SPD-Mehrheit für Polizei-Kennzeichnungspflicht

von 20. April 2012

In der Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt bahnt sich neuer Zoff an. Die SPD-Mitglieder sprachen sich in einem Mitgliederentscheid mehrheitlich für die Kennzeichnung von Polizisten bei Demonstrationseinsätzen aus. „Die Beteiligung ist grandios“, erklärte die SPD-Landesvorsitzende Katrin Budde . „Damit sind wir hoch zufrieden. Das zeigt, dass die Basis mitentscheiden will und den Mitgliederentscheid als Instrument der direkten Beteiligung in der Partei sehr gut annimmt.“ Im Ergebnis haben 931 Mitglieder für die Kennzeichnung votiert. 669 stimmten dagegen. 10 Stimmzettel waren ungültig. Damit spricht sich die SPD klar für die Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten in geschlossenen Einsätzen aus.„Der Mitgliederentscheid war spannend bis zum Schluss“, erklärte Katrin Budde. „Niemand von uns hätte vor der Auszählung sagen können, wie er ausgeht. Dazu waren die Diskussionen sowohl auf den Parteitagen als auch in den letzten Wochen in den Ortsvereinen viel zu kontrovers. Jetzt haben wir klares Votum und eine klare Position in der SPD.Wir werden auch als Landtagsfraktion die Kennzeichnungspflicht mit in die anstehenden Verhandlungen mit der CDU zum SOG (Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt) nehmen, auch wenn wir wissen, dass sie nicht im Koalitionsvertrag steht. In jedem Fall ist das Votum der Mitglieder eine Verpflichtung für kommende Wahlprogramme.“”Die CDU-Landtagsfraktion hat mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Koalitionspartner in einer so wichtigen Sicherheitsfrage eine Mitgliederbefragung benötigt hat, um seine Position zu bestimmen.“, erklärt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, André Schröder. „Der Standpunkt der CDU war unabhängig von der Selbstfindung in der SPD von Anfang an klar und hat sich mit dem nun vorliegenden Ergebnis nicht verändert. Wir sprechen uns weiterhin gegen eine Kennzeichnung von Polizeibeamten bei Großeinsätzen durch das Tragen von Namensschildern aus. Der Innenminister hat hierzu einen transparenten Vorschlag gemacht. Demnach wird es eine einheitliche Kennzeichnung der Einsatzhundertschaften, Züge und Polizeigruppen bei Großeinsätzen geben. Darüber hinaus tragen Polizisten im täglichen Polizeieinsatz Namensschilder. Eine weitergehende Kennzeichnung lehnen wir zum Schutz der Polizisten und ihrer Familien ab.“Die Grünen begrüßen die Entscheidung der Mehrheit der Sozialdemokraten. „Mit der Zustimmung zur individuellen Kennzeichnung für Polizisten und Polizistinnen, auch in geschlossenen Einheiten, sprechen sich die Mitglieder der SPD für einen effektiven Rechtsschutz von Bürgern und Bürgerinnen und für mehr Transparenz aus“, so der innenpolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Sebastian Striegel. „Die individuelle Kennzeichnung aller Polizeibeamtinnen und -beamten – ob durch Nummern oder Namensschilder – stärkt das Vertrauen der Bevölkerung in polizeiliches Handeln. Wo Aufklärung von umstrittenen Polizeieinsätzen notwendig ist, sorgt die Kennzeichnungspflicht dafür, dass niemand die gesamte Polizei unter Generalverdacht zu stellen braucht. Die SPD hat nun die Chance, das Ergebnis ihrer Mitgliederbefragung unmittelbar in parlamentarisches Handeln einfließen zu lassen. Der bündnisgrüne Gesetzentwurf zur Kennzeichnungspflicht steht demnächst zur Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Wir laden die Sozialdemokraten ein, nun gemeinsam mit uns für eine Umsetzung ihrer und unserer politischen Forderungen zu streiten. Wir laden auch die Polizeigewerkschaften ein, die gesellschaftliche Mehrheit für eine Kennzeichnungspflicht zu akzeptieren und am konkreten Gesetzentwurf eine gesetzliche Regelung zu erreichen, die dem Sicherheitsbedürfnis der Beamten und Beamtinnen ebenso Rechnung trägt, wie dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Transparenz!“Der grüne Landesvorsitzende Sebastian Lüdecke erklärte, „ich freue mich, dass die SPD bereit ist, sich stärker für Demokratie, Bürgerrechte und effizienten Rechtsschutz einzusetzen. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids muss nun Gegenstand konkreter Politik werden. Der Koalitionspartner der SPD, die CDU unter Ministerpräsident Haseloff muss –  nachdem sich drei von vier im Landtag vertretenen Parteien für eine verpflichtende Kennzeichnung ausgesprochen haben – ihre bürgerfeindliche Politik aufgeben. Statt widersinnige Vergleiche in die Welt zu setzen, sollte der Ministerpräsident seine Haltung zur Kennzeichnungspflicht endlich überdenken. Die Zustimmung einer deutlichen Mehrheit der Mitglieder der SPD entspricht dem im Beamtenrecht verankerten Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit. Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht ist eine menschen- und bürgerrechtliche Notwendigkeit. Mit ihrem Votum sprechen sich die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt für das aus, was in anderen SPD-geführten Bundesländern bereits Gang und Gäbe ist.“Die Mehrheit der SPD-Basis habe für eine Position ausgesprochen, die der der Koalitionspartnerin CDU diametral entgegensteht, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Gudrun Tiedge. „Hätte die SPD in den letzten Jahren öfters solche Befragungen durchgeführt, wären die  Ergebnisse vielleicht ähnlich gewesen. Kollegin Budde merkt an, dass die SPD-Position gegenüber der CDU nicht einklagbar sei. Wozu dann aber dieser Mitgliederentscheid? Zum Üben? Wer mit einer Partei koaliert, ohne dafür eine inhaltliche Basis, dafür aber endlos viele unverbindliche Formelkompromisse zu finden, landet in genau dem Dilemma, in das die SPD sich jetzt hineinmanövriert hat. Der Kollegin Budde ist viel Erfolg zu wünschen, wenn sie dies ihrer Basis zu erklären versucht. Die Position der LINKEN zur Kennzeichnungspflicht ist im Übrigen hinlänglich und seit langem bekannt und unverändert.“