Scheiben: Verliert Neustadt sein Stadtzentrum?

von 13. Mai 2010

“Das Denkverbot ist vorbei”, diese Worte von Halles Stadtplanungsamts-Chef Jochem Lunebach im Gespräch mit HalleForum.de machen deutlich, dass im Umgang mit den Neustädter Scheiben-Hochhäusern ein Paradigmenwechsel einsetzt. Wollte sich bislang niemand eingestehen, dass man sich wohl möglicherweise von einigen der Hochhäuser trennen muss, darf nun offiziell auch über Abriss nachgedacht werden. Der Gestaltungsbeirat gab in seiner letzten (nichtöffentlichen) Sitzung den Impuls dazu. Öffentlich wollte man sich dazu bislang noch nicht äußern. Schließlich hoffte man ja doch noch auf eine Sanierung der Scheibe C durch das Land. Hoffnungen, die wohl umsonst waren.

Nun will die Stadt parallel zu einer Sanierung der Scheiben auch einen Abriss eines oder mehrerer Hochhäuser prüfen. “Wir haben in den letzten Jahren eine unglaublich positive Entwicklung in Neustadt gemacht. Aber es gibt noch den Makel der vier leer stehenden Scheiben”, erklärte Lunebach dem Planungsausschuss. “Wir halten eine Nachnutzung nach wie vor für richtig. Aber wir müssen auch die Augen für sinnvolle Alternativen öffnen.” Laut Lunebach habe man zunehmend mit Fassadenschäden zu kämpfen. Im Winter waren von einem Hochhaus bereits Teile nach unten gestürzt (HalleForum.de berichtete). Daneben verliere Neustadt dramatisch an Einwohnern. Im Jahr 2025 werden demnach nur noch 30.000 Einwohner im noch größten halleschen Stadtteil leben.

Der Gestaltungsbeirat schlägt ein dreistufiges Verfahren vor. Zunächst solle die öffentliche Diskussion angestoßen werden (was wohl hiermit passieren dürfte). Später soll es einen Ideenwettbewerb mit verschiedenen Planungsbüros geben, und im Anschluss soll es dann an die Konkretisierung der Ideen gehen. Laut Lunebach werde momentan eine Beschlussvorlage für den Stadtrat vorbereitet. Mit dem jetzt in gang gesetzten Prozess will Lunebach auch ein ähnliches Kommunikationsdesaster wie bei den Riebecktürmen verhindern, wie er HalleForum.de sagte.

Wie Neustadt ohne einen Teil der Hochhäuser aussehen könnte – eine Scheibe ist mit der ARGE und Büros belegt und dürfte damit nicht zur Disposition stehen – hat man im Stadtplanungsamt einmal erarbeitet. Falko Wendler stellte den Mitgliedern im Planungsausschuss bereits Fotomontagen vor. Das schlägt zum einen nur den Abriss der landeseigenen Scheibe C vor, weiterhin den Verzicht auf zwei Scheiben, so dass eine Sequenz aus drei noch bestehenden Scheiben entsteht. Doch auch der Verzicht auf vier der fünf Hochhäuser wurde bereits grafisch umgesetzt, ebenso wie eine Herabzonung auf weniger Etagen. “Die Scheibe sind ein Symbol, Sie sind das städtebauliche Rückgrat der Passage”, so Wendler. Im Ideenwettbewerb müsse es deshalb auch darum gehen, wie das Ensemble Neustädter Passage auch ohne die architektonisch wichtigen Scheiben fortbestehen könne.

Die fünf 18geschossigen Hochhäuser wurden 1970 bis 1975 gebaut. Sie dienten einst als Wohnheime für Studenten und Arbeiter und wurden nach schwedischem Vorbild gebaut.