Als in Halle die Synagoge brannte

von 9. November 2009

(ens) Am Montagabend wurde auf dem Jerusalemer Platz in einer Gedenkstunde an die tragischen Ereignisse der Reichskistallnacht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erinnert. Im ganzen Land, und eben auch in Halle (Saale), standen Synagogen in Flammen, wurden jüdische Geschäfte geplündert, Wohnungen zerstört. Der Auftakt zum systematischen Massenmord an Juden durch die Nationalsozialisten.

Pfarrer Gerry Wöhlmann erinnerte in seiner Rede daran, dass bei den damaligen Ereignissen nur wenigen den jüdischen Opfern beistanden. “In der Regel sah man untätig zu. Die meisten schwiegen. Auch Christen. Mancher unterstützte gar das gewalttätige Treiben.” Auch heute noch sei die Menschenwürde gefährdet, so Wöhlmann. “Wo immer Menschen verspottet, verfolgt, oder drangsaliert, verletzt oder gar getötet werden, weil sie anders sind, werden wir als Christen herausgefordert, die Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit und rassistisches Denken zu erheben. Das Gebot der Stunde sei das Eintreten für eine Zivilcourage, die allem Gerede von der natürlichen Überlegenheit eines Volkes widerstehe.

Er hoffe, dass so etwas nie wieder passiere, sagte der Beigeordnete Tobias Kogge. Er erinnerte ganz speziell an das Schicksal der Familie Tubandt. Das Ehepaar Wera und Carl Tubandt wohnte viele Jahre in Halle, hatte ein Haus in der Carl-von-Ossietzky-Straße 16 (früher Bimarckstraße). Wera und Carl hatten 1904 geheiratet. Im gleichen Jahr promovierten beide – er in Halle, sie in Gießen. Wera war damit die erste Frau, die in Hessen ihre Promotion ablegte. Und durch ihre Hochzeit waren sie wohl das erste Ehepaar Deutschlands, bei dem beide Ehepartner promoviert hatten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Carl aus dem Universitätsdienst am Institut für Physikalische Chemie entlassen – weil er sich nicht von seiner jüdischen Frau Wera trennen wollte. Die Familie zog mit den beiden Töchtern ihren Wohnsitz nach Berlin. Carl Turbandt starb 1942 an einem Magengeschwür. Als 1944 seine Frau Wera nach Auschwitz deportiert werden sollte, entzog sie sich der Verfolgung durch den Freitod. Die beiden Töchter überlebten durch die Hilfe von Freunden und Verwandten.

Enttäuscht zeigten sich am Rande einige Anwesende, dass es die Stadt auch in diesem Jahr nicht geschafft hat, mal für eine halbe Stunde den Jerusalemer Platz für Autos zu sperren. Während die gut 150 Anwesenden still gedachten, heulten rechts und links Motoren auf.