Anschlag auf den Elster-Saale-Kanal

von 13. Oktober 2016

Für die zahlreichen Enthüllungen von Jobcentermaßnahmen über Lebensmittelsubventionen bis zu Bauvorhaben hatte sich der Comedian unter anderem Rechtsanwalt Christopher Posch, Star-Koch Christian Rach und den Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, eingeladen. In der zweiten Hälfte der Sendung ging es dann um 106 Millionen Euro. Dazu wurde eine Karte der Region Halle-Leipzig eingeblendet und der Kanal, um den es geht. Dem im Zweiten Weltkrieg nicht mehr fertigstellten Kanal fehlen rund acht Kilometer. Nun solle er fertiggestellt werden, weil damit bis zu 500.000 Touristen im Jahr in die Region geholt werden könnten. Diese Zahl sei völlig überzogen, dafür Steuergelder auszugeben reine Verschwendung.

Worum geht es tatsächlich? Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Anhalt-Bitterfeld | Dessau | Wittenberg mbH hat 2015 ein „Tourismuswirtschaftliches Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum“ vorgelegt. In der Kurzfassung auf Seite 18 wird die „Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale mit Schiffshebewerk“ als „Leuchtturm 7“ vorgestellt. Dazu heißt es, Zitat: „Die Städte Halle (Saale) und Leipzig durch einen schiffbaren Kanal zu verbinden und die mitteldeutsche Gewässerlandschaft an die Elbe anzubinden, gilt als langfristige Entwicklungsperspektive. Insofern wird auch der Ausbau des Saale-Elster-Kanals als langfristiges Projekt eingestuft.“ Die Autoren betone die Langfristigkeit, wobei es zunächst um die „wassertouristische Entwicklung der bestehenden Teile des Saale-Elster-Kanals“ und das weiteren Umfeldes in der Region gehen soll. Sie raten zu einen kontinuierlichen Bewertung des Vorhabens, empfehlen es also nicht um jeden Preis. Als Planzeitraum wird das Jahr 2030 genannt. Ferner weisen die Autoren im Endbericht auf Seite 166 auf den enormen technischen und finanziellen Aufwand des Elster-Saale-Projektes hin. Acht bis zehn Kilometer Kanal seien neu zu bauen und ein Höhenunterschied von 18 Metern durch ein Schiffshebewerk zu überwinden. Weil das Vorhaben zudem ein starker Eingriff in die Landschaft wäre, wird alternativ eine Gewässerverbindung für Kanuten über die Geisel vorgeschlagen.

Zur bisherigen Geschichte des Kanals: Schon im 16. Jahrhundert war der Bau eines Kanals zwischen Elster und Saale von Interesse. Damals gab es wirtschaftliche Interessen. Es ging um die Holzflößerei und eine Verbindung von Crossen in Thüringen nach Bad Dürrenberg. Leipzig mit Saale und Unstrut zu verbinden, ist eine Idee aus der Zeit um 1800, doch sie verlor sich in den Napoleonischen Kriegen (1792–1815). Ernst Carl Erdmann Heine, Leipziger, Industriepionier, Landtags- und Reichstagsabgeordneter, belebte die Idee bald wieder. Kanalbauten begannen 1856 in Leipzig und gingen bis 1898. Der Bau des eigentlichen Elster-Saale-Kanals wurde jedoch erst in den 1920er Jahren beschlossen und 1933 begonnen. Bis 1936 ging es zügig voran. Noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 war der Bau der Schleuse beim Örtchen Wüsteneutzsch begonnen. Eine 85 Meter lange Schleusenkammer aus Stahlbeton entstand. Dann ging es nur noch schleppend voran. 1943 kam der endgültige Baustopp. Die Schleuse war nicht fertig und der Abschluss von dort zur Saale bei Kreypau fehlte. Der ausgebaute Kanal war für 1000-Tonnen-Schiffe ausgelegt. Die DDR erwog den Weiterbau, verwarf das Vorhaben jedoch. Nach der Wende interessierten sich nur einige Bürger für das unfertige Bauwerk und gründeten im Januar 2007 den Saale-Elster-Kanal Förderverein. Der Verein trug alles zusammen, was er über den Kanal beschaffen konnte und machte sich auch Gedanken, wie beim Weiterbau des Objektes die Schleuse aussehen könnte. Ihr Blick ging dabei nach Schottland zum Schiffshebewerk Falkirk Wheel. Das beeindruckende, weltweit einmalige Bauwerk kostete 17 Millionen Pfund und ist seit 2002 in Betrieb.

