Wurden Abhängige ausgenutzt?

von 15. Februar 2016

Die Frage ist: Missbrauchte die Jobcenter-Chefin ihre Macht gegenüber dem von ihrer Gunst abhängigen Bildungsträger? Sie bestreitet das und hat gegen den von der Staatsanwaltschaft Halle verhängten Strafbefehl von 15.000 Euro Einspruch erhoben. Derweil hat das BBW einen gesonderten Strafbefehl vom 24. Juni 2015 samt der verhängten Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro akzeptiert.

Worum es im Prozess gegen Tempel geht, teilte das Amtsgericht Halle vor dem Verhandlungsbeginn am 27. Januar 2016 mit: „Anfang Oktober 2012 bei dem Rückbau des Projekts habe die Angeklagte der gesondert verfolgten Betreuerin des Projekts beim BBW mitgeteilt, dass sie sich für die Gestaltungsobjekte interessiere. Wenig später habe die Angeklagte der gesondert Verfolgten einen Schlüssel zu ihrem in Wansleben am See gelegenen Wohngrundstück und eine Skizze übergeben. Die gesondert Verfolgte habe daraufhin einen bei der BBW angestellten Zeugen mit der Durchführung der Arbeiten betraut. Dieser habe mit Mitteln des BBW in dessen Werkstatt eine Trennwand und einen Frostschutzkübel sowie ein Rankgitter hergestellt und dieses mit Maßnahmeteilnehmern auf das Grundstück der Angeklagten gebracht und habe dort einen Teil des Gartens und die Terrasse mit den genannten Gestaltungsobjekten und den hergestellten Gegenständen ausgebaut. Bis Mitte November 2012 seien an der Ausführung in wechselnder Zusammensetzung jeweils wenigstens zwei Maßnahmeteilnehmer und der Angestellte des BBW an mindestens zehn Tagen für mindestens vier Stunden beschäftigt und damit sei der BBW in unzulässiger Weise in Konkurrenz zu gewerblichen Anbietern getreten. Weder für Materialkosten in Höhe von 480 Euro, noch für die Arbeitsleistung in Höhe von mindestens 546,00 Euro habe der BBW eine Rechnung gestellt. Der BBW sei finanziell von der Zuweisung von Projektmitteln durch das Jobcenter abhängig gewesen. Am 07.01.2013 habe die Angeklagte der gesondert verfolgten Beauftragten einen Geldbetrag in Höhe von 600,00 Euro für einen karitativen Zweck übergeben. Dieser Betrag sei als Spende für ein anderes Projekt verbucht worden und nicht als Zahlungseingang auf das hergestellte Werk.“

Insider entdecken in dem verhandelten Vorwurf nur die Spitze des Eisberges, während sich Tempel offenbar als Opfer einer Kampagne sieht. Dabei ist der Fall, nachdem er nach längeren Rumoren hinter den Kulissen durch Whistleblower in Gang gesetzt worden war, beim Träger Agentur für Arbeit bis auf die Bundesebene Thema gewesen. Die Untersuchungsergebnisse veranlassten schließlich Regionaldirektor Kay Senius, das System Tempel zu beenden und die Geschäftsführerin zu entlassen. Auch nach Hallelife-Informationen lief es im Jobcenter nicht so, wie es hätte laufen sollen. Es herrschte zumindest partiell offenbar ein raues Arbeitsklima, wie zwei ehemalige Mitarbeiterinnen berichten, die anonym bleiben wollen. Außerdem erklärte ein Bildungsträger in Halle gegenüber Hallelife, dass im System Tempel der aus dem Rennen um Aufträge war, der Vergünstigungen nicht einzuräumen gedachte. Vor dem Arbeitsgericht Halle wiederum wurde im Sommer 2015 die Begründung der Entlassung Tempels als nicht ausreichend bewiesen angesehen. Ein Teilsieg, doch die Arbeitsagentur ist in Berufung gegangen, so dass der Streit weitergeht.