Stadtrat lässt Haushalt passieren

von 25. Februar 2009

(ens) Nach viereinhalbstündigee Diskussion hat der Stadtrat von Halle (Saale) am Mittwoch dem Haushalt für 2009 zugestimmt. Gegen den Entwurf stimmten die MitBürger, Neues Forum und die Linken. Zuvor waren noch zahlreiche Änderungen am Plan vorgenommen worden. Dadurch steigt das erwartete Defizit von 23,9 auf fast 30 Millionen Euro. “Diesen Haushalt bekomme ich niemals genehmigt”, sagte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados nach dem Beschluss. Die Einnahmen liegen bei rund 650 Mio. Euro, die Ausgaben nun bei 680 Mio Euro. Das Altdefizit klettert auf 278 Mio. Euro.

Die im Haushalt bis 2012 eingeplanten Mittel zur Sanierung der Glaucha-Schule in Höhe von 2.259.500 Euro sollen für die Sanierung der Auenschule umgewidmet werden, forderte Mathias Weiland von Bündnis 90 / Grüne. Im Stadtrat stimmte man mehrheitlich diesem Antrag zu. Allerdings gilt die Ausgabe nur unter der Maßgabe, dass die Prioritätenliste der Schulsanierung entsprechend geändert wird. Derzeit steht die Auenschule auf Rang 40. In den vergangenen fünf Jahren hatte der Stadtrat eine Schließung der Auenschule immer wieder abgelehnt, obwohl es die Verwaltung jedes Mal vorgeschlagen hatte. Ebenfalls angenommen wurde ein Änderungsantrag der Fraktion “Die Linke”, wonach die im Haushalt eingestellten Gelder für Kindertagesstätten um 2,3 Mio Euro erhöht werden. Dies bemesse sich an den tatsächlichen Ausgaben für 2008, so Fraktionsvorsitzender Bodo Meerheim. Diese lagen höher als der Planansatz 2008.

Für heftige Diskussionen sorgte die Anschaffung des Bücherbusses. Dieser soll aus Haushaltsrestmitteln gekauft werden. Die Verwaltung erklärte, für die Verwendung dieser Mittel gebe es strenge Maßgaben. Allerdings hatte man versäumt, im Finanzausschuss darüber zu informieren, dass die Mittel nicht dafür eingeplant werden. Das brachte mehrere Fraktionen auf die Palme, woraufhin die Verwaltung einen Rückzieher machte. Die Gelder werden nun doch aus den Haushaltsrestmitteln gebildet. Zuvor hatte Werner Misch in die Runde eingeworfen, dass bereits Haushaltsmittel in das Ausschreibungsverfahren geflossen seien. Allein 50 Arbeitsstunden von Verwaltungsmitarbeitern seien dafür aufgewendet worden.

Auf Antrag der CDU wurde die Sparsumme bei der Oberflächenentwässerung gestrichen. 1 Mio Euro weniger wollte die Stadt hier ausgeben. Für jeden Quadratmeter versiegelte Fläche zahlt die Stadt diese Gebühr, allein für Straßen sind im Jahr 8,4 Mio Euro fällig, damit das Regenwasser in die Kanalisation fließen kann. Sparen wollte die Stadt die Summe durch den Neuabschluss eines Vertrags mit der HWA, was allerdings nicht möglich ist – und dadurch auch die Sparsumme nicht erzielt werden kann. Finanzdezernent Egbert Geier versuchte zwar, die Räte umzustimmen. So plane man, die Oberflächenentwässerung aus dem Stadtwerkekonzern in eine gewerbliche GmbH auszugliedern. So könnte man sich zumindest die Umsatzsteuer zurückholen. Die Mehrheit der Räte konnte er damit nicht überzeugen.

Bereits vor dem Beschluss hatte die Verwaltung von sich aus eingearbeitet, die von der HWG zu erbringenden Konsolidierungsbeiträge zu verschieben. Wegen der Finanzkrise sind derzeit nicht die Einnahmen zu erzielen, die erwartet worden waren. 15 Mio. Euro soll die Hallesche Wohnungsgesellschaft in diesem Jahr beisteuern, im nächsten Jahr sind es 7,6 Mio. Euro. Die komplette Summe soll aber weiterhin bis 2012 erbracht werden. Studenten, die ihren Hauptwohnsitz in Halle anmelden, sollen einmalig die Semestergebühren und das Semesterticket erstattet bekommen, heißt es in einem SPD-Antrag. Dadurch erhofft man sich höhere Landeszuweisungen durch steigende Einwohnerzahlen. Die Stadt rechnet damit, dass rund 1.500 Studenten von dem Angebot Gebrauch machen. Rund 250.000 Euro müsste die Stadt zunächst einmal investieren. Ab 2011 würde sich das aber in finanziellen Zuwendungen vom Bund auswirken. Auch diesen Vorschlag, er war von der SPD gekommen, hatte die Verwaltung bereits eingearbeitet.

