Angst um Judaistik-Standort Halle

von 16. Juni 2010

Der Vorsitzende des Verbandes der Judaisten in Deutschland und hallesche Professor für Judaistik/Jüdische Studien Giuseppe Veltri begrüßt die Vorschläge des Wissenschaftsrates, zentrale Vier-Professuren-Standorte für das Fach einzurichten. Doch er befürchtet, dass die Politik dies nicht finanzieren werde. In letzter Konsequenz, so Veltri, müsse man dann um das Überleben kleinerer Judaistikstandorte wie dem in Halle (Saale) bangen.

Ab heute versammelt sich in Berlin das Who-is-Who der deutschen theologischen und religionsbezogenen Studien zu einer Konferenz mit dem Titel "Vielfalt der Religionen – Theologie im Plural". Mit dabei ist u. a. der Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Es soll um eine Diskussion des vom Wissenschaftsrat im Januar 2010 vorgelegten Zukunftspapiers "Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen" gehen.

Für den Vorsitzenden des Verbandes der Judaisten in Deutschland und Professor für Judaistik/Jüdische Studien an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Giuseppe Veltri ist es sehr begrüßenswert, dass sich der Wissenschaftsrat des Themas angenommen hat. "Religionen spielen in der deutschen Gesellschaft eine immer größere Rolle", meint Veltri. Der Wissenschaftsrat habe deshalb Vorschläge unterbreitet, wie sich die religionsbezogenen Studien und Theologien dem Trend entsprechend entwickeln sollten. "Der Wissenschaftsrat regt an, die Judaistik in Deutschland an Schwerpunkten zu bündeln." Mindestens vier Professuren sollten dort die Breite des Faches abdecken. Dies sei aus seiner Sicht natürlich absolut wünschenswert, doch bleibe für ihn die Frage: "Wird die Politik da mitziehen, vor allem auch in Bezug auf kleinere Standorte wie in Halle? Denn mit wessen Geld sollen vier Professuren bezahlt werden?"

Würden die politischen Entscheidungsträger dem neuen Kurs nicht entsprechen und ihn nicht finanzieren, so Veltri weiter, "dann droht Ein-Professuren-Standorten für Judaistik wie in Halle das Aus." Natürlich könnten diese kleinen Seminare oder Institute nicht alle Bereiche des Judentums abdecken. Trotz dessen bemühten sie sich seit Jahren um eine exzellente Forschung und Lehre. Dafür hätten er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen mit erheblichem persönlichen Engagement Drittmittel in Millionenhöhe eingeworben (die Judaistik/Jüdischen Studien in Halle beispielsweise rund 1,8 Mio. Euro in der Zeit von 2002 bis 2010).

Auch deshalb stünden Professuren wie die Halle bislang nicht auf dem Prüfstand und hätten die Finanz-Engpässe der Länder unbeschadet überlebt. Zusammenfassend konstatiert Veltri: "Es wäre wunderbar, wenn wir vier Professuren bekämen. Aber es ist angesichts der klammen Länderhaushalte unrealistisch, dass sich dafür eine Finanzierung findet." An der momentanen Vielfalt der Judaistik in Deutschland dürfe sich aber auf jeden Fall nichts ändern. Denn dafür hätten die Judaisten lange gekämpft.