Die Sorgen in Halles Innenstadt

von 29. September 2011

Müll, Graffiti, leerstehende Gebäude, Trinker, ignorierte Durchfahrtsverbote und ein gesperrter Speisesaal – das waren die großen Themen des Bürgerforums für die Innenstadt, das am Donnerstagabend im Händelhaus in Halle (Saale) stattfand. Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados bedankte sich, dass trotz des Altweibersommerabends viele Gäste gekommen waren. Neben Bürgern, Vereinen und Initiativen waren auch zahlreiche Stadträte gekommen, um sich die Probleme der Hallenser anzuhören. Mit dabei waren Martina Wildgrube (FDP), Swen Knöchel, Rene Trömel, Rudenz Schramm (Alle Linke), Dietmar Weihrich (Grüne), Harald Bartl, Michael Sprung, Roland Hildebrandt (Alle CDU), Detlef Wend, Hanna Haupt, Katharina Hintz und Klaus Hopfgarten (beide SPD).

Doch bevor sich die Hallenser zu Wort melden konnten, berichtete Gastgeber Clemens Birnbaum über das Händelhaus, das seit 1. Januar 2008 eine Stiftung ist. "Wir wollen hier nicht nur Händels Musik, sondern Barockmusik vermitteln", sagte Birnbaum. Er hob beispielsweise das Seniorenkolleg hervor. Jeden Mittwoch um 15 Uhr gebe es zudem mit den "Schallspielen" Angebote für Kinder und Jugendliche. Und am 9. Oktober sei ein Tag der Musik vorgesehen, an dem jeder der Lust hat ein Instrument zu spielen, kommen kann.

Viel passiert
Nun berichtete Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados über die vielen Dinge, die im Stadtteil in den letzten Jahren geschehen sind. Da sei die Sanierung des Händelhauses mit der neuen Dauerausstellung. Halle mit seinen 600 Hektar Wasserflächen habe zudem an der Saline einen neuen Stadthafen bekommen. So wolle man den Fluss sichtbarer machen, immerhin schlängele sich die Saale 25 Kilometer durch die Stadt. Einen neuen Eingang mit Gastronomie hat das Salinebad bekommen. Eine Hälfte des Saalhorns sei bereits gesichert worden, hier wolle man später einmal ein Technikum mit Experimenten für Kinder und Jugendliche einrichten, um so den Nachwuchs für die Universität und die halleschen Firmen zu gewinnen. Die Großsiedehalle der Saline werde derzeit für die Hanse-Ausstellung genutzt, die man bis zum 30. November verlängern konnte. Die Kotgraben- und die Klausbrücke wurden neu gebaut, die Franz-Schubert-Straße sei in Vorbereitung. Saniert werde die marode Gerbersaale – hier wusste Szabados nicht den aktuellen Stand, sprach davon, dass man plane diesen Kanal zu sanieren. Im nächsten Jahr – anlässlich der 90. Händelfestspiele und des 90. Jahrestags der Gründung kommunaler Wohnungswirtschaft – wollen HWG und Händelhaus zudem das Friedemann-Bach-Haus an der Klausbrücke wiedereröffnen, und zwar mit einer neuen Musikausstellung. Die Moritzburg hat im Westflügel einen Neubau bekommen. Szabados lobte die "wunderbare Architektur". Hier gebe es ein Museum, das seinesgleichen suche. Am Opernhaus wurde eine Skulptur aufgestellt, auch wenn diese umstritten ist. "An Kunst soll man sich auch reiben", kommentierte das Stadtoberhaupt dazu. Einer guten Nutzung sei das Umspannwerk zugeführt worden, hier gibt es jetzt einen Supermarkt und bald auch Frisör und Restaurant. In der Rannischen Straße wurden zwei Baulücken neu bebaut und alte Häuser saniert. Zudem kümmern sich Künstler um die Goldene Rose. Die Saaleklinik mit 40 Fachärzten ist am Steg entstanden. Das Tschernyschewski-Haus werde derzeit für die Leopoldina saniert und könne im Frühjahr kommenden Jahres eröffnet werden. Am Hallmarkt ist das kommunale Bildungszentrum mit Stadtbibliothek, Berufsschule und Volkshochschule entstanden, die Stadtbibliothek bekommt hier auch einen Neubau. Saniert werden und wurden zudem die Latina, die internationale Kita Herweghstraße, der DRK-Hort und der Hort Baumhaus. Außerdem gibt es die neue Kita Luisenträume. Für das Stadtmuseum werde die alte Druckerei im Hof saniert, damit Halle endlich eine Dauerausstellung zur Stadtgeschichte bekomme. In einer Baulücke in der August-Bebel-Straße hat die Oper einen Neubau für ihre Theaterwerkstätten bekommen. Dieser werde derzeit bezogen und könne bald eröffnet werden. Am Neuwerk saniert die Kunststiftung ein Gebäude. Die Bundeskulturstiftung bekommt einen Neubau am Franckeplatz, auch wenn man über die Architektur streiten könne. In der Großen Ulrichstraße 3 entsteht ein Kaufhaus. Das Geistes- und Sozialwissenschaftliche Zentrum der Universität entsteht in der Emil-Abderhalden-Straße. Nun hoffe man darauf, dass das Finanzamt im Bauloch Spitze gebaut wird. Der Volkspark wird instand gesetzt. Und zu guter Letzt hob Szabados auch den Stadionneubau hervor.