Die in der RTL-Sendung „Mario Barth deckt auf“ erwähnte Erwartung, dass pro Jahr bis zu 500.000 Menschen zum Elster-Saale-Kanal kommen könnten, bezog sich aus Sicht der Projektentwickler allein auf die Anziehungskraft eines sehenswerten Schiffshebewerks. So hatte Prof. Peter Vermeulen von der Fachhochschule Merseburg 2012 in einem Gutachten zum Nutzen und zur Finanzierbarkeit des Elster-Saale-Kanals drei Schiffshebewerke und deren jährlichen Besucherzahlen erwähnt, darunter zwei mit je 500.000 Besuchern: Falkirk Wheel und Niederfinow. Aus Sicht des Gutachters hat der Kanal einen hohen kulturhistorischen Wert und ist wegen seiner zentralen Lage gut erreichbar. Ein Jahresumsatz von bis zu 25 Millionen Euro sei möglich. Mit geringen Eigenmitteln könnten die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen mit EU- und Bundesmitteln eine hohe Refinanzierungsquote erreichen. Im Sommer 2016 war von Gesamtkosten in Höhe von 106 Millionen Euro die Rede. Das Mammutprojekt liegt komplett in Sachsen-Anhalt. Während es dort nach wie vor nur Absichtserklärungen gibt, wird das Kanalnetz im Umfeld des Elster-Saale-Kanals in Leipzig fleißig ausgebaut. Der Karl-Heine-Kanal wurde mit dem Hafen in Lindenau verbunden und ab 2017 sollen die Bauarbeiten von dort Richtung Elster-Saale-Kanal erfolgen. Der inzwischen 150 Jahre alte Traum, mit dem Schiff von Leipzig nach Hamburg zu fahren, geht weiter.

Nachtrag: Der Kanal zwischen Leipzig und Günthersdorf, der einmal bis Kreypau gehen soll, wird von unterschiedlichen Seiten unterschiedlich bezeichnet. Mal heißt er Saale-Elster-Kanal, mal Elster-Saale-Kanal. Bei der zuständigen Bundesbehörde heißt diese Bundeswasserstraße schließlich Saale-Leipzig-Kanal.

Wassertouristisches Konzept für die Region Halle-Leipzig im Internet (pdf)

http://www.gruenerring-leipzig.de/sites/default/files/150213_twgk-kurzfassung-final-web.pdf

Förderverein Saale-Elster-Kanal

http://www.saaleelster.de

Saale-Elster-Kanal F[&]ouml;rderverein e.V.

www.saaleelster.de

Saale-Elster-Kanal

Fotos von der Schleusen-Ruine bei Wüsteneutzsch (Leuna)

http://artefakte.perladesa.de/artefakte_leuna.htm

Artefakte: Leuna Saalekreis Sachsen-Anhalt | Germany …

artefakte.perladesa.de

Leuna Artefakte – Denkmale deutscher Geschichte Fotos: Martin Schramme | Keine Verwendung der Fotos ohne Nachfrage! letzte Änderung am 09.02.2016

das Falkirk Wheel in Schottland (Video auf Youtube)

https://youtu.be/_tBH9SE-Kw8

Falkirk Wheel, Central Scotland

youtu.be

A real time view of the Falkirk Wheel turning 180 degrees. The wheel joins two canals and gives access to Glasgow and Edinburgh. It is an engineering masterp…