Jugendarbeit in Halle: Es geht an die Substanz

von 9. November 2011

Schließung von Jugendclubs, keine Fortbildungen für Erzieher, Streichung von Streetworker-Stellen und Schulprojekten, Einschränkung von Öffnungszeiten: die freien Träger der Jugendhilfe haben am Mittwoch Alarm geschlagen. Bereits am Sonntag hat HalleForum.de über die finanziellen Probleme berichtet, weil die Stadt 20 Prozent der Mittel nicht auszahlt, obwohl sämtliche Leistungen vollständig erfüllt wurden. Nun wurden die verschiedenen Vereine konkreter.

„Wir hoffen, dass wir über die Fraktionen Druck auf die Verwaltung ausüben können“, erklärte Sven Weise von der Liga der freien Wohlfahrtspflege die Intentionen des jetzt erfolgten Aufschreis. Derzeit rate man jedem Träger intern zu prüfen, ob man das Risiko überhaupt noch eingehen könne, in Halle Jugendarbeit anzubieten. Denn kein Träger wisse, ob und wie viel Geld er im kommenden Jahr für seine erbrachten Leistungen überhaupt von der Stadt bekommen würde.

Noch deutlicher wurde Uwe Kramer von der Villa Jühling. Er warf der Stadt einen Bruch des Vertrauensverhältnisses vor. In den vergangenen Jahren seien die beschlossenen Mittel auch ausbezahlt worden. Diesmal könnten sich die Träger offenbar nicht darauf verlassen. Nun fehle dieses Geld, so Kramer. Viele Träger müssten deshalb reagieren, Einrichtungen schließen, Mitarbeiter entlassen und Insolvenz anmelden. Auch für das kommende Jahr sei offenbar keine Besserung in Sicht. Schließlich hatte Sozialdezernent Tobias Kogge angekündigt, dass es ab 2012 von der Stadt gar kein Geld mehr für die Jugendarbeit gibt. Nur noch die Landesmittel werden weitergereicht. Damit ergebe sich faktisch eine Halbierung, so Kramer. Doch erfolgten Einschränkungen seien erst einmal nur eine Bremsspur. "Der wirkliche Schnitt kommt zum 1. Januar."

Bereits reagiert hat der Kinder- und Jugendhaus e.V., der Freizeittreff „Völkchen“ hat seit Montag geschlossen. Viele Angebote gebe es nun einfach nicht mehr, sagte Geschäftsführerin Beate Gellert. So fallen die Kinderweihnachtsfeiern aus, vielen Vereinen habe man nun die Räumlichkeiten kündigen müssen. Ändert sich nichts an der Situation, droht gleiches dem Kinder- und Jugendhaus in der Züricher Straße. Bis zu 25.000 Besucher im Jahr müssten sich dann etwas anderes suchen. Daneben fallen ohne Finanzierung auch Bürgerarbeiter- und FSJ-Stellen weg. Doch der Stadt wolle sie nicht allein den Schwarzen Peter zuschieben, sagte Gellert. Schließlich reden auch Bund und Land immer wieder davon, dass man Kinder unterstützen wolle. „Wer Kinder will, muss auch für ausreichend Mittel sorgen“, sagte Beate Gellert.

20 bis 30 Jugendliche, ein Drittel von ihnen obdachlos, nutzen täglich die Angebote des S.C.H.I.R.M.-Projekts. Falle das Geld weg, dann müsste man die Öffnungszeiten einschränken, sagte Leiterin Anna Manser. Bei der Jugendwerkstatt Bauhof spart man an den Projekten, sagte Leo Dölle. Zwei der fünf Projekte gebe es nur noch in einer Light-Variante. Er machte auch deutlich, dass eine Kürzung städtischer Mittel auch die Kürzung weiterer Fördermittel nach sich ziehe. An 1.000 Euro der Stadt hängen seinen Worten zufolge 10.000 Euro Gelder aus dem Europäischen Sozialfond (ESF). Dölle befürchtet bei einem drastischen Zurückfahren der Jugendhilfe-Leistungen im präventiven Bereich einen enormen Anstieg bei den Hilfen zur Erziehung, also wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

Brunhilde Ott vom Deutschen Kinderschutzbund sieht vor allem das Gebäude des Blauen Elefanten in der Silberhöhe in Gefahr. Denn von einer Mittelstreichung der Stadt wären vor allem die Sachkosten betroffen, mit denen das Gebäude unterhalten wird. Entsprechend herrscht bei Frau Ott Unverständnis. Erst übertrage die Stadt ihre Einrichtungen zur Betreibung per Erbbaupachtvertrag und sage plötzlich, es gebe nichts mehr. Sollte die Stadt dabei bleiben, sei der DKSB-Vorstand gezwungen, Insolvenz anzumelden.

Alle Träger kritisierten erheblich die Informationspolitik der Stadt. „Man fühlt sich als Träger verlassen zwischen allen Stühlen“, so Uwe Kramer. „Alles wird in der Schwebe gehalten.“ Konkrete Aussagen der Stadt seien Fehlanzeige. Es gebe keine schriftlichen Informationen, so Kramer. Demnach habe man selbst ebenfalls nur die von Sozialdezernent Tobias Kogge gegebenen Hinweise, wonach nur 80 Prozent der zustehenden Mittel ausbezahlt werden.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege strebt nun gemeinsame Gespräche mit Finanzminister Jens Bullerjahn, Sozialminister Norbert Bischof und Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados an.