Wo's klemmt
Nach all den positiven Dingen hatten nun die Hallenser das Wort, um vielleicht auch Negatives anzusprechen. Damit begann Ilona Eichner von der Bürgerinitiative Mühlwegviertel. Sie beklagte, dass die Erhaltungssatzung für Vorgärten nicht mehr gelte. Ihre Befürchtung ist nun, dass die Grünflächen verschwinden und zugebaut werden. Laut OB Szabados und Baudezernent Uwe Stäglin lasse die Landesgesetzgebung solche Satzungen nicht mehr zu. Die Stadt sucht nun nach Alternativen. Hier lesen Sie mehr zum Thema.

Christine Günther regte an, dass die Stadt wieder mehr Wert auf das Mühlwegviertel legen sollte. Adam Halle hingegen erkundigte sich nach dem Schülershof. Denn auch die Plattenbauriegel sollten saniert werden, es habe dafür schöne Planungen gegeben. Szabados verwies auf die Kosten und durch die aufwändige Sanierung steigenden Mieten. Das sei immer eine Abwägungsfrage. In nächster Zeit zumindest sei an eine Sanierung nicht zu denken.

Trinker als Problem
Als Problem erachtet Tim Kloppe die Trinker am Oberen Boulevard. Der Student der Ernährungswissenschaften wohnt an der oberen Leipziger Straße und beklagte sich über Lärm und freilaufende Hunde. Den ganzen Tag würde hier Alkohol getrunken. Das sei ein schlechter Anblick von Halle, den Gäste auf dem Weg vom Hauptbahnhof in die Innenstadt von Halle als ersten Eindruck bekommen. Doch die Stadt hat schon reagiert und die Bank abgebaut (
HalleForum.de berichtete
). Innendezernent Bernd Wiegand sagte, auch die Stadt störe das aggressive Betteln. Deshalb suche man die Gruppe seit zwei Wochen gezielt mit Streetworkern auf. Problem sei, dass Trinken nicht verboten sei. Erst wenn andere Dinge wie Urinieren in öffentliche Flächen dazu komme, könne man etwas unternehmen. Deshalb ermunterte er dazu, Anzeigen zu erstatten. Wie Wiegand sagte, habe es auch bereits mehrere Platzverweise gegeben (HalleForum.de berichtete). Auf dem Markt habe es vor drei Jahren ein ähnliches Problem gegeben. Doch Wiegand sagte auch, dass durch diese Maßnahmen die Trinker nur an andere Stellen verdrängt werden. Deshalb hoffe er darauf, Fördermittel für eine Streetworkerstelle zu erhalten, die sich ausschließlich um die Trinker kümmert.

Fahrverbote in der Innenstadt
Dass sich viele Autofahrer nicht an die Durchfahrtsverbote in der Innenstadt halten, beklagte Anwohner Wolfram Ries. Er forderte mehr Kontrollen durch die Polizei. Im großen Rahmen kann es die zwar wegen fehlender Einsatzkräfte nicht geben. Doch künftig will die Polizei zwei Mal pro Woche je anderthalb Stunden die Verbote kontrollieren, sagte Tobias Teschner, Leiter des Revierkommissariats Nord, zu. Mehr über die Problematik lesen Sie hier.

