Behauptungen der AfD Sachsen-Anhalt und die Fakten

von 27. September 2016

1. Die AfD Sachsen-Anhalt spricht allein der Heterosexualität eine Natürlichkeit und Normalität zu, andere sexuelle Orientierungen werden als „abweichende Sexualität“ bezeichnet.

Fakt ist:
Die Generalversammlung des Weltärztebundes hat im Oktober 2013 eine Stellungnahme verabschiedet, die klarstellt, dass auch Homosexualität eine natürliche sexuelle Orientierung ist. Es wird betont, dass direkte und indirekte Diskriminierung sowie Stigmatisierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung häufige Ursachen für seelische und körperliche Erkrankungen sind.
In der Sexualwissenschaft besteht Konsens darüber, dass sich menschliche Sexualität auf vielfältige Weise ausdrückt. Hetero-, Bi- und Homosexualität sind gleichwertige Ausdrucksformen des menschlichen Begehrens sowie der sexuellen Identität, die zur Persönlichkeit des betreffenden Menschen gehören.
http://www.wma.net/en/30publications/10policies/s13/index.html
http://www.aerzteblatt.de/archiv/153986/Sexuelle-Orientierung-Variationsvielfalt-jenseits-der-
Pathologie

2. Die AfD Sachsen-Anhalt spricht von weniger als 5 % der Bevölkerung, die nicht-heterosexuell orientiert ist.

Fakt ist:
Sexuelle Orientierungen stellen ein Kontinuum dar. Durch Befragungen ist für Deutschland belegt, dass mindestens 5 % der Menschen ausschließlich homosexuell orientiert sind. Ein weitaus größerer Anteil der Menschen verortet sich im Kontinuum zwischen den Polen hetero- und homosexuell – als bisexuell oder bi-interessiert. Umfragen aus Deutschland ergeben hierzu 15 bis 35 % der Menschen. Von einigen Sexualwissenschaftler*innen wird angenommen, dass die Mehrheit der Menschen gleichgeschlechtliche Neigungen latent mehr oder weniger stark in sich trägt. Das Ausleben des Begehrens hängt wesentlich von der Erziehung und Sozialisation sowie dem aktuellen gesellschaftlichen Umfeld ab.
http://www.bbz-lebensart.de/CMS/uploads/Sexuelle%20Orientierung%20Befragungen.pdf

3. Die AfD spricht davon, dass das Aktionsprogramm für Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) der Landesregierung keine Diskriminierung verringert, sondern Personen mit „abweichendem Sexualverhalten“ eine nicht zu rechtfertigende Überprivilegierung verschafft und die Grundlagen unserer Gesellschaft infrage stellt.

Fakt ist:
Heterosexuellen und cis-geschlechtlichen (bei Geburt zugewiesenes Geschlecht stimmt mit Geschlechtsidentität überein) Menschen wird nichts weggenommen, wenn sich die Politik für konkrete Maßnahmen für die Anerkennung und Akzeptanz der Vielfalt geschlechtlich-sexueller Identitäten einsetzt.
In den inzwischen weltweit 22 Ländern, welche die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, und in Bundesländern, die Aktionspläne seit Jahren umsetzen, ist das gesellschaftliche Klima offener und toleranter. Vielfalt wird dort als Bereicherung anstatt als Bedrohung wahrgenommen. Menschen können dort häufiger ohne Angst verschieden sein.

4. Die AfD Sachsen-Anhalt spricht davon, dass das Aktionsprogramm die Seelen der Kinder gefährdet und wendet sich „gegen die politisch-ideologische Vereinnahmung unserer Kinder“ und spricht von „Frühsexualisierung“.

Fakt ist:
Zum einen steht Sexualität bei den Angeboten des Aktionsprogramms für Kindertagesstätten und Grundschulen nicht im Fokus, sondern die Realität der Vielfalt von Lebens- und Familienformen sowie (neben der in fast allen Kinderbüchern vermittelten Heterosexualität) auch gleichgeschlechtliche Liebe.
Im Kindesalter werden gesellschaftliche Werte und Normen über Erziehung und Sozialisation vermittelt und angeeignet. In Kitas und Grundschulen muss eine altersgerechte Aufklärung stattfinden, die Vielfalt thematisiert, um Anerkennung und Wertschätzung zu erreichen. Für Kinder ist die Welt offen, und Vielfalt wird mit Neugier wahrgenommen. Und ehe sich Mechanismen der Abwertung und Diskriminierung ausbilden, leisten Kitas und Grundschulen einen wichtigen Beitrag für eine Kultur der aktiven Toleranz, in der Vielfalt eine Stärke und Normalität ist.
Weiterhin ist erwiesen, dass Kinder ab dem 6. Lebensjahr schrittweise das soziale Geschlecht an sich und ihrer Umwelt entdecken. Jungen werden spaßhaft Mädchen genannt, wenn sie lange Haare haben, und Mädchen, die mit Autos und Werkzeugen spielen, werden aus Spaß als Jungen bezeichnet. An dieser Stelle beginnt die Zuschreibung und Manifestierung von Geschlechterrollen und damit verbundenen Erwartungen.
Um Vorurteilen und Stigmatisierungen entgegenzuwirken, ist dies genau der richtige Zeitpunkt, um in einem geschützten Rahmen Gedanken, Äußerungen und Verhalten zu reflektieren und in kindgerechter Weise auftretende Fragen zu besprechen.

5. Die AfD Sachsen-Anhalt spricht sich für die Abschaffung des Aktionsprogramms aus.

Fakt ist:
Wer eine vielfältige und solidarische Gesellschaft will, darf die Augen vor Benachteiligungen, Ausgrenzung und Diskriminierung nicht verschließen, sondern muss Maßnahmen zu deren Beseitigung in Angriff nehmen. Hier setzt das Aktionsprogramm im Bereich der geschlechtlich-sexuellen Identität an.
Aktuelle Studien belegen eine Zunahme der Ablehnung und Abwertung von Homosexualität in der erwachsenen Bevölkerung sowie weiterbestehende, zum Teil massive Diskriminierungen von LSBTI. Befragungen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen fallen hier positiver in Bezug auf aktive Toleranz und Anerkennung aus. Auch dies gilt es durch das Aktionsprogramm zu verstetigen. Bei der Aufklärung von Erwachsenen und vor allem
Multiplikator*innen müsste hier noch viel mehr getan werden. Denn Ablehnung und Diskriminierung machen krank. Und wenn Vielfalt ein Wert ist, muss jeder so leben können, wie er möchte, solange er die Freiheit des anderen nicht einschränkt.
http://www.bbz-lebensart.de/CMS/index.php?page=fakten

Das Aktionsprogramm wird heterosexuelle und cis-geschlechtliche Menschen nicht einschränken – die Offenheit und Vielfalt der Gesellschaft wird eine Bereicherung sein. Niemand soll Angst haben, wenn Begehren und Selbsterleben nicht von der (vermeintlichen) Mehrheit geteilt werden. Für die Mehrheit schafft es zudem Entlastung und Entspannung – gerade dann, wenn man selbst Neues an und in sich entdeckt – und man es einvernehmlich und selbstbestimmt in einer Kultur der Vielfalt zulassen kann.

Wir wollen ein Land, in der jeder Mensch ohne Angst verschieden sein kann, in der Vielfalt eine Stärke ist und in der Solidarität sowie eine Friedenskultur gelebt wird. Mit unseren Kompetenzen und Angeboten wollen wir dazu aktiv einen Beitrag leisten.

Halle (Saale), 27.09.2016

BBZ „lebensart“ e.V.

Internet: www.bbz-lebensart.de