Kontroversen um Luckner und Abderhalden

von 26. Mai 2010

Gerry Kley (FDP) warnte vor “euphorischer Bilderstürmerei”, andere Politiker wiesen auf Kontakte zum NS-Regime hin. Am Mittwoch hat sich der hallesche Stadtrat heftige Debatten um Felix Graf von Luckner und Emil Abderhalden geliefert.

Doch der Reihe nach. Im April vor 65 Jahren stand Halle kurz vor der Zerstörung durch amerikanische Bomben. Doch ein Team bestehend aus Major a. D. Karl Huhold, Prof. Walter Hülse, Prof. Theodor Lieser, Felix Graf von Luckner und Dr. Nicolaus Weins soll Halle vor dem Bombenhagel gerettet haben. Dafür sollen sich am Uniring mit einer Gedenktafel geehrt werden. “Die Würdigung soll an den Tag, nicht an Biografien erinnern”, erklärte Hans-Dieter Wöllenweber (FDP), wohl wissen um die Kontroversen. Die genannten Personen hätten sich durch hohes persönliches Engagement und Mut ausgezeichnet. “65 Jahre nach Kriegsende muss an die schrecklichen Ereignisse von damals erinnert werden”, so Wöllenweber, der darum bat, die Vorlage gleich abzustimmen und nicht erst wieder in den Ausschüssen zu zerreden. Doch den Gefallen tat ihm Sabine Wolff (Neues Forum) nicht, die den Antrag in den Kulturausschuss verwies. Dort solle über die Gestaltung und den Text der Ehrentafel gesprochen werden, meinte sie. Erwin Bartsch (Linke) wies hingegen darauf, dass es weit aus mehr Personen als die genannten gegeben habe, die sich für Halle eingesetzt haben. “Es gab mehrere Widerstandsgruppen”, sagte er. Deutliche Worte gegen eine Ehrung fand Dietmar Weihrich (Grüne. “Luckner war ein Mitläufer der Nazis” so Weihrich, “deswegen kommt eine Ehrung nicht in Frage.” Mit Blick auf die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs durch Luckner an seiner eigenen Tochter meinte Weihrich, einen solchen Mann zu ehren wäre eine Verhöhnung der Opfer.

Der mit einem Straßennamen geehrte Biochemiker Emil Abderhalden erscheint durch neue Forschungen in einem völlig neuen Licht. Unter anderem wurden seine “rassehygienischen” Überlegungen bekannt. So sah er eine Sterilisierung von „erblich belasteten“ Menschen als notwendig an. Er forderte eine „rassisch reine“ Gesellschaft und. Behinderter waren für ihn nur „Ballastexistenzen“ ohne Lebensanspruch. Solch ein Mann darf nicht mit einem Straßennamen geehrt werden, so die Grünen, die deshalb die Umbenennung der Straße fordern. Im Vorfeld hatte Radio Corax dazu angefragt ob sie eine etwaige Diskussion mitschneiden dürfen. Werner Misch (CDU) legte jedoch Widerspruch ein, so dass Radio Corax nicht senden durfte. Für TV-Halle gab es hingegen keine Einschränkung. Vor der Verweisung gab es noch einige Diskussionen. “Abderhalden war ein Wegbereiter des nationalsozialistischen Systems”, erklärte Ines Brock (Grüne). “Er setzte sich nicht für jüdische Wissenschaftler ein, sondern schloss sie aus der Leopoldina aus.” Auch mit Blick auf das Andenken der Opfer des Dritten Reichs sollte man Personen wie diesen “inhumanen Wissenschaftler” nicht ehren. Sabine Wolff (Neues Forum) wünschte sich im Kulturausschuss eine Diskussion um ein allgemeines Konzept für Straßenbenennungen, auch solcher aus kommunistischen Zeiten, was der Stadtratsvorsitzende Harald Bartl mit den Worten kommentierte, “das wird ein leckeres Hauen und Stechen.” Petra Sitte (Linke) wies auf Forschungsarbeiten der Leopoldina zur Thematik hin, die im kommenden Jahr veröffentlich werden. Zuvor hatte Annegret Bergner darauf hingewiesen, man solle doch einen Konsens mit der Leopoldina suchen. Und Gerry Kley (FDP) warnte vor einer “euphorischen Bilderstürmerei”. Kaum eine Person sei frei von Fehl und Tadel, sagte er. “Wenn wir an jeden Straßennamen gehen, können wir nur noch Blümchen nehmen.”

Sowohl die Straßenumbenennung als auch die Gedenktafel werden nun im Kulturausschuss beraten.