Streit um Edgar Allan Poe in Halle (Saale)

von 30. August 2009

(ens) Am Freitagabend wurde im Opernhaus in Halle (Saale) groß die Weltpremiere des Musicals “Edgar Allan Poe” gefeiert. Doch die Hauptperson fehlte. Der Komponist Eric Woolfson, von dem Buch und Musik stammen, blieb der Uraufführung fern. Dabei weilte der 64jährige bereits mehrere Tage in Halle. Doch Woolfson, der über 50 Millionen Platten unter anderem mit dem Alan Parson Project verkauft hat, ist mit der Inszenierung von Regisseur Frank Buecheler keinesfalls einverstanden, distanziert sich gar von der Produktion. “Das ist nicht das Stück, was ich geschrieben habe”, so Woolfson im Gespräch mit HalleForum.de. Während im Opernhaus 600 Premierengäste der Uraufführung beiwohnten, passte Woolfson auf seine anderthalbjährige Enkeltochter auf. Lediglich der Rest seiner Familie war bei der Premiere mit dabei. Auf der anschließenden Premierenfeier ließ sich Woolfson dann doch kurz blicken.

Doch was macht den 64jährigen Musiker so wütend? Eigentlich wollte er sich mit dem Musical einen Lebenstraum erfüllen. Immerhin beschäftigt er sich seit gut 40 Jahren mit den Texten des Ausnahmeliteraten Edgar Allan Poe und wollte dessen Leben detailgetreu auf der Bühne wiedergeben. “Im Vertrag steht, dass ich bei größeren Änderungen am Drehbuch informiert werde”, so Woolfson. Bei einem Besuch in Halle vor wenigen Wochen habe er dann das Gerücht gehört, dass Poe in dem Musical zum Schwulen gemacht werden solle. Penispumpen und sogar homoerotische Partys seien in dem Stück vorgesehen gewesen, schimpfte Woolfson über die Uminszenierung von Buecheler. Erst über die Kostümausstattung habe er dazu nähere Informationen erhalten. “Es gab dazu nichts auf Papier.”

Es folgten Probenbesuche, die Woolfson endgültig aus der Haut fahren ließen. “Da war alles falsch.” So sollte Mendelssohns Hochzeitsmarsch im Stück aufgeführt werden. Zudem seien fünf weitere Rollen hinzugekommen, die im Buch überhaupt nicht vorkommen. Auch drei streitende Poes hat Regisseur Buecheler eingefügt. Doch einen ganzen Durchlauf des Stückes bekam Woolfson weiterhin nicht zu sehen. “Sie haben ihre Planungen versteckt.“ Also wurden Krisentreffen einberufen. Selbst Rolf Stiska, Geschäftsführer der Kultur GmbH, habe ihm gegenüber erklärt, die Proben nie gesehen zu haben, so Woolfson im Gespräch mit HalleForum.de.

Auch ein Gespräch mit Regisseur Buecheler stand an. “Ich habe versucht ihn zu überzeugen, zurück zum Inhalt des Buches zu kommen”, erklärte Woolfson. Doch was folgte war eine E-Mail an den Gallissas-Verlag von Bettina Migge, die von Woolfson mit den Aufführungsrechten beauftragt worden. Darin habe sich Buecheler über ihn beschwert und als ”Wahnsinnigen” und “Spinner” tituliert, weiß Woolfson zu berichten. “Der Brief ist eine Unverschämtheit.” Immerhin folgte ein offizielles Entschuldigungsschreiben.

Der Graben zwischen den beiden Kontrahenten jedoch wurde immer tiefer und weiter. Woolfsons Forderung deshalb: der Regisseur muss ausgewechselt werden, worauf sich wiederum die Kultur GmbH nicht einließ. Zudem forderte Woolfson Änderung am Skript, hatte zahlreiche Wünsche eingereicht. Das jedoch habe Geschäftsführer Rolf Stiska abgelehnt. Die Premiere rückte immer näher, auch eine Gefährdung der Weltpremiere konnte nicht mehr ausgeschlossen werden, hatte doch Woolfson bereits Anwälte kontaktiert. Die Weltpremiere abzusagen – durchaus im Bereich des möglichen. Er habe dies jedoch nicht gemacht, um Halle damit zu schützen. Schließlich schaue die ganze Welt auf Halle. Und der Makel des Scheiterns wäre nicht auf Regisseur und Management gefallen, sondern eben auf Halle. Dabei ist Woolfson eigentlich stolz darauf, dass die Weltpremiere “seines” Stückes in Halle sein sollte. Schließlich ist Händel sein Lieblingskomponist.

Ursprünglich sollte die Weltpremiere im Admiralspalast in Berlin sein, auch dort mit Frank Buecheler als Regisseur. Doch dort hätte man vielleicht genauer hingeschaut, mutmaßte Woolfson. Eine deutliche Kritik am Management der halleschen Kultur GmbH. “Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Stiska das nicht gesehen hat.” Woolfson stellte sogleich die Verbindung zum Seemann Admiral Nelson her, der im Gefecht keine Signalflaggen gesehen hat – weil er das Fernrohr ans blinde Auge gehalten hatte

Und einen kleinen Teilerfolg konnte Woolfson doch noch feiern. Einige Passagen konnten noch umgeschrieben werden. Woolfson hatte dazu den bekannten Drehbuchautoren Karl-Heinz Freynick (Phantom der Oper) als neue Regisseur vorgeschlagen. Doch das lehnte die Oper ab. Lediglich als Berater wurde Freynick akzeptiert. Wohl auch nur widerspenstig, um die Premiere nicht zu gefährden. “Durch Freynick konnte noch viel verbessert werden, aber es war längst nicht alles in Ordnung.” Übrigens ist das keine Kritik an den Musikern und Schauspielern. “Der Cast war gut”, so Woolfson. An Stadt (Als Gesellschafter) und Mitarbeiter des Opernhauses gerichtet sagte der Musiker, sie sollten einen strengeren Blick werfen, was die Geschäftsführung in dem tollen Opernhaus macht.

Bereits zur Pressekonferenz mit regionaler und nationaler Presse am Donnerstag war Woolfson abwesend. “Ich wollte keinen Ärger machen, deshalb bin ich besser nicht hingegangen.”

Woolfsons Fazit: “es wurde die Chance verpasst, etwas international wirklich tolles zu machen.” Er habe ein Familienstück gewollt, Buecheler hingegen habe masturbierende Frauen auf die Bühne geholt …