Hochkultur gegen asozialen Reichtum

von 12. März 2016

Den Anfang machte jedoch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Vor der riesigen Leinwand mit dem Spruch “Wer, wenn nicht wir!”, dem Bewerbungsslogan der Franckeschen Stiftungen um den UNESCO-Welterbe-Titel kritisierte er den “asozialen Reichtum” in Deutschland und die lahme Politik in Magdeburg. Reiner Haseloff regiere schon gefühlte 100 Jahre. Die Menschen könnten sich am 13. März 2016, ob es so weitergehen soll oder mit Wulf Gallert etwas Neues kommt, also mehr Demokratie, mehr Soziales und mehr Frieden. Bratsch kritisierte die CDU und die Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage. Die würden zwar von Fluchtursachen reden, diese aber nicht benennen. Es sei ein Skandal, dass Deutschland seinen finanziellen Verpflichtungen bei der internationalen Flüchtlingshilfe nicht oder erst spät nachgekommen ist. Zu den Ursachen für die Flucht gehörten auch die Rüstungsexporte. Seit 2002 seien allein nach Saudi Arabien Rüstungsgüter im Wert von 2,6 Milliarden Euro verkauft worden, also in eine mittelalterliche Diktatur, die Menschen köpft und den “Islamischen Staat” beliefert. Deutschland sollte, forderte Bartsch, statt einer Spitzenreiter bei Waffenexporten weltweit erster Verweigerer sein, wenigstens wenn es um Krisengebiete geht. Es handele sich um “blutige Profite der Konzerne”, während 80 Prozent der Menschen gegen Waffenexporte seien.

An der Stelle folgte “Hochkultur”: Dirk Zöllner. In seinem Lied “Einmal nur mit Dir” wollte er “eine Straßenschlacht anzetteln”, “die Kanzlerin von der Kanzel jagen, um sie dann nach Athen zu tragen”, “das Ozonloch mit Idioten füllen”, “Waffen bauen, die rückwärts fliegen” und “durcheinander vögeln”.

Nun waren Bike Bull und Petra Sitte am Zug. Sitte befand, 52 Prozent Zustimmung sind für einen Ministerpräsidenten nicht viel und trotzdem unbegreiflich viel für einen Niedrigenergiepolitiker wie Reiner Haseloff (CDU). Sitte erwähnte den Kampf gegen den Abbau von Kultur und Bildung und befand: Sich mit Haseloff herumärgern zu müssen, ist einfach unfair. Bull sprach vom “härtesten Wahlkampf überhaupt”. Sie kritisierte den Personalabbau im Land und forderte stattdessen eine Sozialstaatsinitiative: “Das heißt Investitionen in Bildung, Bildung, Bildung! Sachsen-Anhalt muss ein Bildungsland werden!” Sitte verwies dann noch auf eines ihrer Politikfelder: Frauen. Sie unterstützt die Initiative “Nein heißt nein!”, die sich mit der sexuellen Selbstbestimmung befasst. Dabei gehe es auch um die sexuelle Nötigung von Abhängigen am Arbeitsplatz. Mit Verwunderung habe sie aufgenommen, wie vehement sich die Universität Halle gegen entsprechende Gesetzesregelungen gewehrt habe.

Auf den politischen Small-Talk folgte eine Vision vom Ausgang der Wahl am 13. März 2016. Lars Johannsen vom Kabarett “Kugelblitze” übernahm diese Aufgabe und verlas die Nachrichten vom 14. März 2016: Die CDU hat schlecht abgeschnitten wegen des Auftritts von Horst Seehofer in Halle. Die Linke ist stärkste Partei geworden. Wulf Gallert, sagte dazu, er wolle, er werde und er könne vieles, müsse aber erst einmal Brücken bauen. Bei der Frage, wer denn nun der größte Frauenversteher sei, gab es Einspruch. Gysi sei der größere Frauenversteher. Beide, Gysi und Gallert lehnten es allerdings da, dass jetzt eine Frau das Ruder übernimmt. Gallert werde die Frau machen und dafür sogar seinen Schnauzer ablegen. Die Grünen haben ein zweistelliges Ergebnis eingefahren mit den Slogans “Wir rauchen uns das Land schön” und “Wir schlafen jetzt noch länger”. Für die FDP zieht Dieter Hallervorden in den Landtag. Seine erste Forderung: “Fritten in Flaschen!” Die AfD hat schlecht abgeschnitten, weil viele ihrer Wähler drei Kreuze auf dem Wahlzettel gemacht haben und ihre Stimme daher ungültig war. Außerdem haben AfD-Anhänger Wahlkabinen angezündet, weil sie die für Flüchtlingsunterkünfte hielten. Das Publikum lachte und beklatschte Johannsens Vortrag.

