Grass macht Wahlkampf für die SPD

von 16. September 2009

Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Und kurz vor der Bundestagswahl am 27. September trumpfen die Parteien noch einmal mit Prominenz auf. Die SPD um Johannes Krause konnte am Mittwoch im Volkspark den Schriftsteller Günter Grass begrüßen. Unter dem Titel ”Unterwegs von Deutschland nach Deutschland” ist er gerade auf so genannter “politischer Lesereise” durch den Osten Deutschlands. Anders ausgedrückt: eine Wahlkampfveranstaltung für die SPD. Nach einer kurzen Lesung aus seinem Tagebuch stand eine Fragerunde auf dem Programm. Der Fragesteller: Joahnnes Krause.

Und Grass gab den Sozialdemokraten neue Hoffnung mit auf den Weg. Heftige Kritik gab es außerdem an der Partei "Die Linke". Man dürfe nicht vergessen, wie mit Sozialdemokraten in der DDR umgesprungen worden sei, so Grass. Und genau die SED-Nachfolgepartei betrachte nun die SPD ist größten Feind. Er sei wütend, dass es die SPD zugelassen hatte, dass die PDS sich “demokratischen Sozialismus” stehlen kann. All die Kritik der Linken sei nur af Plakaten zu sehen. Er wolle einmal aus dem Munde von Gregor Gysi hören, was denn die DDR damals beim Einmarsch der Sowjetunion nach Afghanistan getan habe. Bei Mindestlohn hätten sich die Sozialdemokraten mit 7,50 Euro nicht durchsetzen können. Die Linken fordern gleich 10 Euro. “Da ist die Stufe zur Demagogie und zum Populismus erreicht“, sagte Grass unter dem Beifall der rund 500 Gäste. “Die SPD verhält sich gegenüber den Linken und deren Unverschämtheiten zu defensiv”, beklagte Grass. Gegen Koalitionen mit der SED-Nachfolgepartei auf Landesebene hat Grass übrigens nicht. Denn überall wo die Linken mitregieren müssten sie kleinere Brötchen backen.

20 Jahre nach dem Mauerfall blickte Grass auch zurück auf die Wende und die Dinge die schief gingen. So hätten die Ostdeutschen bis zur Wende die Hauptlast der Kriegswiedergutmachung tragen müssen. Ein notwendiger Lastenausgleich sei nie erfolgt. Stattdessen habe der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die Einheit mit Schulden und leeren Versprechen erkauft. Im Schlusspräambel des Grundgesetztes stehe zudem dass bei einer Wiedervereinigung eine Verfassung geschaffen werden müsse. “Die gibt es bis heute nicht.”

Ein großer Fehler sei es gewesen, die Treuhand keiner parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen. Da sei viel Kriminelles geschehen, was bis heute nicht aufgedeckt sei. Ein riesiger Enteignungsprozess von Volksvermögen habe durch die Treuhand stattgefunden, eine regelrechte Verscherbelung habe stattgefunden. Die D-Mark sei ohne Absicherungsmaßnahmen eingeführt worden. Mit dem Ende des Kommunismus habe der Kapitalismus gedacht sich alles erlauben zu können, es habe einen Rückfall von der sozialen Marktwirtschaft ins 19. Jahrhundert gegeben.

Dass die Bundeskulturstiftung in Halle sitzt, ist übrigens auch Günter Grass zu verdanken. Der hatte Anfang der 70er die Idee dazu, es stand auch in der Regierungserklärung drin. Doch erst mit Amtsantritt von Gerhard Schröder wurde die Idee verwirklicht. Und Grass’ Vorschlag setzte sich entgegen aller Widerstände und Fürsprecher für Berlin durch.

Grass ortete sich als Ulla-Schmidt-Fan. Die habe Standvermögen bewiesen und sich gegen die stärkste Lobby überhaupt aus “korrupten Ärzteverbänden, Pharmaindustrie und Krankenkassen” durchsetzen können. Ein bisschen Kritik an der FDP gab es auch noch. Immerhin habe gerade Westerwelle die Marktradikalität gepredigt, durch die die Wirtschaft jetzt in die Schieflage geraten ist. Eine schwarz-gelbe Koalition bedeute deshalb, “den Bock zum Gärtner machen”, sagte Grass. “Es ist ein Albtraum mir vorzustellen, dass Westerwelle der neue Außenminister wird.” Klar, einen FDP-Außenminister hat es auch schon mit Genscher gegeben. Der aber sei ein ganz anderes Kaliber.

Ansonsten bekam der Zuschauer noch zu hören, dass eine Diffamierung Adenauers an Willi Brandt ihn zur Politik brachte, er Brandt für seinen Kniefall in Warschau (Grass war dabei) bewundere, er die größten Gefahren für die Demokratie nicht in NPD und Terrorismus, sondern im Lobbyismus sehe

Eingeladen war auch der sächsische Dichter Thomas Rosenlöchner. Der stellte sich erstmals als Sozialdemokrat aus der SPD-Hochburg Sachsen vor. Danach informierte er kurz über seinen Kampf gegen den Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke, seinen diesbezüglichen Brief an Bundeskanzlerin Merkel (Ohne Antwort), eine Türkeireise im letzten Jahr und dem DSU-Sieg bei den Kommunalwahlen 1990. Demokratischen Sozialismus hätte man damals als SPD gewollt. Man habe nur nicht gewusst wie es geht. Dann kam ja alles doch ganz anders. Und Rosenlöchner hat sich damit arrangiert, denn jetzt gibt es “ordentlichen Wein.”

Zum Abschluss gab es noch ein Gedicht vom “Stargast”. Der redete darin über seine alte Danziger Heimat, und über die Ostseewelle. Die machen “blubb und Pfschhh” …