20 Jahren Dietrich-Bonhoeffer-Kapelle im Krankenhaus Dölau

von 18. Dezember 2020

„Rund 70 Gäste waren zu diesem ersten Gottesdienst gekommen.“

Gestern, am 16. Dezember 2020, fast genau 20 Jahre nach der Ersteinweihung, spielte das Bläserquintett der Staatskapelle Halle ein Adventskonzert für die Patientinnen und Patienten in der Kapelle. Leider waren keine 70 Gäste anwesend. Kein einziger Zuhörer durfte wegen der Corona-Auflagen dem Konzert in der Kapelle lauschen. Aber die Technik ermöglichte eine Direktübertragung in die Krankenzimmer. Und da die Türe zum Glasgang geöffnet war, drang die Musik über alle „Verbotsschilder“ hinweg in den Hauptflur des Krankenhauses. Berührend war: zwei Personen hatten in die Nähe der Türe zwei Stühle gerückt und sie lauschten gemeinsam aus sicherer Entfernung und offensichtlich sehr ergriffen der Musik.So erfüllt die Kapelle auch 20 Jahre nach ihrer Eröffnung sogar unter den verschärften Corona-Auflagen ihren Zweck, für Menschen „eine Oase der Ruhe, der Besinnung und der Gottesdienste“ zu sein, wie der damalige Pastorale Geschäftsführer Klaus Straka bereits vor 20 Jahren anmerkte.

Fast 20 Jahre später, am 16. Dezember 2020, sitzen Pastor Straka und die heutige Seelsorgerin, Pastorin Sabine Schober mit Mundschutz und unter Corona-Auflagen im Beratungsraum und erzählen über die Geschichte und Nutzung der Kapelle damals und heute.

Pastor Klaus Straka erinnert sich, wie er damals, mitten im ersten Bauabschnitt der Krankenhaus-Sanierung, gemeinsam mit dem Münchner Architekten Michel Marx, die Idee einer Kapelle im Eingangsbereich des Krankenhauses besprach. Glücklicherweise konnte der damalige Leiter derDenkmalbehörde für das Projekt gewonnen werden und setzte seinen Stempel unter die Genehmigung. Allerdings sollte es „nicht nur ein Gottesdienst-Ort für Christen werden, sondern ein Raum, an den Christen und Nicht-Christen, Patienten, Angehörige und Mitarbeitende gerne hingehen sowie ein repräsentativer Saal für Tagungen“, so Klaus Straka. Daher war von Anfang an auch Konferenz-Technik verbaut, womit direkt aus dem OP Lehr-Operationen für Studenten in die Kapelle übertragen werden konnten. Denn als Lehrkrankenhaus der Martin-Luther Universität war das erforderlich. Später kam dann noch die Möglichkeit dazu, Gottesdienste und Konzerte über den Hauskanal direkt in die Patientenzimmer zu übertragen, eine Möglichkeit, von der heute Pastorin Sabine Schober für die regelmäßigen Gottesdienste regen Gebrauch macht.

Erst einige Monate nach dem „Einweihungsgottesdienst“, wurde die künstlerische Innengestaltung der Kapelle durch den Burg-Künstler Professor Ludwig Erler fertiggestellt und übergeben. Genau gesagt am 9. April 2001, dem 56. Todestag Dietrich Bonhoeffers, der als Theologe zur Zeit des Nationalsozialismus im politischen Widerstand war, von den Nazis erst mit Redeverbot belegt, dann verhaftet und 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde. Die Kapellenrückwand besteht aus 1260 kleinen schwarzen, weißen, grauen und goldenen Kreuzen, die sich zu größeren Kreuzen als Altarwand fügen. „Jedes Kreuz steht für ein Einzelschicksal“ erklärte Prof Erler damals seine Idee.

Und wie wird die Kapelle heute, 20 Jahre später angenommen?

Pastorin Sabine Schober weiß aus den Erfahrungen ihrer täglichen Arbeit zu berichten. „Manche Mitarbeitende kommen vor der Arbeit kurz hier herein, um sich auf den Arbeitstag einzustimmen oder nach der Arbeit, um zur Ruhe zu kommen. Patienten und Angehörige nutzen den Raum als Ort des Innehaltens, schreiben ihre Gedanken und Wünsche in ein Buch, das am Eingang ausliegt.“

So ist in dem Buch zu lesen: „Heute …. bin ich in diese Kapelle gekommen, weil ich genau an diesem Tag Antworten suchte, die ich von Gott erhoffte. Ich habe sie erhalten, in mehrfacher Hinsicht: in der Stille des Raumes, im Text der (zufällig) aufgeschlagenen Bibel, in der Losung genau für diesen Tag. Fast unfassbar. Nun kann ich getröstet und gestärkt nach Hause gehen und Weihnachten kann nun auch für mich kommen…“Die Ausstrahlung der Kapelle, die Atmosphäre, die sich je nach Tageszeit, Jahreszeit und Lichteinfall ändert und die Faszination, die von dem Raum ausgeht, ist offensichtlich bis heute ungebrochen.