Johannes Gabriel im Gespräch zum Sommertheater auf der Oberburg Giebichenstein

von 12. Juli 2011

Ab dem 21. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 wird auf der Oberburg der Burg Giebichenstein in Halle (Saale) das wüste Land beackert. Tankred Dorsts Bearbeitung des MERLIN-Themas – nun in der Manier luftiger Sommertheateratmosphäre. Der schon einmal zehn Jahre in Halle beheimatete Johannes Gabriel, in Russland Schauspielsuperstar, Hörbuchproduzent, Sprecher und Fleißarbeiter im hiesigen Schauspiel – ist der Mordred. Finster, funkelnd und bitterböse. Volly Tanner traf den Halle-Heimkehrer zum Plausch. Und Johannes Gabriel war in bester Erzähllaune:

Hallo Johannes. Du bist ein bekanntes Filmgesicht. Tatort, Hallo Robbie – aber auch richtige Filme, sowie Großproduktionen im tiefsten Russland en masse pflastern Deinen Weg. Diesen Sommer gibt es Dich als Bösling in Tankred Dorsts Merlin oder Das wüste Land auf der Oberburg Giebichenstein zu Halle. Schon aufgeregt? Geht die Muffe? Schließlich heißt Sommertheater ja auch sofortiger Publikumskontakt.

Die Aufregung kommt immer kurz vor der Vorstellung. Da kann es schon mal passieren, dass man sich fragt, warum man ausgerechnet diesen Beruf gewählt hat. Sobald das Stück aber läuft, ist alles wie vergessen und die Antwort auf jene Frage erhält man beim Applaus. Besonders beim Sommertheater, wenn man an einem lauen Abend das Publikum (wie ich hoffe, sehr gut!) unterhalten hat, ist eine ganz besondere Stimmung zu spüren, die einen die Welt umarmen lässt.

Zwischen 1995 und 2005 warst Du in Halle schon am Neuen Theater unter Peter Sodann im Ensemble. Mit Merlin kommst Du sozusagen nach Hause nach Halle. War Halle zu Hause?

Auf jeden Fall! Es gibt so viele schöne Erinnerungen, die mich mit dieser Stadt verbinden. Schließlich sind zehn Jahre ja schon ein Lebensabschnitt. Viele großartige Inszenierungen am NT, die wir dem Publikum bieten konnten. Mein Sohn wurde hier geboren. Ich war während der Proben in einer Pause auf der Peißnitz, dort hatte er Fahrrad fahren gelernt, auf der Saale waren wir paddeln und haben versucht, die Nutrias zu fangen, und und und. Ich hatte eine gute Zeit in Halle.

Das Schaustelle-Halle-Team ging ja nahtlos aus der Theatrale Halle hervor, wenn ich richtig informiert bin. Ist das der Weg, der neue? Statt festen Häusern freie Gruppen, die allerorten durch die Lande ziehen, wie damals die Neuberin?

Wenn sich der Trend fortsetzt, dass den Kommunen, um Geld zu sparen, als erstes der Einschnitt im Bereich der Kultur in den Sinn kommt – dann wird das sicherlich die Zukunft sein. Es gibt immer weniger feste Stellen an Schauspielhäusern, Ensembles werden bis ran an den Kahlschlag reduziert oder Häuser ganz geschlossen. Da ist es doch klar, dass sich eine freie Szene entwickelt, die auf unkonventionelle Weise versucht, sich ihr Publikum zu erobern. Noch bin ich aber optimistisch, dass es ein fest verankertes Kulturverständnis in Deutschland gibt. Auch die freie Szene wird ja – wenn auch sehr gering – gefördert. Wir werden sehen – die Hoffnung stirbt zuletzt…

Das Thema Merlin wurde ja schon des Öfteren bearbeitet – bis hin zum Merlin-Musical, einer gar schröcklichen Krawallshow in der Arena Leipzig. Gibt es bei Euch auch einfach nur Effekt auf Effekt? Oder gibt es Hintersinn? Tankred Dorst ist ja nicht unbedingt Mario Barth.

Der MERLIN von Tankret Dorst kommt als ein apokalyptisches Untergangsszenario von Weltrang daher, ein "dramatisches Emblem der gesamten Kultur-, ja Menschheitsentwicklung"! Unser Problem bestand also eher darin, all diesen Hintersinn auf einer humorvollen Basis nicht allzu ernst zu nehmen. Wir möchten keine ausweglose Tragödie erzählen. Wir mussten aus diesem großen Epos auch ganze Erzählstränge herausnehmen, wie etwa die Geschichte Parzivals. Aber ich denke, wir sind nun bei einer Fassung angekommen, die immer noch viele Fragen stellt, aber durchaus auch sehr unterhaltsam mit den Augen zwinkert.

