“Der Sozialismus hat unserem Leben gesellschaftliche Bedeutung gegeben”

von 1. Oktober 2009

Vor 20 Jahren fiel die Mauer, das Leben der Deutschen änderte sich. Ost und West waren nicht mehr physikalisch getrennt. Seit Donnerstag erinnert die Sonderausstellung “Ohnmacht und Erneuerung. Die friedliche Revolution an der Martin-Luther-Universität” im Löwengebäude der Uni Halle an die Jahreszeiten der Wende – vom Sommer 1989 über den Herbst und Winter bis zum Frühling 1990. Anspruch darauf, lückenlos und vollständig die Ereignisse von damals darzustellen, erhebt die Ausstellung nicht. Sie soll vielmehr durch typische Eindrücke und Einblicke der Verlauf der friedlichen Revolution an der halleschen Universität greifbar machen.

Unter anderem mit Zeitungsausschnitten. So können Besucher noch einmal nachlesen, wie Freiheit und Unizeitung über die damaligen Ereignisse berichteten. Letztere schrieb über den 40. Jahrestag der DDR und ein dazu stattfindendes festliches Konzil “Der Sozialismus hat unserem Leben gesellschaftliche Bedeutung gegeben”, direkt darunter ist der Artikel “Handeln als Kommunist“ zu finden. Wenige Wochen später finden sich andere Texte, da ist von Mitmachforen die Rede, Parteisekretäre erklären sich. Nachlesbar in der Schau ist auch der damalige Aufruf des Neuen Forums. Fotos, Videos, Aktennotizen, DDR-Auszeichnungen, Transparente der friedlichen Proteste – die Schau erweist sich als gute Ergänzung zur aktuell laufenden Ausstellung im Stadtmuseum. Die Betroffenheit wolle man den jungen Leuten von heute vermitteln, erklärte Uni-Rektor Wulf Diepenbrock zur Eröffnung der Ausstellung.

Im Mittelpunkt der Schau: die Ereignisse an der Uni. Dargestellt werden soll, wie der Freiheitsgedanke auf die Universität übersprang, und wie die Demokratisierung in den Strukturen der Hochschule einsetzte. An der Uni häuften sich damals die "besonderen Vorkommnisse" wie das Verlassen der DDR, parallel zu den Protesten und Demonstrationen, die im ganzen Land stattfanden. Im Herbst 89 bildeten sich Gruppen parteiloser Universitätsangehöriger, die sich für grundsätzliche Veränderungen einsetzten. Im Oktober wurde die "Initiativgruppe zur Erneuerung der Universität" gegründet. Der Umbruch im Winter mit dem Fall der Berliner Mauer brachte auch den offenen freien Dialog an die Universität. Die "Initiativgruppe" lud alle Universitätsangehörigen zur ersten nicht "von oben" angeordneten Vollversammlung ein. Mit dem erneuernden Frühling begann auch an der Universität eine neue Zeit. Ein Besuch der "Initiativgruppe" an der Phillipps-Universität in Marburg brachte neue Vorstellungen von der Struktur einer Universität. Neben der Aufarbeitung der Vergangenheit wurden bereits klare Forderungen für die strukturelle und personelle Erneuerung gestellt. Der Weg von der Ohnmacht zur Erneuerung an der halleschen Universität soll durch die "Jahreszeiten" der Veränderungen anschaulich gemacht werden.

Auch der Uniplatz war damals einer der Orte der Wende. Er ist auch jetzt in die Ausstellung eingebunden. Ein symbolischer Runder Tisch steht vor dem Löwengebäude. Gestalter ist der renommierte Grafiker und Designer Lutz Grumbach. Die Stahlkonstruktion hat einen Durchmesser von sechs Metern und soll nicht nur als Blickfang auf die Ausstellung aufmerksam machen. "Diese Installation auf einem öffentlichen Platz wie dem Universitätsplatz soll auch die Bedeutung der Diskussionen an den Runden Tischen symbolhaft darstellen", so Kustos Ralf-Torsten Speler.

Geöffnet ist die Schau bis 15. November immer Dienstag bis Freitag von 11 bis 13 und 14 bis 18 Uhr sowie Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Parallel zur Ausstellung gibt es eine Vortragreihe zu verschieden Themen der politischen Wende 1989/90. Jeweils donnerstags um 18 Uhr werden an fünf Terminen Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse dem interessierten Publikum präsentieren.

Die Vorträge finden Sie auf Seite 2. Dort sind auch weitere Bilder aus der Schau zu sehen:

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8.10.2009 – Hörsaal XIVa/b
Dr. med. Horst Hennig, Generalarzt a. D., Köln "Wie kam ein hallescher Student nach Workuta?"

15.10.2009 – Hörsaal XII
Dipl.-Ing. Detlef Vreisleben, Köln
"Technik des MfS"

22.10.2009 – Hörsaal XIII
Dr. Petra Hoffmann, Halle
"Von der Montagsdemo zur Demokratie. Tagebuchnotizen 1989/1990"

12.11.2009 – Hörsaal XIII
Dr. Sibylle Gerstengarbe, Halle
"Opposition, Widerstand und Verfolgung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in den Jahren
1945 bis 1961"

15.11.2009 – Hörsaal XIII
Dr. Steffen Reichert, Halle
"Operationsgebiet Campus. Die Überwachung der Martin-Luther-Universität durch die Staatssicherheit"