Mutmaßlicher Mörder von Michelle gefasst

von 10. März 2009

“Seien Sie froh, dass wir hier sind“ begrüßte Landespolizeipräsident Bernd Merbitz den vollen Saal halboffiziell vor der Pressekonferenz zum Fall Michelle in Leipzig. Die versammelte Riege da auf dem Podium machte einen erleichterten Eindruck.

Seit Montag 17:10 Uhr befindet sich mit Daniel V. ein geständiger 18-jähriger Täter in Polizeigewahrsam und spricht über alles. Schlussendlich hatte er sich selbst gestellt.

Er wirkte wohl fast erleichtert, als er am späten Montagnachmittag in Begleitung seiner Mutter vor den Beamten saß und erzählte, er habe etwas mit Michelles Verschwinden, nicht jedoch mit ihrem Tod zu tun. Ein Unbekannter sei es gewesen und hätte ihm mit der Aufforderung “es“ zu entsorgen einen Sack zugeworfen.

Wenig später ist der 18-jährige Auszubildende Daniel V. dann der Wahrheit näher gekommen und machte Angaben über den Verbleib der bis dahin vermissten Tasche von Michelle. “Ich bin so froh, dass wir die Tasche nicht vorher gefunden haben, so haben wir jetzt einen eindeutigen Beweis, denn es ist direktes Täterwissen“ kann man die Ausführungen des leitenden Oberstaatsanwalt Hans Strobl grob zusammenfassen.

Ebenso scheint es nun Gewissheit zu sein, dass die Polizei von Anfang an keine Chance gehabt hatte, Michelle noch lebend zu finden. Der Mord ist nach den ersten Aussagen von Daniel V. noch am Tage des Verschwindens geschehen.

Darüber hinaus scheinen alle bisherigen Aussagen im ersten Verhör der langen Montagnacht mit gefundenen Spuren überein zu stimmen. Nun folgen noch mindestens drei weitere Gespräche, in denen Polizei und Oberstaatsanwalt Details erfahren werden. Der heute erlassene Haftbefehl wird jedoch zwingend zu einer Anklage wegen Mordes führen, sexuelle Handlungen hat der angehende Sozialassistent bislang noch nicht eingeräumt.

In den letzten Wochen war der Druck auf den jungen Mann aus Reudnitz systematisch gewachsen. “20.000 Hinweisen sind die Beamte in diesem Fall nachgegangen und es wurden 10.000 Befragungen durchgeführt“ beschreibt der sächsische Innenminister Dr. Albrecht Buttolo die Tippeltour der Polizisten. Sein direkter Leipziger Ansprechpartner Polizeipräsident Horst Wawrzynski weiß, was von den Kollegen eigentlich abgefallen ist, seit Daniel V. gestanden hat: „Wir haben in den vergangenen 202 Tagen 53 weitere vermisste Kinder wieder gefunden. Jedes Mal wenn uns so eine Meldung erreicht hat, sind wir zusammengezuckt.“ Bei seiner Wortmeldung ließ er es sich auch nicht nehmen, sich noch mal für die tollen Demonstrationen in Reudnitz mit den Worten „…und als ob wir nicht schon genug zu tun hätten“ zu “bedanken“.

Die OFA (Operative Fallanalyse – oder auch Profiler) hatte schlussendlich ein Frageraster und eine Einschätzung der höchsten Wahrscheinlichkeit über den Verlauf erstellt und damit die Richtung gewiesen. Der Fokus lag auf dem direkten Wohnumfeld Michelles. Daraus resultierten gezielte Befragungen und Speicheltests – Haus für Haus, Straßenzug um Straßenzug sollten die Beamten auch an die Tür von Daniel V. führen – nun sollte er an der Reihe sein. Bereits vorher hatte er mit seiner Mutter gesprochen, über den Unbekannten und wie er Michelle an den Weiher gelegt hatte. Dass die Alleinerziehende im Moment nicht vernehmungsfähig ist, scheint klar. Welche Mutter wäre das? Dass letzte, wozu sie noch fähig war, ist die Begleitung ihres Jungen zur Polizei.

Schlussendlich hat die Leipziger Polizei bei aller erwiesenen Tüchtigkeit und systematischem Druckaufbau auch ein wenig Glück im Unglück gehabt.

„Der Täter macht bislang in den Vernehmungen einen ganz normalen Eindruck.“ (Bernd Merbitz) und war wohl auch gerade deshalb so schwer zu ermitteln. Nun ist die Polizei in der Wohnung des 18-Jährigen und seiner Mutter auf Spurensicherung.

Denn was immer noch fehlt, ist der Tatort. Nach dem Motiv wird man bei dieser Tat noch lange suchen – so lang, bis man Daniel V.´s Geschichte begriffen hat. Und gänzlich frei von Täterschutz, wohl auch seine große Einsamkeit. Und leider Ja – Michelle und Daniel kannten sich bereits vor der Tat näher.

(Michael Freitag / LIZ)