Linke will den Kirchen ans Geld

von 23. März 2012

Die Linken in Sachsen-Anhalt wollen der katholischen und der evangelischen Kirche ans Geld. Die bekommen immerhin allein in diesem Jahr 30 Millionen Euro vom Land als Ausgleich für Einnahmeverluste durch die Säkularisation. Möglich machen es die 1993 geschlossenen Staatskirchenverträge. Die Linken schlagen nun eine Ablösung vor, um aus den Verträgen herauszukommen. Im Gespräch sind 320 Millionen Euro. Am Freitag nun sorgten die Pläne für Debatten im Landtag.„Ganz unnötig ins Gerede gekommen sind die Anfang der 90iger Jahre abgeschlossenen Staatskirchenverträge durch einen Antrag der Linken, diese einer Überprüfung zu unterziehen“, so der Abgeordnete Jürgen Scharf. Zu der heutigen Debatte im Landtag führte er aus:  „Das Wirken der Kirchen ist nicht an bestimmte rechtliche Voraussetzungen gebunden und geschieht auch unter den unterschiedlichsten Bedingungen. Freilich sollte die ehrliche Diskussion berücksichtigen und nicht verschweigen, dass ihr Wirken in vielen Ländern, besonders in islamisch geprägten Ländern aber z. B. auch in Nordkorea, unter Bedingungen harter Verfolgung als Märtyrerkirche erfolgt. In vielen Ländern herrschen jedoch geordnete Verhältnisse, die ein freies Wirken von christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ermöglichen, so in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt. Die Linke vermutet, dass andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften benachteiligt werden, konnte dieses aber nicht belegen.  Aus Sicht der CDU gibt es derzeit keinen Grund theoretisch und praktisch nach anderen Rechtsgrundlagen zu suchen. Veränderungen im Detail sind freilich immer möglich. Es drängt sich aber der Eindruck auf, die Linke möchte das gesamte über Jahrzehnte bewährte Rechtsgebäude der Staats-Kirchenbeziehungen diskreditieren und letztlich abschaffen. Aber auch sie soll sich darüber klar werden, dass es so etwas wie vordemokratische Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft gibt. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Ernst Wolfgang Böckenförde, sagte es einmal so: ‚Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.‛ Diese vordemokratischen Grundlagen sind zumindest in der westlichen Welt untrennbar mit der katholischen Soziallehre und evangelischer Ethik verknüpft. Wer Blindheit des Staates gegenüber jeglicher Religiosität fordert, zerreißt ein wichtiges Band zu den vordemokratischen Grundlagen unseres Staates. Wir werden dieses Band vielleicht noch einmal bitter nötig haben. Schon im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 war die Ablösung der jährlich zu leistenden Entschädigungszahlungen für die den Kirchen entgehenden Erträge ihrer enteigneten Grundstücke durch Einmalzahlungen vorgesehen. Aus fiskalischen Gründen hat nie eine Regierung ein entsprechendes Ablösegesetz vorgelegt. Der Vorschlag der Linken entspricht einer Teilenteignung der Kirchen und kann deshalb nicht ernst genommen werden. Die Linke muss erklären, was ihre Initiative tatsächlich bewirken will.“Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat zur Forderung der Linken, die Staatskirchenverträge zu evaluieren, debattiert. Dazu erklärt Petra Grimm-Benne, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion: „Fünf Gründe sprechen gegen den Antrag. Erstens: Wir haben mit den Kirchenverträgen eine geltende Rechtslage. Die Verträge können nicht einseitig gekündigt werden.  Zweitens: Bei den Zahlungen handelt es sich nicht um freiwillig zu leistende Zuwendungen, sondern um Zahlungen, die sich aus der Säkularisierung von Kircheneigentum ergeben. Das hat mit einer Privilegierung, wie sie die Linke behauptet, nichts zu tun. Die Zahlungen stellen eine Entschädigung für enteignetes Eigentum dar. Andere Religionsgemeinschaften hatten solches Eigentum nie, daher gibt es auch keine Entschädigungen. Drittens: Wir haben als Land keinen rechtlichen Spielraum, aktiv zu werden. Um eine Ablösung der Staatsleistungen zu erreichen, muss der Bund die rechtlichen Bedingungen schaffen. Um das zu wissen, braucht man keine Evaluierung. Das weiß man auch so. Das weiß im Übrigen auch die Linke, sie hat es in ihrer Begründung zu Punkt 2 selbst aufgeschrieben. Viertens: Ablösung würde heißen, den Kirchen einen Kapitalstock zur Verfügung zu stellen, der es ermöglicht, durch daraus entstehende Zinserträge die Höhe der bisherigen Staatsleistungen zu ersetzen. Bei einem fiktiven Anlagezinssatz von 4 Prozent p.a., bedeutet das den 25fachen Jahresbetrag. Im Jahr 2012 hat das Land Sachsen-Anhalt der Evangelischen und Katholischen Kirche rund 29,8 Millionen Euro an Staatsleistungen zur Verfügung gestellt. Das 25fache hieraus beträgt demnach 745 Millionen Euro. Das können wir im Landeshaushalt nicht stemmen.  Fünftens: Die Linke spielt mit gezinkten Karten. Seit dem 01. März liegt im Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Drucksache Nr. 17/8791). Darin wird die Ablösung der Leistungen durch die zehnfache Summe des Jahresbeitrages, zahlbar in 20 Jahresraten gefordert.  Unser Fazit lautet: die Koalition ist nicht bereit, sich an der disharmonischen Begleitmusik zu einem Bundestagsantrag der Linken zu beteiligen.“„Bei den Staatsverträgen mit den christlichen Kirchen handelt es sich um geltendes Recht. Diese unzweifelhaft bestehenden Rechtsverpflichtungen sind zu bedienen“, so der kirchenpolitische Sprecher der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sebastian Striegel. „Zur Ablösung der Staatsleistungen auf Landesebene, die vom Grundgesetz gefordert wird, dort aber nicht mit einem spezifischen Zeitpan versehen ist, bedarf es einer Grundsatzgesetzgebung des Bundes. So lange eine solche Grundsatzgesetzgebung nicht vorliegt, erübrigen sich etwaige Handlungen auf Landesebene. Die bestehenden Verträge sind einzuhalten. Eine Evaluation ist daher hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Selbstverständlich können die Verträge mit den christlichen Kirchen nach einer Ablösung von Staatsleistungen durch neue Staatsverträge ersetzt werden, die – analog zur Systematik des Staatsvertrags mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden – die kulturellen und gesellschaftlichen Leistungen der Kirchen honorieren. Dafür muss aber zunächst die Ablösung auf Bundesebene vorbereitet werden.“