Immer mehr Selbstständige brauchen Hartz IV

von 11. Januar 2012

Eigentlich sollte der Beginn einer Selbstständigkeit der Schritt in eine neue berufliche und vor allem existenzsichernde Zukunft sein. Doch bei vielen Selbstständigen in Sachsen-Anhalt reicht der Ertrag ihrer Tätigkeit nicht zum Lebensunterhalt aus. Nach letzten Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen im vergangenen Jahr durchschnittlich fast 5.500 Selbstständige zwischen Arendsee und Zeitz Hartz-IV. Das waren fast 8 Prozent aller erwerbstätigen Hartz-VI-Empfänger. Auf lange Sicht ein ansteigender Trend. Denn im Jahr 2007 bezogen im Schnitt nur rund 3.500 Selbstständige Hartz-IV.

Im Juli 2011 hatten über 70 Prozent der selbstständigen Hartz-IV-Empfänger in Sachsen-Anhalt ein verfügbares Einkommen unter 400 Euro.
Kay Senius, Chef der BA-Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, zeigt sich besorgt: „Wir haben auf der einen Seite perspektivisch einen steigenden Bedarf an Fachkräften in Sachsen-Anhalt und auf der anderen Seite langfristig gesehen mehr Menschen, die den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben, von dem Erlös ihrer Existenzgründung aber überhaupt nicht leben können und von der Allgemeinheit unterstützt werden müssen.“ Diese Entwicklung müsse gestoppt werden. Dabei hätten fast 64 Prozent der Betroffenen entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss. Der Großteil sei zwischen 25 und 50 Jahre alt. Damit seien ihre Chancen auf eine feste sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eher gut, so Senius weiter. „Jeder bekommt eine faire Chance für seine Existenzgründung. Dazu gehört aber auch, nach einer gewissen Zeit eine ehrliche Bilanz zu ziehen und gegebenenfalls ein Scheitern einzugestehen, um dann mit den Arbeitsvermittlern nach Alternativen zu suchen“, so Senius.

Er verwies in diesem Zusammenhang auf die zum Ende letzten Jahres geänderten gesetzlichen Bestimmungen beim Gründungszuschuss, den Empfänger von Arbeitslosengeld I beantragen können. Zum einen müssen diese sich jetzt wesentlich früher um die Förderung ihrer Selbstständigkeit bemühen. Während früher ein Restanspruch auf das Arbeitslosengeld von 90 Tagen reichte, muss der Antragsteller jetzt noch einen Anspruch von 150 Tagen haben. Zum anderen ist die Gewährung des Gründungszuschusses eine Ermessensentscheidung und keine Pflichtleistung mehr. Nach wie vor muss der Antragsteller die Tragfähigkeit der Geschäftsidee durch eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachzuweisen. Ebenfalls unverändert müssen Gründungswillige dem Arbeitsvermittler die persönliche Eignung zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nachweisen. Bei Zweifeln an der Eignung kann die Teilnahme an einer Eignungsfeststellung zur Vorbereitung der Existenzgründung erfolgen. Damit wird verhindert, dass die Förderung der Existenzgründung Vorrang vor der intensiven und auf den Einzelfall zugeschnittenen Prüfung von tragfähigeren und existenzsichernden Alternativen hat.

Ziel des Sozialgesetzbuches II sei es, die Hilfebedürftigkeit zu beenden und nicht durch die Förderung unsicherer Geschäftskonzepte zu verlängern, so Kay Senius. „Wichtig ist, dass wir die Kommunikation mit den Betroffenen intensivieren und sie mit ihren Fragen nicht allein lassen. Spätestens ab einer Verweildauer von 18 Monaten im Hartz IV-Bezug sollte deshalb in der Regel intensiv geprüft werden, ob es eine tragfähige Alternative zur Selbstständigkeit gibt“, sagte Kay Senius.