Altes Rathaus
Ulrich Schröder von der Bürgerinitiative Rathausseite machte den Vorschlag, doch unter einer Glasplatte einen Quadratmeter des Fundaments vom alten Rathaus zu zeigen. Diese Diskussion habe es zur Marktumgestaltung gegeben, sagte Oberbürgermeisterin Szabados. Damals habe man sich dagegen entschieden. Heute könne sie sich kaum vorstellen, den Markt an bestimmten Stellen wieder aufzureißen. Sie erkenne im Moment auch keinen politischen Willen dies zu tun und verwies zudem auf die finanzielle Situation der Stadt. "Im Moment ist da nicht die richtige Zeit dazu." Wenn das geändert werde solle, brauche es einen deutlichen Wunsch in der Bürgerschaft. In diesem Zusammenhang verwies Szabados auch darauf, dass es ebenso Überlegungen gab, die Marktplatzverwerfung sichtbar zu machen.

Herder-Gymnasium
Über den gesperrten Speisesaal des Herder-Gymnasiums beklagte sich Elternvertreterin Beatrice Büsching. Nun müssten die Kinder in zwei Etappen im Kellergang essen. Die Stadt wolle wegen der Haushaltssituation nicht sanieren. Für OB Szabados kein Grund. Man könne sich nicht hinter der Haushaltssperre verstecken. Die Instandsetzung sei eine Pflichtaufgabe. Allerdings herrschte auch große Verwirrung in der Verwaltung, weil offenbar niemand dort von der Sperrung wusste. Hier lesen Sie mehr zum Thema.

Hans Joachim Kenneder erkundigte sich nach der Kaimauer am MMZ. Seit diese vor zwei Jahren einstürzte, ist nicht viel passiert. Die Stadt hoffe weiter auf Fördermittel, sagte Baudezernent Uwe Stäglin. Die alte Poliklinik neben dem Kühlen Brunnen sollte abgerissen werden, regte Herr Kenneder an. Dazu sieht die Stadt derzeit keinen Grund. Neues vom Wareneingang Kaufhof gibt es auch nicht, dort ragen seit Jahren die Stahlstreben heraus. Die geplante Bebauung kam nicht, trotz Zusage, erklärte Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann. Das Gelände gehört der Frankonia, mit der sich die Stadt in einer rechtlichen Auseinandersetzung befindet.

Ein Lob an die Stadtverwaltung richtete Christine Günther wegen der Aufstellung von Bänken. Sie regte aber noch an, Mülleimer in der Nähe direkt zu den Bänken zu rücken, damit der Müll nicht einfach fallen gelassen wird. Daneben regte sie an, im Bereich Blumenstraße und Bernburger Straße öfter zu reinigen, hier sammele sich viel Laub an. Zudem solle mit der Taxi-Genossenschaft geredet werden, dass die Taxifahrer ihre Zigarettenkippen nicht immer auf die Wege und in die Grünflächen schmeißen. Um all die Vorschläge werde man sich kümmern, sagte OB Szabados zu.

Aus Nordrhein-Westfalen ist Michael Bautenberg als alter Hallenser vor zwei Jahren zurückgekommen. Was ihn ärgert sind etliche leerstehende und verdreckte Häuser wie der Kühle Brunnen und die Neumühle. Letztere will die Stadt jetzt bei der Expo Real in München an den Mann bringen. Ein großes Problem seien auch tatsächlich die von Bautenberg kritisierten Graffiti. Doch die Täter zu erwischen, sei unwahrscheinlich schwierig, sagte das Stadtoberhaupt. Innendezernent Bernd Wiegand konnte jedoch schon über einige Erfolge sprechen. 30 Prozent aller Häuser in Glaucha und 20 Prozent der Häuser in der Altstadt seien im Rahmen des Inselkonzepts gereinigt worden. In diesem Jahr sei die Zahl der Schmierereien um 20 Prozent zurückgegangen.