Erxleben soll Antisemit Luther ablösen

von 14. Mai 2016

Etwa 100 Studenten und Studentinnen hatten sich versammelt, um sich über ihre Angebote und Erwartungen auszutauschen. Zuerst war der RCDS am Zuge. Er stellte sich als politische, christlich-demokratische Gruppe vor, die 145 Mitglieder hat. Der RCDS wolle für echte Gleichberechtigung eintreten, gegen Genderzwang und gegen jede Form von Extremismus. “Wir wollen eine ideologiefreie Finanzierung echter studentischer Projekte.” Das Lernen solle effizienter werden mit einer Bib-Ampel, die anzeigt, wann in der Bibliothek ein Platz frei ist. Ansonsten verwies der RCDS auf seine Aktivitäten: regelmäßig unterwegs, Stammtische, Besuch von Konferenzen und Deutschem Bundestag, Unterstützung für einen Verein pro Jahr.

Linke fordert: Menschenfeinde rausschmeißen

Die Offene Linke Liste (Olli), ein Ableger des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, schickte voraus, gegen Nazis, Rassimus, Antisemitismus und Sexismus zu sein. Die Rede war von “Menschenfeinden”, die man rausschmeißen muss, wo immer sie auftauchen. “Die Uni trägt nach wie vor den Namen des Menschenfeinds Luther.” Neben der Reinhaltung der Uni von dem genannten Personenkreis soll sie keine Kooperationen mit der Rüstungsindustrie eingehen. Die Offene Linke Liste praktiziere bereits die Transparenz, die von anderen Gruppen gerade erst entdeckt worden sei.

Die Liberale Hochschulgruppe (LHG) sprach sich für Freiheit auf allen Ebenen aus. Sie wolle die Digitalisierung von Lerninhalten, den Ausbau des hochschuleigenen WLANs (kostenlose Einwahlpunkte ins Internet), den Ausbau der Sprachkurse, die Verlängerung der Mensa-Zeiten, Klausuren unter Pseudonym, keine Anwesenheitspflicht bei Vorlesungen und die Videoübertragung aller Vorlesungen im Internet. Die LHG kritisierte den Stura wegen fehlender Transparenz in der Haushaltsführung, ideologischer Führung der Arbeitskreise und ideologischer Grabenkämpfe zwischen Stura und Fachschaftsräten.

Die Juso-Hochschulgruppe, der Studienverband der SPD, stehe für soziales politisches Engagment und ein solidarisches Miteinander. Man wolle eine internationale Universität, keinen Raum für rechts und keine Anwesenheitsliste, sondern Lernangeboten im Internet (E-Learning).

Die Grüne Hochschulgruppe (GHG), ein Vertreter für die Politik der Grünen, betonte die Themen Inklusion, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Ökologie, Geschlechtergerechtigkeit, Familienfreundlichkeit und Weltoffenheit. Unter dem Motto “Köpfe statt Birnen” will sie die Uni zum Energiesparer machen. So würde etwa in den Bibliotheken oft unnötig das Licht brennen. Die GHG forderte Didaktikkurse für alle Lehrkräfte, Lerninhalte im Netz, mehr Fahrradständer und eine bessere Internet-Infrastruktur an der Uni.

DC Universe ideologiefreie und sachliche Hochschulpolitik

Die Kandidaten der Gruppe “Die Liste” (unterstützt von der Partei Die Partei) kamen in einheitlicher Anzugsordnung – blaues Hemd, roter Schlips, grauer Anzug – ins Podium, begleitet vom lauten Klatschen und Jubeln mitgebrachter Claqueure; eine Persiflage auf die etablierte Politik. Sie versprachen eine gute Politik für alle und propagierten ihre “9 Punkte für eine bessere Zukunft”. Ihre erste Forderung: “Tukane statt Dekane”. Zu den weiteren acht Punkten gehörten unter anderem die Anregung zu den neuen Lehrstühlen Geisterwissenschaften sowie Piraterie, Prostitution, Waffen/Drogenhandel (also angewandte Wirtschaftswissenschaften), die “Aufstellung Löwinnen vor dem Löwixen-Gebäude” (eine Anspielung auf die Genderisierung der Sprache), die Verweigerung des Rundfunkbeitrags durch sämtliche Einrichtungen der Universität und eine Basisdemokratie, bei der zu jeder Entscheidung, die keine Zweidrittel-Mehrheit erhält, die komplette Studentenschaft zu befragen ist.

Letzter in der kurzen Vorstellungsrunde war die Gruppe DC Universe (Diversity Changes University). Sie stellte zunächst selbstkritisch fest, dass über sie einige falsche Auffassungen im Umlauf sind. Nein, sie haben nichts mit Nazis zu tun, nichts mit der AfD und auch nichts mit der Partei Die Partei. Vielmehr sei DC Universe unparteiisch, unabhängig und eine Vertretung aus vielen Instituten, die für eine ideologiefreie und sachliche Hochschulpolitik steht und sich um die Lösung alltäglicher Probleme bemüht. “Wir wollen die bestehenden Probleme lösen und keine neuen erfinden.”

