Halle verändert …

von 27. November 2010

Mir war noch nie klar, was dieser Slogan wirklich bedeutet. Wen oder was verändert denn Halle? Stuttgart ist da eindeutiger. Die S21-Gegner sammeln sich unter dem Motto: „Oben bleiben!“. Die S21-Befürworter hingegen fordern auf: „Tu ihn unten rein!“. Letzteres soll witzig sein und eine sexuelle Anspielung. Selten so gelacht, oder?

„Halle verändert“ ist dagegen viel mystischer. Man wird sozusagen zum Nachdenken aufgefordert. Das ist toll. Da merkt man sofort, Halle ist eine Stadt der Wissenschaften. Die Intelligenz quillt aus allen Gossen. Aber nicht alle Wissenschaftler sind gleich. Bei Emil Abderhalden weiß man es nicht so genau. Hat der Mann oder hat er nicht. Laut Wikipedia hat er… dem Halleschen Gauleiter bezüglich der Leopoldina, deren Präsident er war, mitgeteilt: „alle Mitglieder jüdischer Abstammung seien ausgemerzt worden“. Zu dumm, daß seit ewigen Zeiten eine Straße nach ihm benannt ist. Selbst die Stasi selig muß da gepennt haben. – Also, Halle verändert Straßennamen, will aber vorher die Leopoldina noch ein wenig forschen lassen. Man darf gespannt sein.

Halle verändert aber nicht nur die Namen sondern auch die Straßen selbst. In der Berliner und der Beesener Straße wurden sämtliche Bäume gefällt. Nur die Grünen wissen, wo noch überall die CO2-Killer niedergemacht wurden. Proteste fanden im Wohnzimmer statt bei einem vegetarischen Dinner. So könnte Halle natürlich zur internationalen Attraktion werden: Die baumfreie Stadt! Auch der Marktplatz ist ja erfrischend unbegrünt und durch tausende Kaugummis ästhetisch aufgewertet. Vielleicht sollte nach unserer charmanten Oberbürgermeisterin mal ein talentierter Gärtner ins Amt gewählt werden, sonst wird irgendwann die Heide abgeholzt, weil wir noch ein neues Stadion brauchen oder eine nimmersatte Konzertagentur benötigt dringend eine Freilchtbühne.

Halle verändert auch seinen Haushalt. Der ist sowieso die Achillesferse des Gemeinwesens, weil er vom Landesverwaltungsamt bestätigt werden muß und der Stadtrat ständig an ihm rummäkelt. Wir leben eben einfach über unsere Verhältnisse, auch wenn die inzwischen bescheiden genug sind. Vereine, Theater, ein Orchester, Kindergärten, Schulen, Galerien, Radio Corax, Beigeordnete, einen Stadtrat – das kann sich doch heutzutage niemand mehr leisten. Da bleibt nix mehr übrig für notleidende Banken, die ohne Diskussion gerettet werden müssen. Wo Schulden sind ist auch Kredit. Herr Ackermann übrigens hat mal versucht, über seine Verhältnise zu leben. Es ist ihm nicht gelungen. Trotzdem geht es ihm in gewisser Weise besser als uns. Das kann auch Halle nicht verändern.

Nun hat sich auch noch herausgestellt, daß unser Opernhaus das unrentabelste in der ganzen Republik ist. Das war nicht immer so. Das hat Halle verändert.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in Anne Wills sonntäglichem Terrortalk: „Es ist auch ein Zeichen von Zivilcourage, daß man selbstverständlich auf einen Fußballplatz geht, auf einen Weihnachtsmarkt geht, ins Theater geht, den Reichstag besucht.“

Den Reichstag, der fürs gemeine Volk sowieso gesperrt ist, können Sie in Halle zwar nicht besuchen, aber dafür unseren schönen volkstümlichen Weihnachtsmarkt. Und vor allem das Opernhaus, damit die KünstlerInnen dort nicht als rote Laterne vor sich hin singen müssen. So beweisen Sie Zivilcourage, trotzen den bösen Terroristen und können verändern, was Sie wollen.

Halle verändert – verändern Sie mit, gleich nächste Woche!

Friedrich Ohnzorn