Mit Matthias Brenner, Intendant des Neuen Theaters Halle, betrat ein weiterer Künstler die Bühne der Linken. “Ich habe selten ein Land mit so viel Potenzial gesehen wie Sachsen-Anhalt.” Zur AfD erklärte er, deren komplettes Wahlprogramm gelesen zu haben. Sein Fazit: Diese Partei ist völlig spaßfrei und bedeutet Verelendung. Dann sprach Brenner von einem Linken, ohne dessen Namen zu nennen, der in Havelberg Flüchtlingen hilft. Anonym! Schon beim ersten Besuch des Heims seien an seinem Auto die Reifen zerstochen und eine Scheibe eingeschlagen worden. Von Bürgern! Brenner warb für den Spaß am Leben und sang als Anregung dazu, wie er sich das vorstellt das Trinklied vom Dichter und Anarchist Erich Mühsam (1878-1934): “Trinken! Trinken! Auf Leben und Sterben! / Leben! Leben! Auf Blut und Kuss! / Leert den Pokal, dann keilt ihn in Scherben! / Lebt euer Leben – und dann ein Schuss!” Beim Trinken stimmte auch Dirk Zöllner ein und sang mit Brenner: “Ich trinke nicht, weil es mir schlecht geht. Mir geht es einfach nur zu gut.”

Jetzt kamen die Direktkandidaten Hendrik Lange, Swen Knöchel, Sarah Heinemann und Henriette Quade. Knöchel sagte: “Das Geld, für das, was wir wollen, ist da.” In der Summe habe das Land zuletzt 500 Millionen Euro in Rückhand gehabt. Die jetzige Regierung habe Teile davon bis zum Jahr 2035 zurückgelegt, doch jetzt müsse gehandelt werden. Heinmann, die das erste Mal an der Wahlfront stand, will sich nach der Wahl erst einmal vom Wahlkampf erholen. Lange, sehr beleibt, wurde als Mann vorgestellt, der selbstironisch auf seine Wahlplakate schrieb: “Der Politik mehr Gewicht geben!” Die Linke werde die Kürzungen zurücknehmen, welche von der Landesregierung (CDU/SPD) vorgenommen wurden, und noch mehr junge Menschen nach Sachsen-Anhalt locken. Quade betont ihre Positionen solidarisch, weltoffen, antifaschistisch. Der Antifaschismus sei ein Grundwert und aktueller denn je. Die AfD wolle das Parlament missbrauchen.

“Nach 14 Jahren CDU herrschen Stillstand und Frust”, wurde schließlich der linke Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten, Wulf Gallert, angekündgt. Der begann mit einem Seitenhieb auf AfD und CDU. “Es ist die Frage, ob Sachsen noch ein sicheres Herkunftsland ist.” (Die AfD sitzt dort bereits im Landtag.) In Halle sei er gerne. Die Stadt atme Kultur, Debatte und Geisteshaltung. “Es geht um viel am Sonntag. Es geht um eine Richtungsentscheidung.” In allen anderen ostdeutschen Ländern war das Wirtschaftswachstum seit 2002 fünf Mal höher als in Sachsen-Anhalt, im Westen sogar zehn Mal höher. Thüringen zeige, wie eine linke Landesregierung (unter Bodo Ramelow) die Bremsen löst. Das Problem mit Haseloff sei, dass er nicht einmal zum Nachdenken über die Fehler bereit ist. “Dieser Ministerpräsident ist der Garant für Stillstand.” Die Landesregierung hat bei Bildung und Kultur schneller gestrichen, als es ihrer pessimistischen Prognose entsprochen hätte. Das sei ein fatales Signal gewesen, denn junge Menschen hätten sich gesagt, wenn selbst die Landesregierung nicht mehr an dieses Land glaubt, dann gehe ich woanders hin. Zurück zur Wahl: “Es geht um die Existenz dieser Gesellschaft.” Es gehe um entweder Ellenbogen, Diskriminierung und immer Mensch, die an den Rand gedrängt werden einerseits oder Weltoffenheit, Humanismus und Solidarität mit der Linken. Nichts stimme im AfD-Programm. Die AfD wolle den Spitzensteuersatz von 45 auf 25 Prozent senken, den Mindestlohn wieder abschaffen und Hartz IV-Empfänger zur Zwangsarbeit einsetzen. Diese Partei sei nicht nur ausländerfeindlich, sondern eine “Partei der sozialen Kälte”. “Sie steht gegen alles, was wir erreichen wollen.” Gallert appellierte an seine Zuhörer, mit jedem zu sprechen und zu zeigen, dass die AfD vor allem für die schlecht ist, die sich ihr aus berechtigtem Frust zuwenden. Haseloff habe einen großen Anteil an der AfD. “Die AfD will noch mehr Polarisierung.” Die Fragen der besorgten Menschen seien vielfach berechtigt, aber wenn sie was ändern wollten, dann müssten sie Die Linke wählen.

