Augen zu und durch

von 7. Juni 2009

HWV 14. Diese Abkürzung lässt derzeit die Herzen von eingefleischten Händel-Fans höher schlagen. Schließlich steht die Nr 14 im Werkeverzeichnis Georg Friedrich Händels für die 1721 uraufgeführte Oper Floridante, die schon lange ihrer Wiederaufführung harrte. Die letzte Inszenierung liegt schließlich mittlerweile mehr als 20 Jahre zurück, so dass sich im Rahmen der Händelfestspiele eine gute Gelegenheit ergab, dieses bisher doch eher (zu Unrecht) vernachlässigte Werk Händels wieder auf die Bühne zu bringen.

Der – an manchen Stellen etwas unlogische – Handlungsverlauf ist rasch erzählt:

Nach dem Sieg der persischen Flotte über Thyros hofft der Feldherr Floridante endlich seine geliebte Elmira, die Tochter des persischen Königs Oridante, heiraten zu dürfen. Ein gefangener Thyrer, den Floridante der zweiten Tochter Oridantes, Rossane, zum Geschenk macht, stellt sich als der von ihr geliebte Kronprinz Timante heraus.

Doch das Blatt wendet sich überraschend, als der König nicht nur Floridante die Hochzeit verweigert, sondern den Feldherrn auch noch des Landes verweist. Der Grund: Er will Elmira selbst heiraten. Ihre Empörung über den vermeintlichen Inzest wandelt sich in gerechten Zorn, als sie erfährt, dass sie gar nicht Oridantes Tochter ist, sondern die Tochter des ursprünglichen persischen Königs, dessen Familie Oridante bei einem gewaltsamen Umsturz beseitigte und nur sie verschonte. Nun will er sie ehelichen, um seine Machtstellung nachträglich zu legitimieren. Um seine Ziele zu erreichen, schreckt er nicht davor zurück, den bei einem Fluchtversuch gefangen genommen Floridante als Druckmittel gegen Elmira einzusetzen. Doch in letzter Sekunde wendet sich natürlich alles zum Guten, der Tyrann wird vom aufgebrachten Volk abgesetzt, Elmira wird Königin und bekommt Floridante, Rossane und Timante werden selbstverständlich auch ein Paar und selbst Oridante wird begnadigt.

So weit, so barock.

Die Handlung ist natürlich reine Nebensache für Händel, für ihn stand die musikalische Darstellung der menschlichen Emotionen wie Sehnsucht, Liebe, Verzweiflung, Zorn etc. im Vordergrund, die er trefflich in Töne umzusetzen verstand. Leicht war es für Händel damals übrigens nicht: Nicht nur war der Konkurrenzdruck am englischen Hof durch seinen Widersacher, den beim Publikum beliebten Giovanni Bononcini hoch, kurz vor der Uraufführung des Stückes erkrankte auch noch seine für die Hauptrolle vorgesehene Solistin, so dass Händel die Oper kurzerhand auf eine andere Sängerin umschreiben musste. Das Stück mauserte sich trotz aller Schwierigkeiten zu einem achtbaren Erfolg für den Sachsen.

Schon nach wenigen Takten wird der hohe Anspruch der Oper an die Sänger deutlich, sicher mit ein Grund für die raren Aufführungen des Werks. Dennoch bekam man am Freitagabend im vollbesetzten Halleschen Opernhaus großartige Leistungen zu Ohren: Mariselle Martinez (als Floridante), Elin Rombo (als Timante) brillierten in der von Christopher Moulds und Matthew Halls geleiteten Aufführung in Hosenrollen, ebenso begeisterten Raimund Nolte (Oronte), Ki-Hyun Park (Coralbo) sowie Virpi Räisänen (Elmira) und Sonya Yoncheva (Rossane) durch ihre beeindruckenden stimmlichen Leistungen.

Weniger überzeugend wirkte dagegen die Inszenierung von Vincent Boussand. Das Bühnenbild glänzte (im Wortsinne) durch weitgehende Abwesenheit: spiegelnde Wandflächen sowie ein zum Spiegel umfunktionierbarer Tisch dienten als einzige szenische Beigabe zum Spiel der Akteure. Zwar störte so nichts die Konzentration auf die Musik, ließ die Inszenierung jedoch als etwas einfallsarm und lieblos erscheinen. Die Kostüme schwanken hingegen zwischen barockisierendem Kitsch und Ottoversand-Katalogware. Während etwa Elmira und Rossane in Tüll und Reifrockkleidchen herumlaufen mussten, durfte Timante etwas tragen, das an einen Matrosenanzug der vorletzten Jahrhundertwende erinnerte, aber vermutlich hipp wirken sollte.

Störend wirkte auch das ziemlich hölzerne Spiel der Darsteller. Wollte man hier vielleicht die auch im Programmheft erläuterten Gesten der barocken Aufführungspraxis erinnern, die dem damaligen Publikum sofort Affekte wie Trauer, Schmerz, Wut etc. anzeigten? Falls ja, ging dies komplett schief, die übertriebene Gesten wirkten eher unfreiwillig komisch, etwa wenn sich König Oronte seine vermeintliche Tochter lässig über die Schulter warf , sich Timante und Rossane über den Inhalt von Timantes Hosentaschen balgten, sich gegenseitig unmotiviert mit Erdbeeren bewarfen.

Ganz seltsam wurde es zum Schluss. Offenbar trieb eine gewisse Torschlusspanik den Regisseur zu dramaturgischen Übersprungshandlungen: Als ob ihm im letzter Sekunde einfällt, dass er ja etwas inszenieren sollte, regnen Rosenblätter, öffnet sich eine Wellblechwand nur bis auf Halshöhe, so dass sich die Sänger darunter hindurchquetschen müssen, bekommt Elmira einen Hosenanzug á la Angela Merkel verpasst.

Damit nicht genug: in einer Art Pressekonferenz singen die siegreichen Helden nun nacheinander in ein reales Mikrophon, das durch seinen Halleffekt den musikalischen Gesamteindruck komplett zerstört. Warum? Nicht nur völlig unnötig, sondern ein regelrechtes Ärgernis.

Das Publikum würdigte das Stück konsequenterweise auch dementsprechend: Für die musikalische Leistung von Sängern und der großartigen Musik des Händelfestspielorchesters gab es verdienten frenetischen Applaus, unter den Applaus für die Inszenierung mischten sich etliche Buh-Rufe.

Fazit: Was bleibt ist die Musik Händels: Hörens- aber nicht unbedingt sehenswert.

Weitere Aufführungen im Rahmen der Händelfestspiele:

Sonntag, 07.06.2009 und Freitag 12.06.2009, jeweils 19.00Uhr in der Oper Halle