Kostenloses Mittagessen ab Januar

von 28. September 2011

Kinder unter zwölf Jahren aus Hartz-IV-Familien erhalten ab 1. Januar 2012 in Halle (Saale) ein kostenloses Mittagessen. Mit 28 Ja-, 20 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen votierte der Stadtrat am Mittwoch mehrheitlich für einen Antrag von SPD, Linken und Grünen. Allerdings kündigte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados wegen der Haushaltslage der Stadt ihren Widerspruch an.

Bereits in der Vergangenheit hatte die Stadt über den HallePass Zuschüsse fürs Mittagessen bezahlt. Durch die Hartz-IV-Reform sind im Rahmen des Teilhabepakets auch Leistungen der Bundesregierung für das Mittagessen möglich. Einen Euro pro Essen müssen die Betroffenen selbst bezahlen. Diese Kosten soll nun die Stadt übernehmen. Rund 7.000 Kinder unter zwölf Jahren würden von dieser Regelung profitieren, die Stadt würde das 1,5 Millionen Euro im Jahr kosten.

Tom Wolter (MitBürger) verwies deshalb auf die Haushaltssituation und fragte, ob die Oberbürgermeisterin dagegen Widerspruch einlegen wolle. “Dieser Antrag ist angesichts der Haushaltssituation zwingend abzulehnen, so wünschenswert das sein mag. Wir sind in einer Haushaltssituation, wo wir uns das nicht leisten können”, machte Dagmar Szabados deutlich. Viel mehr hätte sie sich eine Bundesregelung gewünscht. “Wir dürfen nicht Ausfallbürge sein an Stellen, wo Gesetze nicht rund sind.” Mit einem nicht genehmigten Haushalt könne man dies derzeit nicht angehen. Sie gehe derzeit auch nicht davon aus, Anfang kommenden Jahres einen genehmigten Haushalt zu haben. “Dieser Beschluss darf nicht gefasst werden. Und wenn Sie ihn fassen, muss und werde ich in Widerspruch gehen.” Die antragstellenden Fraktionen hätten ein Problem festgestellt, machte Oliver Paulsen (Grüne) die Intention des Antrags deutlich. Auch in der jetzigen Haushaltssituation sei es nötig, Familien zu helfen. “Wir wollen damit den Kindern helfen.” Katja Raab (FDP) erklärte, man habe mit Blick auf die SPD Verständnis dafür, dass eine Partei Wahlkampfversprechen erfüllen wolle. Unverständlich sei, warum solche Ideen aus hochverschuldeten Städten kommen. Aus anderen Städten seien ihr nicht solche Vorhaben bekannt. Auch die vollständige kostenlose Bereitstellung von Mittagessen löse nicht das Grundproblem in den Familien, so Raab. Es würde auch reichen, wenn die Eltern ihre Prioritäten ändern würden. Ohne diesen städtischen Euro würden die Kinder nicht verhungern. Bodo Meerheim (Linke) warf Katja Raab Zynismus vor. Angesichts dessen habe die FDP es verdient, nicht mehr als zwei Prozent zu bekommen. Die Hartz-IV-Sätze seien nach wie vor zu gering, um die Bedürfnisse von Kindern zu erfüllen. Daran könne man auf lokaler Ebene grundsätzlich nichts ändern. Trotzdem sehe man sich als Kommunalpolitiker in der Pflicht zu helfen. Meerheim erklärte zudem, es gebe keinen einzigen Sachgrund in Widerspruch zu gehen. “Der Haushalt 2012 liegt noch gar nicht vor.” Zudem habe man bislang auch mit dem Hallepass Zuschüsse zum Mittagessen gewährt. “Wir machen Wahlversprechen um sie zu halten, weil wir die Not der Bedürftigen kennen”, machte Johannes Krause (SPD) deutlich. Die betroffenen Familien hätten oft sogar zwei oder drei betroffene Kinder. Dies mache je Kind 20 Euro zusätzlich im Monat, die erbracht werden müssen. “Und das tun die in der Regel nicht”, so Krause mit Blick auf seinen Besuch in einer sozialen Einrichtung. Oft würden diese Kinder von morgens bis nachmittags nichts zu