fern, Fon für Ruf, Seele für das Innere des Menschen und Sorge für Unterstützung – so übersetzte Lieb den Begriff der Telefonseelsorge. „Über Entfernungen hinweg die Rufe von Menschen hören, wahrnehmen und reagieren.“ Die Helfer am Telefon hätten eine große Verantwortung übernommen. Das findet auch Halles Sozialdezernent Tobias Kogge. Die Helfer seien mit ihrem Ohr bei denen, die kein anderes Ohr finden. „Danke für Ihre Kompetenz zuhören“, so Kogge.  Nicht dabei beim Festakt war Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados, sie hatte einen anderen Termin zu absolvieren. Doch das scheidende Stadtoberhaupt ist selbst Mitglied im Telefonseelsorge-Verein. Und will sich im Ruhestand ebenfalls mit als Helferin am Telefon einbringen, verriet Thea Ilse noch.