Dorsts Merlin hatte 1981 – noch während des Kalten Krieges – Uraufführung in Düsseldorf. Was kann das Stück uns heute noch sagen. Sind die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht völlig anders? Die Tafelrunde war der Versuch einer neuen und gerechteren Gesellschaftsordnung – leider scheiterte der Versuch. Woran jedoch? Und sind die Gründe des Scheiterns auf Heute übertragbar, Deiner Meinung nach? [b]

Für uns im Osten sind die Verhältnisse natürlich völlig anders. Wir sind jetzt in der Demokratie angekommen, was Churchill als die "schlechteste Staatsform – außer alle anderen!" bezeichnete. Aber auch die Tafelrunde – der berühmte runde Tisch, von dem es gerade zu Wendezeiten so viele gab – kommt an ihre Grenzen. Das ist höchst aktuell! Wir haben viele ungeklärte Fragen, befinden uns im Krieg, haben mit Partikulärinteressen zu kämpfen, die am Gemeinwesen zerren, Lobbyisten und Gewinnler, Arme und Reiche, große Verteilungsprobleme. Das war 1981 im Westen nicht anders. Und dann gibt es noch Liebe, Hass, Zweifel und Verrat – das ist zeitlos!

[b]Euer Merlin ist eine wohltuende Kooperation zwischen Halle und Leipzig. Wie war die Zusammenarbeit?

Eine Wohltat! Wir kannten und schätzten uns schon vorher als Kollegen, hatten aber bisher keine Gelegenheit zu einer konkreten Zusammenarbeit. Und es zeigt sich wieder einmal deutlich, wie anregend es sein kann, mal über den Tellerrand zu schauen, sich auf neue Optionen einzulassen. Die Schaustelle ist ja eine feste Institution in Halle. Wir Leipziger sind unter anderem in der Theaterturbine schon in einem Boot. Im Nachhinein kann ich gar nicht verstehen, warum es erst jetzt zu dieser Kooperation kam. Und ich hoffe und denke, dass dies auf jeden Fall nicht das letzte Mal sein wird. Da hat sich eine Tür geöffnet, hinter der ein großes Potential lauert!

Im Sommer liegen in Halle ja doch eher Würste auf dem Grill und Männer auf den Biergarnituren. Dazu blüht es allerorten in den Kleingärten, die ja auch bewässert werden müssen. Warum aber sollten die Menschen gerade zu Euren Aufführungen auf die Burg Giebichenstein kommen?

Ich denke, dass besonders die Aufführungsorte, an denen wir spielen – in Halle die Oberburg der Burg Giebichenstein – so phänomenal sind, dass das schon für einen Besuch reicht. Und als Alternative zum heimischen Grill? – Na gut, der braucht ja auch mal eine Pause. Ich kann auch nur wärmstens meine hervorragenden Kollegen ins Spiel bringen, mit denen ich zusammen arbeiten darf. Phantastische Schauspieler, die sich mit Lust, Humor und Kraft in die Arbeit stürzen. Und unseren Regisseur Stefan Ebeling, der es geschafft hat, einen Zauber zu entwickeln, dem man sich nur schwer entziehen kann – wenn man denn da war.

Und was folgt? Geht es nach Merlin wieder nach Russland? Als Darsteller des „guten Deutschen“ scheinst Du ja prädestiniert. Obwohl – in Merlin bist Du ja der Böse – aber ein böser Angelsachse eben …

Ja, die Zukunft – die ist offen! Aus Russland habe ich noch keine konkrete Anfrage (auch wenn der Buschfunk klingt, als würde es mit einer dritten Staffel weitergehen). Nach wie vor arbeite ich in meinem MonophonStudio an der Produktion von Hörbüchern, Kurzgeschichten und Audio-Guides. Da hat sich gerade durch die viele Proben schon ein Häufchen angesammelt, an das ich dann mal ran muss und die Theaterturbine, bei der ich ja zum Ensemble gehöre, wird ja auch immer vielfältiger mit ihren Angeboten in Leipzig: MB, NATO, Tangomanie etc.

Danke, Johannes, für das Gespräch.
(Volly Tanner)