essen bekommen. “Wir sehen die Not der Kinder”, sagte Krause. Die geplante Leistung komme direkt bei den betroffenen Kindern an, deshalb sei das Vorgehen richtig. “Ich bin überwältigt von den Argumenten”, warf Bernhard Bönisch zynisch in die Runde. Er nannte den Antrag “unsäglich”. Halle habe das Geld nicht. Im Antrag fehle der Deckungsvorschlag. Es gebe auch eine ganze Menge an Kindern, die nichts zu essen bekommen, die keine Hartz-IV-Empfänger seien. “Und die lassen Sie unter den Tisch fallen.” Ob Kinder etwas zu essen bekommen in der Schule sei keine Frage des Geldes. Bönisch sagte, in den Einrichtungen sei durchaus bekannt, welche Kinder hungrig kommen. Hier könne man im Einzelfall nachgehen. Der Antrag klinge erst einmal gut und alle, die ihn ablehnen, könnten in den Ruf geraten, etwas schlechtes für Kinder zu wollen, sagte CDU-Rat Werner Misch. Auch ohne die angespannte Haushaltslage würde er den Antrag ablehnen. “Ich habe Zeiten kennen gelernt, wo Hunger geherrscht hat.” Seitdem habe er eine andere Einstellung zum Umgang mit Lebensmitteln, so Misch. “Was machen wir wenn Kinder barfuß oder mit kaputten Sachen kommen? Machen wir dann auch eine Aktion, die Kinder von der Stadt einzukleiden.” Daraufhin erntete Misch Buh-Rufe aus der SPD-Fraktion. Raik Müller von der CDU erklärte, der Antrag sei in vielen Punkten unstimmig. Zudem würde er sich nur an Kinder bis zur vierten Klasse richten. Dumm seien laut Müller zudem die Familien, die sich selbst an den Herd stellen und kochen. “In Familien, wo diese Liebe nicht da ist, können Sie so viel Geld reinpumpen wie sie wollen, es wird nichts passieren”, so Müller. Auch Roland Hildebrandt (CDU) verwies auf die Haushaltsmisere der Stadt. “So ein Antrag ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Haushaltsmisere der Stadt selbst zuschreiben.” Der Deckungsvorschlag fehle, der Antrag sei unehrlich. Er verstehe nicht, warum es die CDU nicht schaffe, das Thema sachlich zu diskutieren, sagte Oliver Paulsen (Grüne). Die CDU investiere liebe in Beton statt in Bildung. So hätten die Christdemokraten in den Haushaltsberatungen ohne Deckungsvorschlag eine siebenstellige Summe für den Straßenbau gefordert, so Paulsen. Johannes Krause (SPD) erklärte zudem in Richtung CDU, die Antragssteller hätten mehrfach Deckungsvorschläge gebracht. An Werner Misch gerichtet sagte er, “Schuhe kann man nicht essen.” Andreas Schachtschneider (CDU) wies zurück, der CDU eine Sozialkompetenz abzusprechen. Schachtschneider verwies zudem auf Arbeiter, die weniger bekommen als Hartz-IV-Empfänger. Wenn der Essenszuschuss gewährt werden sollte, müsste woanders gestrichen werden, erklärte Schachtschneider. Denis Häder erklärte, er vermisse teilweise die Sachlichkeit in der Diskussion. So warf er Bodo Meerheim als Vorsitzenden des Finanzausschusses Sarkasmus vor. Die Diskussion sei unehrlich. “Wir sollten uns ehrlich in die Taschen und ins Portemonnaie der Stadt schauen und sagen, wir können es uns nicht leisten.” Fehler der Bundespolitik könnten nicht durch die Kommunen ausgeglichen werden, so Häder. Wichtiger sei es zudem, in die Sanierung von Schulen zu investieren. Harald Bartl sagte, die Lehrer sollten gestärkt werden. Diese wüssten, welcher Schüler Probleme hat und könnte diese an Hilfsorganisationen vermitteln. “Hier erreichen wir mehr Kinder als mit der Gießkanne.” Nach hitziger Diskussion wurde abgestimmt. 28 Räte votierten mit Ja (SPD, Linke, Grüne), 20 waren dagegen und zwei Räte enthielten sich (MitBürger/Neues Forum).