Stadt will Innenstadt stärken

von 30. November 2009

Aussprechen wollte es direkt niemand. Doch die Richtung ist klar: Halle (Saale) wird sich in seiner künftigen Stadtentwicklung auf weitere drastische Einschnitte einstellen müssen. Möglicherweise wird man sich wohl auch von ganzen Stadtteilen trennen. Doch all das wird Bestandteil eines Masterplans zur Stadtentwicklung sein. Diesen will die Verwaltung bis 2011 dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorlegen.

Darauf haben sich die Teilnehmer der Klausurtagung „Strategiedialog zur Stadtentwicklung in Halle 2025“ geeinigt, die am Montag in der Villa Jühling stattfand. Unter den Teilnehmern waren neben Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados auch Vertreter von Wohnungsgesellschaften, Stadtwerken, HAVAG, Parteien und Verbänden sowie alle Beigeordneten. Ein Motto haben sich die Teilnehmer auch auferlegt: „Halle zieht an“.

Thema der Tagung: wie reagiert Halle auf den weiter fortschreitenden Einwohnerschwund. Immerhin sollen aktuellen Berechnungen zufolge im Jahr 2025 nur noch 203.000 Menschen in der Saalestadt wohnen. Ein Viertel davon in den Plattenbausiedlungen, die derzeit noch einen Anteil von 35 Prozent ausmachen. In den Masterplan sollen nun alle Belange einfließen. Dazu zählen notwendige Abrisse – immerhin sollen 20.000 überflüssige Wohnungen vom Markt genommen werden (90 % davon in DDR-Plattenbauvierteln) – aber auch Sportstätten, Schulen, Kitas und Verkehr. „Wir brauchen eine strategische Ausrichtung“, so Oberbürgermeisterin Szabados. „Wir müssen 2011 wissen, wie wir auf die schrumpfende Stadt reagieren.“

Grundlage des zu erarbeitenden Masterplans soll das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) sein. Das sieht bereits eine Stärkung der Innenstadt vor. Von den Rändern her soll die Stadt hingegen schrumpfen. Nun geht es darum auszuloten, wo der größte Handlungsbedarf besteht, wo in welchem Maße abgerissen oder aufgewertet wird. Und hier soll das Zusammenspiel der Arbeitsgruppe auch greifen. Michael Schädlich, Geschäftsführer des Instituts für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung in Halle, der die Veranstaltung moderierte, wurde etwas deutlicher: wenn die Sanierung einer Straßenbahntrasse anstehe, dann wolle die HAVAG natürlich auch wissen, ob sich die Millioneninvestition lohne. „Damit die HAVAG nicht 2 Millionen in eine Strecke investiert und 2028 merkt, dass sie nur noch zwei Rentner transportiert“, so Schädlich plakativ, aber doch auf den Punkt gebracht.

Über Stadtteile wollte Oberbürgermeisterin Szabados nicht reden. Doch den anwesenden war klar: hier ist wohl vor allem die Silberhöhe gemeint. Immerhin, das wurde den Teilnehmern der Tagung gesagt, soll die Einwohnerzahl der Silberhöhe von einst 39.000 und aktuell 14.000 auf nur noch fünf- bis siebentausend im Jahr 2025 sinken. Planungen berücksichtigen das bereits. So liegen in der Stadtverwaltung Planungen vor, die riesige Wendeschleife in der Südstadt aufzugeben. Stattdessen würden Straßenbahnen vom Böllberger Weg aus kommend direkt bis zur Veszpremer Straße und Paul-Suhr-Straße weiterfahren. Für Notfälle, beispielsweise bei Sperrungen, stünde eine neue Wendeschleife Eingangs der Veszpremer Straße zur Verfügung. Der Ast zur Silberhöhe könnte dann möglicherweise aufgegeben werden. Aber das sind alles Zukunftsspiele und keine Beschlüsse. Jetzt wird die Arbeitsgruppe im Masterplan versuchen, alle Belange unter einen Hut zu bringen.

Wie wichtig es ist, auch wirklich alle Akteure an den Tisch zu holen, zeigt auch die rechtliche Situation. Denn während man mit Hilfe von Bebauungsplänen bei Bauprojekte Einfluss nehmen kann, besteht diese Möglichkeit bei bestehenden Wohnsiedlungen nicht. „Wir haben keine rechtliche Möglichkeit zu sagen, wo abgerissen wird.“ Und so hofft die Stadt auf die Faktoren Zeit und Geld. Denn trotz weniger Einwohner in den Randgebieten gibt es dort noch immer die großen Straßen, die großen Versorgungsleitungen. Deren Unterhalt geht ins Geld, trifft die Mieter bei den Betriebskosten und könnte eben jene Gebiete uneffektiv machen. Weniger Einwohner bedeutet auch, weniger Mittel fließen in die entsprechenden Stadtteile. Sprich: weniger Geld für ein attraktives Umfeld. Auch ein Mittel zur Stadtplanung.