Hallewood zwischen Weltstadt und Zorn

von 23. Mai 2016

Die Premiere für den Stadtrundgang „Von Zorn bis Hallewood“ war schon im April, nur wollte die Chefin von Stattreisen einen Probelauf im Stillen, ehe sie die Presse holt. Treffpunkt ist das Stadtbad an der Schimmelstraße. Der Haupteingang mit der markanten Uhr ist kaum zu verfehlen. Kiefel hat einen Computer mitgebracht, den sie hinstellen kann, um Filmausschnitte zu zeigen. Sie hatte im Vorfeld überlegt, ob sie jedem Zuhörer ein eigenes Tablet in die Hand drückt, doch Kosten und logistischer Aufwand sprachen aus ihrer Sicht dagegen. Es geht auch so. Ihre Gäste hören brav zu, obwohl sie mehrfach in Innenhöfen stehen, wo immer wieder der Lärm des nahen Straßenverkehrs stört.

„Halle sieht dank unserer Hilfe wie eine Weltstadt aus“

Zu Fuße des eingerüsteten Stadtbad-Wasserturms nimmt Kiefel den roten Faden ihrer Tour auf: Zorn, die mehrteilige Krimiserie, ist im Moment der bekannteste Filmexport aus Halle. Eine der Zuhörerinnen wirft begeistert ein, alle fünf Zorn-Bücher von Stephan Ludwig gelesen zu haben. Im 100 Jahre alten Stadtbad war das Ermittlerpaar Claudius Zorn und Schröder auch zu sehen. Zuschauer erinnern sich an einen Filmausschnitt in der Herrenhalle. Kiefel bemerkt, dass Ludwig, der eigentlich Tontechniker und Ghostwriter war und bis 2005 literarisch gar nicht in Erscheinung trat, einen Achtungserfolg gelandet hat, obwohl es zuvor schon mehrere Krimis aus Halle gab von Kurt Wünsch, Bernhard Spring und Peter Godazgar. Die Touristenführerin konzentriert sich auf die Nachwendezeit und so nennt zum Beispiel Harald Korall und “seine” Tote an der Waisenhausmauer nicht. Für Zorn, ist weiter zu hören, wurde das nahe Möbelhaus Kunert umgebaut (zum Gemüseladen in Teil IV).

Es geht zum Hansering, erst zu einem Seiteneingang des ehemaligen Post- und Telegraphenamtes, dann schräg rüber in den Hinterhof des Technischen Rathauses, wo alte Gefängnismauern in den Himmel ragen. Kiefel spricht nun vom Polizeiruf 110, der seit 1996 viele Jahre in Halle gedreht wurde, und von den Protagonisten Wolfgang Winkler und Jäcki Schwarz. Sie zitiert die Schauspieler: „Halle sieht dank unserer Hilfe wie eine Weltstadt aus. Bis Magdeburg wie eine Weltstadt aussieht, werden 50 Folgen (Polizeiruf) nicht reichen.“ Bis 2013 wurde der Polizeiruf in Halle gedreht, danach in Magdeburg.

Petition zur kompletten Abwicklung des Multimediazentrums

Eine weitere Station ist das Neue Theater. Bekannte Schauspieler wie Peter Sodann sind mit der Geschichte des Hauses verbunden und aus Film und Fernsehen bekannt. Das Halle nicht nur Kulisse ist, zeigt Kiefel mit einem Abstecher zum Mitteldeutschen Multimediazentrum (MMZ). Dort läuft auch die Postproduktion. Die Kinotonmischung im Haus ist Weltniveau. Kiefel berichtet von den Mietern des MMZ und vom finanziellen Debakel der Eigentümerin. Man staune immer, wie viele Menschen an einem Film teilnehmen, wenn man den Abspann sieht. Einige dieser Firmen sowie Medien- und Kommunikationswissenschaftler sitzen in dem Neubau der kurzen Wege, der allerdings, sagt Kiefel, noch nicht einen Cent Gewinn gemacht hat. Dabei sei das Gebäude schon beim Bau viele teurer gewesen als geplant. Seit Januar gebe es eine Petition zur kompletten Abwicklung des MMZ (Anm. d. Red.: Die Petition war Mitte März 2016 abgeschlossen und hatte 33 Unterstützer). Es bleibt bei einem Blick von draußen, denn der durchaus geplante Blick hinter die Kulissen ist am Wochenende nicht möglich.

Also geht es weiter zum MDR-Funkhaus auf der Spitze. Jetzt kommt Kiefel wieder auf „Zorn“ zurück und zeigt ein Interview mit den zwei Hauptdarstellern Axel Ranisch und Mišel Mati?evi? (erster Zorn). Sie sprechen über Halle. Egal wie man die Hallorenkugel abbeißt, sie ist immer weiß und braun, erklärt Ranisch und fragt, warum es ihm nie gelingt, so abzubeißen, dass er nur eine Farbe sieht. Dann schwärmt er für Halle: „Ich wohn ja leider in Berlin. Halle könnt ich mir auch vorstellen.“ Die Saale ist für ihn „der schönste Fluss Deutschlands“. Zum Schluss gibt es für die treuen Zuhörer noch was zu Lachen.

2017 wird Stattreisen zehn Jahre alt

Die Leute gehen, Kiefel packt zusammen. 24 Drehorte gibt es in Halle. Das kann man zeigen, dachte sie sich, auch wenn sie die Erfahrung gemacht hat, dass Thementouren ein schweres Feld sind. Was in der einen Stadt läuft, kann in der anderen floppen. Kiefel kennt das. Sie muss testen, was geht. Stattreisen behauptet sich seit neun Jahren. Kiefel kann davon leben, obwohl sie sich die “Beute” nicht zuletzt mit der Tourismusabteilung der halleschen Stadtmarketinggesellschaft teilen muss. Da Sachsen-Anhalt aber noch weit mehr tun könnte, um Touristen ins Land zu holen, ist da noch viel Luft nach oben und dass die Zahl der Einwohner in Halle wieder leicht nach oben geht, kann dem kleinen Dienstleister nur recht sein.

Stattreisen im Internet

http://stattreisen-halle.de/

StattReisen Halle

stattreisen-halle.de

1200 Jahre merkwürdiges Halle in einem Straßenschauspiel. Tickets nur mit Voranmeldung! Treffpunkt: Eselsbrunnen Kosten: 15,- EUR / 13,- EUR erm.

Petition zur „Beendigung der Geschäftstätigkeit der MMZ Halle GmbH“

https://www.openpetition.de/petition/online/beendigung-der-geschaeftstaetigkeit-der-mmz-halle-gmbh

Zorn-Hauptdarsteller über Halle (youtube)

https://www.youtube.com/watch?v=g8I6bp86XO4