Sind 1000 Flüchtlinge im Maritim?

von 25. November 2015

Auf der Nordseite des Hauses steht ein Kleinbus der Landespolizei. In der Hotel-Lobby halten sich zahlreiche Menschen auf, darunter etliche Frauen und Kinder. Vor dem Eingang läuft ein Mann mit zwei Kindern herum, unweit von ihm sitzt ein anderer Mann und raucht eine Wasserpfeife. Bei ihm steht ein weiterer Araber. Beide verstehen kein Englisch. „Only Arabisch“, erklären sie. Hinter ihnen über einem Papierkorb klebt ein Zettel, auf dem von oben nach unten in Arabisch, Englisch und Deutsch steht, dass der Müll in die Tonne gehört. Dass es Verständigungsschwierigkeiten gibt, bekommt ein weiterer Mann mit, der aus der Tür kommt. Er spricht Englisch, sagt er mir, dass er Jeside ist, sich also auf keine religiösen Schriften beruft, und in Syrien Englisch unterrichtet hat. Der Islam sei eine friedliche Religion, die Verständigung mit allen propagiere. Er habe den Koran gelesen, da stehe das auch so. Die Islamisten hingegen würden zum Beispiel Menschen hart bestrafen, die rauchen. Er zeigt auf zwei andere Flüchtlinge, der einige Schritte weiter stehen und rauchen und erklärt, dass das doch kein Problem ist.

Assad, Syriens Staatschef, sei vor dem Krieg ein guter Mann gewesen. Das habe sich geändert. Ein Mann, der seinen Ausweis als Mitarbeiter der Vereinten Nationen vorzeigt und sich als Personenschützer vorgestellt, steht dabei und stimmt ihm zu. Sie hätten beide im Gefängnis gesessen, wo sie im Sitzen schlafen mussten. Der Erzähler sagt, dass er nach einem Jahr frei kam und gleich geflohen ist, zunächst in die Türkei, wo er in Antalya war, einem Lieblingsurlaubsziel der Deutschen. Seine Frau sei getötet worden. Die Kinder befänden sich in der Obhut von Familienangehörigen. Dass nur er hier ist, begründet er mit seinen begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Wie es weiter geht, weiß er nicht. Wie alle hier im Haus trägt er ein grünes Armband. Darauf steht mit schwarzem Filzstift die Zimmernummer und eine Registriernummer. „We are alle Numbers in this Camp“, sagt er. Sie seien hier alle Nummer. Wie viele gerade im Haus sind? 1000, denkt er. Mehr als offiziell verkündet wurde, wo von 700 bis 740 die Rede war. Regelmäßig kommen Busse, bringen Flüchtlinge oder nehmen welche an andere Orte mit. Wie er auf die hohe Zahl kommt, will ich wissen. Mein Gesprächspartner entnimmt das den Listen, die er im Haus gesehen hat. Genaues scheint hier niemand zu wissen.

Zwei Schwarzafrikaner kommen zu dem Haus und unterhalten sich. Dass die Afrikaner hier mit Drogen handeln, hat sich bei einigen Flüchtlingen offenbar schon herumgesprochen. Ob auch diese beiden zu den Händlern gehören, bleibt unklar. Wie es für die Menschen weiter geht, auch. Ich möchte gerne mehr über die Leute wissen, die gerne als „Islamischer Staat“ in die Weltgeschichte eingehen wollen. Wer diese Leute sind, weiß niemand, sagt der Lehrer. Über „Daesch“ („Islamischer Staat“), das Terrorgebilde in Syrien und dem Irak, dessen Netzwerk über die Türkei bis in die Europäische Union reicht, will hier niemand weiter sprechen. Der Grund dafür sind nicht einmal die schrecklichen Erfahrungen mit den Radikalen, sondern die Angst vor der Rache der Terrormiliz, nicht zuletzt an Verwandten, die ihre Heimat noch nicht verlassen konnten, aber auch an Menschen, die es nach Deutschland geschafft haben.

Ich muss gehen und verabschiede mich: Einen Handschlag, ein Lächeln, Dank und gute Wünsche tauschen wir aus. Dialog – eine andere Lösung gibt es nicht.