Ebenfalls eingearbeitet ist die Streichliste der Freiwilligen Leistungen. 3.747.500 Euro weniger als im letzten Jahr werden ausgegeben. Die Sparvorschläge der Verwaltung hatten um 300.000 Euro höher gelegen. Weniger Geld bekommen unter anderem das Schulumweltzentrum Franzigmark, die Volkshochschule, 400.000 Euro weniger will die Stadt im Bereich Förderung der Jugendhilfe ausgeben, 200.000 Euro sind es bei der Förderung der Wohlfahrtspflege. Auch Brunnen sollen künftig weniger oft sprudeln.

Dem Beschluss vorausgegangen waren in der Sitzung die Haushaltsreden von Verwaltung und Fraktionen. “Wir sind im verflixten 7. Jahr der Haushaltskonsolidierung”, sagte Finanzdezernent Egbert Geier. Er hob hervor, dass seit 2002 rund 98 Mio. Euro der Konsolidierungssumme hätten haushaltswirksam umgesetzt werden können. Auch die Ziele für 2008 seien erreicht worden, die Summe sogar um 3,6 Mio Euro besser ausgefallen als erwartet, nicht zuletzt zurückzuführen auf die Haushaltssperre. In diesem Jahr jedoch steigt das Minus um 23,9 Mio Euro. Ursprünglich geplant waren 6,9 Millionen. Geier führt das vor allem auf die Kommunalisierung von Aufgaben zurück, ohne dass die Städte mehr Geld bekommen würden. Neue Gesetze würden zu einem höheren bürokratischen Verwaltungsaufwand führen, die Tarife im öffentlichen Dienst seien gestiegen und die Stadt-Umland-Frage noch nicht geklärt. Doch Geier hält am großen Ziel fest, den Haushalt bis 2012 ausgeglichen zu haben. Verwaltung und Stadtrat sollten ein gemeinsames Streben nach geordneten Finanzen haben, sie sei auch eine Imagefrage der Stadt, ob dauernd nur über finanzielle Probleme von Halle geredet werden. Gegensteuern will Geier mit einem neuen Haushaltskonsolidierungskonzept vier. Dieses werde eine Prozess- und produktorientierte Ausrichtung haben. So sollen bürokratische Abläufe optimiert werden, Prozesse durch Benchmarking verbessert werden. “Ein großes Mammutvorhaben”, so Geier. Der Kämmerer warb noch einmal um Zustimmung zum Haushaltsentwurf, “damit die Bemühungen in den Ausschüssen Früchte tragen und Vereine wieder Planungssicherheit haben.” Die 24 Ausschusssitzungen der letzten zwei Monate hätten gezeigt, dass Kommunikation und Transparenz genauso wichtig seien wie die Zahlen selbst.

Etwas erstaunt von der Rede Geiers war Bernhard Bönisch (CDU). Immerhin hatte er Benchmarking und andere Maßnahmen bereits lange gefordert. Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten sieht vor allem innehalten der Verwaltung, zum Beispiel bei den Personalkosten, noch Einsparpotentiale. Bei der Kultur sei man zwar etwas üppiger ausgestattet als vergleichbare Städte. “Aber hier kann man ab und zu Highlights setzen, mit denen man überregional Aufmerksamkeit erlangt”, so Bönisch. “Das sollten wir uns etwas kosten lassen.” Weitere Einsparungen im Sportbereich hält Bönisch für “frevelhaft”. Nachdem sich die CDU im Finanzausschuss der Stimme enthielt, sagte Bönisch für die Abschlussabstimmung ein Ja zu, sofern die Änderungsanträge einfließen. “Denn ohne gültigen Haushalt kann die Verwaltung allein entscheiden, für was sie Geld ausgibt.”

