Die Probleme potenzieren den Lustfaktor

von 14. Februar 2011

Mit der kommenden Spielzeit tritt der Schauspieler und Regisseur Mathias Brenner seine Intendanz am Neuen Theater in Halle (Saale) an. HalleForum.de traf ihn in Rostock, wo er derzeit Fontanes „Effi Briest“ inszeniert.

Matthias Brenner, auf der Kulturinsel Halle stehen fünf Bühnen unter dem Dach einer GmbH. Ein Zukunftsmodell?

Das hoffe ich! Jede dieser Bühnen hat sich profiliert und ihre Eigenständigkeit bewiesen. Nach dem Abschluss des Haustarifvertrages sieht es auch für das Thalia-Theater wieder besser aus. Deshalb wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, die Reset-Taste zu drücken und die Streitereien zu beenden. Damit wir zwischen den Hallenser Bühnen endlich zu einer produktiven Kommunikationskultur kommen.

Belebt denn nicht die Konkurrenz das Geschäft?

Doch, das tut sie. Die Zuschauer stimmen auch nach wie vor mit den Füßen ab. Es hat aber keinen Sinn, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Deshalb müssen die Programme und Themen der Bühnen aufeinander abgestimmt sein. Das tun wir gerade. So eine Zusammenarbeit heißt aber auch, dass wir uns den Sparzwängen gemeinsam stellen müssen.

Was heißt das genau?

Ich weiß, dass die Branche das nicht gern hört. Aber es ist nun einmal so: Wir können uns dieser sehr komplexen und schwierigen Finanzsituation nicht verschließen. Wir müssen sparen. Das Sparen muss aber ein Ziel haben. Und das sollte heißen: Erhalt der drei Häuser. Ich möchte dabei lieber beim Material oder bei den Büroeinrichtungen sparen als bei den Menschen. Und ich will mich nicht immer vom Geld abhängig machen, es gibt auch noch andere Möglichkeiten und Kanäle, mit denen wir in der Stadt kommunizieren können.

Hört sich immer noch kompliziert an.

Ist es auch. Seit ich vor einem Jahr die Berufung bekommen habe, sind auch immer wieder neue Probleme aufgetaucht. Aber die haben den Lustfaktor für mich nur potenziert. Wir haben mit dem Neuen Theater ein tolles Haus, eine Begegnungsstätte mit Kneipen, mit Zuschauertresen, mit den Spielstätten… Wir sollten lernen, diese Immobilie so zu nutzen, wie sie gedacht war: zur Kommunikation. Untereinander und mit dem Publikum.

Der bisherige Intendant Christoph Werner bleibt als Wieder-Intendant der Puppenbühne sozusagen am Haus. Ist das ein Problem?

Es heißt ja: Die beiden Hauptfeinde des Intendanten sind sein Vorgänger und sein Nachfolger. Aber das ist in meinen Fall ganz anders. Christoph hat mich eingeladen, auch die letzte Inszenierung seiner Spielzeit zu übernehmen. Ich inszeniere als Gast mit dem neuen Ensemble schon vor dem offiziellen Beginn meiner Amtszeit. Ein besserer Start ist kaum vorstellbar.

Sie bringen ein neues Ensemble mit?

Mit „neuem Ensemble“ meine ich das neu gemischte Ensemble. Ich bringe einige neue Schauspieler mit, das stimmt. Aber ich bin kein Freund von reinen Tischen: Jetzt komm ich und mache alles neu! Ich baue lieber auf dem Bestehenden auf, das ist der natürliche Weg.

Was inszenieren Sie?

Eine Uraufführung, Anfang Mai hat sie Premiere: „Zscherben – ein Dorf nimmt ab“. Jörg Steinberg hat es geschrieben, aber wir arbeiten noch am Skript. Ein sterbendes Dorf – die Hallenser kennen es – lässt sich auf eine Diät-Wette mit einem Fernsehsender ein, um sich zu retten. Aber es geht ihm damit natürlich nicht nur gut. Es wird ein Volksstück.

Volksstück! Sie schmeißen sich ja ganz schön ran…

Wir sehen schon dem Volk aufs Maul, aber wir kriechen ihm nicht in den Arsch. Genau diese Gratwanderung ist ja auch das Thema des Stücks: Was ist man bereit, für die Quote zu tun? Wann beginnt die Selbstverleugnung? Und wie merkt man, wenn es soweit ist?

Werden Sie auch als Intendant weiter inszenieren?

Das war ein beiderseitiger Wunsch: Die GmbH wollte einen inszenierenden, sozusagen praktizierenden Intendanten und ich will mich natürlich auch weiter künstlerisch äußern. Das gehört auch einfach zu meiner Persönlichkeit.

Was reizt Sie mehr an diesem Job? Das Theater oder die Stadt?

Das Theater ist eine interessante Größe in dieser Stadt. Diese Beziehung reizt mich. Ich kenne auch viele der neuen Kollegen. Gar nicht mal von der Arbeit, eher aus persönlichen Beziehungen. Ich habe Halle also immer umkreist, aber noch nie dort gearbeitet. Auch als Intendant bin ich ein unbeschriebenes Blatt. Insofern ist es so etwas wie Schicksal, dass ich bald dort leben werde. An diesem Theater und in dieser Stadt.

Matthias Brenner, vielen Dank für das Gespräch.

Text & Fotos: Frank Schlößer