Alle haben gesprochen, nur einer nicht: Gregor Gysi, der ehemalige Chef der Bundestagsfraktion. Mit dem bekannten schelmischen Lächeln und einem Schuss Eitelkeit kokettierte der kleine Mann mit seiner Größe. Das Mikrofon sei mal wieder zu hoch. Was folgte, war eine Lehrstunde, wie der Star der Linken sie so gerne gibt. Die Flüchtlinge, begann er, zeigen auf, mit welchen Problemen wir es zu tun haben. Obergrenzen seien keine Lösung, denn alle anderen Länder haben dann auch Obergrenzen. Was aber, wenn dann ein Homosexueller aus Saudi Arabien an die Tür klopft. Wenn er nicht rein könne, erwarte ihn die Todesstrafe. “Wer hätte das gedacht, dass ich einmal Frau Merkel gegen ihre eigene Partei in Schutz nehme!?” Gysi wandte sich nun den Fluchtgründen zu: Nach dem Kalten Krieg gab es lauter heiße Kriege. In Jugoslawien habe der Westen den Völkerrechtsbruch angefangen. Ohne Völkerrecht aber gebe es kein internationales Recht. “Die starken Staaten machen, was sie wollen.” Gysi ging nun die arabische Welt durch. Saudi Arabien führe einen Krieg gegen Jordanien, einfach so. In Afghanistan wollte der Westen angeblich Al Kaida bekämpfen, doch die sind nur nach Pakistan umgezogen. “Das ist völlig irre, was wir da angerichtet haben in Afghanistan.” Im Irak sei eine Entstaatlichung passiert. Es habe drei sekularisierte Staaten gegeben: Irak, Libyen und Syrien. “Alle kaputt!” Zur Lage in Syrien: Die Bundesregierung lasse sich von Erdogan erpressen. Die USA kämpften gegen die ISIS, die erst durch sie entstanden und stark geworden sei. Die Türkei kämpfe gegen die Kurden. Die Türkei halte die Grenzen zu den Kurdengebieten geschlossen, zum Islamischen Staat offen. Russland wolle Assad halten. Es gebe gebe so viele Interessen Fremder in Syrien, dass Frieden nur durch die Einigung von Russland und den USA möglicch sei. Gysi forderte: Keine Rüstungsexporte nach Saudi Arabien. Mindestens! Mit Blick auf die Bundesregierung erklärte Gysi: “Nur wegen der Flüchtlinge erkennen sie Probleme, die es vorher schon gab.” Gysi verwies auf Millionen Hungertote in einer Welt, die ihre Menschen zwei Mal ernähren könnte. Er kritisierte die Agrarsubventionen der Europäischen Union, die EU-Butter in Marokko billiger mache, als dortige Butter. Die soziale Frage spitze sich dramatisch zu. Die 62 Reichsten hätten inzwischen so viel wie die 3,6 Milliarden ärmsten Menschen. Die klugen Reichen würden erkennen, dass sie ihre Existenz gefährden, wenn sie so weitermachen. Die Digitalisierung der Welt habe für fundamentale Veränderungen gesorgt. “Die Menschen in Afrika wissen jetzt, wie wir hier leben.”

Die Zöllner: “Nur mit Dir”

https://www.youtube.com/watch?v=F41ZyIzkH_s

DIE ZÖLLNER – Einmal nur mit Dir

www.youtube.com

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Jan van Aken – bei den Linken der Kritiker an Rüstungsexporten

http://www.waffenexporte.org/