Sabine Wolff vom Neuen Forum bemängelte, dass es in Halle kein mittel- bis langfristiges Konzept zum Schuldenabbau gibt. Daneben seien erneut im Haushalt die Leistungen nicht in voller Höhe eingestellt, was zwangsläufig wieder am Jahresende zu überplanmäßigen Ausgaben führen. Sie selbst werde sich am Streichkonzert bei den Freiwilligen Leistungen nicht länger beteiligen, “Wenn wir bei den Freiwilligen Leistungen kürzen, werden sich die Pflichtaufgaben erhöhen.” Eine Chance hätte für Sabine Wolff im Verkauf städtischer Wohnungen gelegen. “Wir verstehen bis heute nicht, wozu eine Stadt wie Halle 23.000 Wohnungen vorhalten muss.”

Tom Wolter hatte es als Sprecher der Fraktionsgemeinschaft Wir für Halle, Bündnis 90/Grüne, Mitbürger nicht leicht. Immerhin gibt es bei den so genannten “Bunten” unterschiedliche Auffassungen zum Haushalt. Wir für Halle will zustimmen, die Mitbürger sind dagegen und bei den Grünen waren die Signale noch nicht so ganz klar. Wolter hob die Kommunikationsprobleme der Beratungen hervor. “Es scheint so, als ob die Verwaltung andere Auffassungen als Angriff auf die eigene Kompetenz ansieht.” Wolter sprach von einem Missverhältnis von Politik, Verwaltung und Bürger.

Johannes Krause (SPD) sah die Haushaltsberatungen bereits vom bevorstehenden Wahlkampf überschattet. Er selbst und seine Fraktion halten den Haushalt für “verantwortbar und seriös”. Die SPD halte nichts davon, heute schwierigen Entscheidungen bei den Freiwilligen Leistungen auszuweichen, “wenn morgen der Preis in noch mehr Verzicht besteht.” Auch künftig werde in Halle weiter gespart werden müssen, die Ausgaben vermindert werden. Davon hänge die zukünftige Handlungsfähigkeit der Stadt ab.

Der Fraktionsvorsitzender der Linken, Bodo Meerheim, machte darauf aufmerksam, dass er bereits zur Einbringung des Haushalts ein solch hohes Defizit angekündigt habe und gleichzeitig einen Haushaltsbeschluss im Dezember für unrealistisch hielt. Dazu sei es ja nun auch gekommen. Das Konzept der Verwaltung hält er für noch immer nicht rund. Minderausgaben bei den Kosten der Unterkunft und den Schwangerschaftsurlaub von Mitarbeiterinnen für die Haushaltskonsolidierung heranzuziehen hält er für den falschen Weg. Spätestens im nächsten Jahr seien die Kosten wieder da. “Offenbar ist man in der Verwaltung aber nur am Haushalt 2009 interessiert.” Kritisiert hat Meerheim auch das Festhalten an dem “magischen Datum 2012” zum Haushaltsausgleich. Eine Streckung des Konsolidierungszeitraums wäre besser gewesen, um den Druck herauszunehmen.

“Tränenden Auges” habe man einige Kürzungen im Freiwilligen Bereich beschlossen, sagte Hans-Dieter Wöllenweber (FDP) in seiner Haushaltsrede. Das Streichen freiwilliger Leistungen dürfe jedoch immer nur das letzte Mittel sein. Viel mehr müsse die Verwaltung gucken, ob man Pflichtaufgaben günstiger erledigen könne. Kritik übte Wöllenweber an einigen vorangegangenen Ausschusssitzungen. Die aggressive Art in den Diskussionen haben ihn gestört. “War das nun Frust oder schon Wahlkampf?” Unverständnis äußerte Wöllenweber, dass trotz sinkender Einwohnerzahlen immer wieder Stellen in der Stadtverwaltung ausgeschrieben werden.

Eine Rundum-Kritik übte Professor Dieter Schuh. Seit 15 Jahren sei er im Stadtrat, in all den Jahren war der Haushalt noch nie ausgeglichen. Dem Haushalt werde er wie in den letzten Jahren nicht zustimmen, weil die Stadt keine Lösungen zum Abbau des strukturellen Defizits aufweisen kann. “Wenn das Schuldenproblem nicht gelöst wird, kann der Haushalt nie gesunden.”

Zum Abschluss der Beratungen meldete sich auch Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados zu Wort, die noch einmal für einen Beschluss warb. Werde der Haushalt abgelehnt, dann werde es zu einer Streichorgie kommen. “Wir werden dann nur noch das genehmigen, was unabdingbar nötig ist.” Bedauert hat Szabados, dass niemand ein Lob an die Verwaltung zum Haushalt 2008 gerichtet hat. Immerhin sei es hier gelungen, alle Vorgaben einzuhalten und das Ergebnis sogar zu verbessern.