Stura: Nur eine hohe Wahlbeteiligung schafft Legitimation

Vertreter des Sturas stellten nun fest, dass eine Wahlbeteiligung von 18 bis 20 Prozent zu wenig ist und ermunterte zur demokratischen Teilhabe. Unter der Oberfläche des Uni-Alltags gebe es viele interessante Prozesse. Wer was ändern wolle, solle sich also engagieren. “Nur eine hohe Wahlbeteiligung schafft Legitimation.” Eigangs hatte der Stura bereits seine Stellung und seine Arbeit erläutert: Der Stura vertritt fast alle Studenten. Die Studierendenschaft hat 19.000 Mitglieder. Insgesamt zählt die Universität Halle 20.500 Studenten. Unter dem Stura stehen 17 Fachschaftsräte (also studentische Vertreter in den einzelnen Fakultäten und Studienrichtungen). Der Stura beschließt als “Stimme der Studierenden”, welche Projekte gefördert werden, berät zum Studiengeld BaföG, zu Sozial- und Rechtsfragen.

Nur war also der Weg frei für Fragen und Standpunkte aus dem Publikum. Ein Student sagte, dass alle WLAN wollen, seit Jahren schon, und fragte, warum sie das noch immer nicht umgesetzt haben. Antwort: “Die Verwaltung kann vieles blockieren.” Dann folgte Protest gegen den Beitritt des Sturas zum Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (FZS), noch dazu für einen Jahresbeitrag von 20.000 Euro. Der Linken ging es nun um die Themen Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Entlutherisierung der Uni. Quotierte Redelisten seien wichtig, damit mehr Frauen zu Wort kommen. Grund für die bestehende Ungleichheit sei das aggressive Redeverhalten der Männer. Diese Aussage sei sexistisch, konterte jemand aus dem Publikum. Luthers Antisemitismus werde unterschätzt, ging die Linke zum nächsten Thema über. Als Beweis wurde ein Stück aus Luthers Schrift “Von den Juden und ihren Lügen” von 1543 verlesen. Der Name Luther passe nicht zu einer emanzipatorischen Hochschule. Vorschlag als Alternative: Dorothea von Erxleben, erste Ärztin in Deutschland. Die Uni müsse frei sein von Antisemitismus und Luther. Es müsse überall Widerstand geleistet werden. Die Umbenennung müsse bei jeder Gelegenheit erwähnt werden. Ein Student entgegnete darauf, dass Demokratie die Willensbildung aller Studenten sein muss (also nicht das Durchdrücken von Einzelmeinungen).

Erneut wurden Lagerkämpfe, Ideologisierung und persönliche Angriffe im Stura kritisiert. “Ideologische Debatten senken das Interesse der Studenten an der Mitarbeit.” Der Stura – das sei ein Trauerspiel, Kindergarten. Die inneren Streitigkeiten würden kein gutes Licht auf dieses Gremium werfen. Speziell an die Adresse von Olli gerichte war eine Retourkutsche auf die Hartnäckigkeit der Linken bei dem Ansinnen, den Name der Universität ändern zu wollen: “Demokratie ist nicht, dass ich solange abstimme, bis mir das Ergebnis gefällt.” Olli hatte wiederholt einen Umbenennungsantrag in den Stura eingebracht, obwohl der Antrag bereits mehrfach diskutiert wurde und offenbar nicht mehrheitsfähig war. Eine Studentin verwies auf die Spielregeln in Halles Stadtrat. Dort könne man zum selben Thema nicht immer neue Anträge stellen, sondern müsse mit dem Thema bis zur nächsten Beratung einige Wochen abwarten und dürfe nur dann einen erneuten Antrag stellen, wenn es einen neuen Sachstand gibt. “Das Gremium muss arbeitsfähig bleiben.” Ein Vertreter der Offenen Linken Liste blieb unbelehrbar und beharrte auf seinem Standpunkt, immer neue Umbennungsanträge stellen zu wollen. Luther nannte er bei der Gelegenheit ein “antisemtisches Arschloch”.

Anhang zu der Frage, ob Martin Luther ein Antisemit war

“War Luther Antisemit?” heißt eine Frage auf der Seite der Lutherdekade luther2017.de und zu finden ist dort auch folgende Antwort, Zitat: “Nein. Der Reformator steht in der Tradition des christlichen Antijudaismus, der vom modernen Antisemitismus zu unterscheiden ist. Der Begriff „Antisemitismus“ entsteht im 19. Jahrhundert und ist mit der falschen Vorstellung verbunden, die Juden seien eine „Rasse“. Bei Luther steht stets der Glaube im Mittelpunkt. Auch wenn er davon spricht, das jüdische Blut sei „wässerig und wild“ geworden, sind ihm rassische Kategorien völlig fremd. Allerdings bezeichnet er auch getaufte Juden weiter als Juden, nicht als Christen.”

Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS)

http://rcdshalle.blogspot.de/

Grüne Hochschulgruppe Halle

http://www.ghg-halle.de/

Juso Hochschulgruppe

http://www.jusos-halle.de/index.php?seite=953

DC Universe (bei Facebook)

https://www.facebook.com/pages/DC-Universe-Diversity-changes-University/1566516783597949

Liberale Hochschulgruppe Halle

http://www.meinehochschulgruppe.de/

Offene Linke Liste (Olli)

https://blogs.urz.uni-halle.de/olli/

Die Liste / Die Partei

https://die-partei.net/halle/programm/studentisches-zusatzprogramm/

Stura an der Universität in Halle

http://www.stura.uni-halle.de/

Lutherdekade 2017

https://www.luther2017.de/de/