Ost und West in Jahrzehnten noch nicht gleich

von 1. Januar 2012

(dpa) Gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West wird es nach Ansicht des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) noch lange nicht geben. «Aus ökonomischer Sicht sind wir da noch meilenweit entfernt, das wird auch noch mehrere Jahrzehnte dauern», sagte der Konjunkturchef des Instituts, Oliver Holtemöller, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Arbeitsproduktivität pro Erwerbstätigem etwa liege in Ostdeutschland derzeit zwischen 75 und 80 Prozent im Vergleich zu der im Westen, sagte er. Ein Grund dafür sei die unterschiedliche Zusammensetzung der Branchen in Ostdeutschland.

«Die hochproduktiven deutschen Industrien wie der Export-Maschinenbau sind in den alten Ländern angesiedelt», sagte der Wirtschaftsprofessor. Im Vergleich dazu sei etwa in Sachsen-Anhalt die Nahrungsmittelbranche sehr stark vertreten. Dort sei die Wertschöpfung aber vergleichsweise niedrig. Zudem verfüge Ostdeutschland über eine niedrigere Kapitalintensität. Es gebe weniger privates Kapital, das in Unternehmen fließen könne. Ostdeutschen Firmen sei es vor 1990 nicht möglich gewesen, Kapital anzuhäufen.

Ein weiteres Problem in Ostdeutschland sei die stärkere Überalterung. «Das führt dazu, dass der Anteil, der arbeitet niedriger ist als im Westen, weil es in den neuen Ländern mehr Rentner gibt», sagte Holtemöller. «Ostdeutschland kann nur aufholen, wenn die Arbeitsproduktivität schneller zunimmt als im Westen. Dazu sind innovative Kräfte und Ideen nötig», sagte der Konjunkturexperte. So müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit gut ausgebildete junge Menschen in den ostdeutschen Ländern bleiben, Familien gründen und möglichst nach dem Studium innovative Firmen gründen.

«Dafür bieten gute Bedingungungen zur Kinderbetreuung und gute Studienbedingungen eine doppelte Chance», sagte er. Holtemöller sprach sich zugleich klar gegen eine Verlängerung des Solidarpakts aus. Dieser laufe 2019 aus, und daran sollte auch nichts geändert werden. «Man muss erreichen, dass man sich nicht daran gewöhnt, auf Dauer von Subventionen zu leben.»

Die Leiterin der Abteilung Strukturökonomik, Jutta Günther, und IWH-Konjunkturchef Holtemöller führen das Institut seit dem Abgang des bisherigen Präsidenten Ulrich Blum als Interimsvorstand. Das Team wird laut Sachsen-Anhalts Wirtschaftsministerium ab Januar von Tankred Schuhmann vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben als neuer administrativer Leiter unterstützt. Das IWH gehört auch zur Leibnitz-Gemeinschaft.