Schlangestehen an Halles Schätzen

von 11. September 2011

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Mit warmen Temperaturen hatte sich der Sommer am Sonntag noch einmal zurückgemeldet. Und die Hallenser nutzten das schöne Wetter rege für Ausflüge. Schließlich gab es in der Stadt zum Tag des offenen Denkmals auch eine Menge zu entdecken. HalleForum.de hat sich einmal ins Getümmel gestürzt und einige der Highlights besucht.

Trauriges gab es vom Haus in der Mansfelder Straße 59 zu erfahren. Wer das Gebäude von Außen sieht, ahnt nicht, welche Schätze sich im Inneren verbergen. Dazu gehören Parkettfußböden und Stuckdecken sowie eine Galerie in Richtung Hof. Einst gehört das gesamte Gelände der KPS. Das Immobilienunternehmen hatte tatsächlich große Pläne, ging aber pleite. Die Bank verkaufte das gesamte Areal an einen Spekulanten. Es folgten Abriss und die Schaffung von Parkplätzen auf den Nachbargrundstücken. Nun droht auch Haus Nummer 59 der endgültige Verfall und der Abriss. Die letzten Mieter werden das Haus verlassen. Auch deshalb hatten sie ihre Wohnung zum Tag des offenen Denkmals geöffnet, um die Hallenser wachzurütteln und zu zeigen welcher Schatz hier verloren geht. Sie habe sich jahrelang um das Haus bemüht, erklärte eine Mieterin. Doch der Eigentümer will 100.000 Euro für das dringend sanierungsbedürftige Ensemble.

Blicke in Halles Unterwelt gewährten die Stadtwerke. So konnte man sich den Abwasserkanal in der Huttenstraße anschauen. Und erstmals hatte das Unternehmen auch die Gerbersaale für Führungen geöffnet. Besucher erfuhren Interessantes über den mehr als 100 Jahre alten Kanal, der derzeit saniert wird. Teilweise bis zu zwei Stunden musste man anstehen. Die letzte Führung bekam dann auch hautnah mit, welchen Gefahren die Arbeiter hier unten ausgesetzt sind. Die Sirenen schrillten, ein Gewitterschauer spülte den Kanal binnen weniger Minuten voll.

Auch weitere Denkmäler waren zum ersten Mal geöffnet. Dazu zählt die Broihanschenke in Ammendorf. Das Haus wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut und gilt als ältestes erhaltenes Gasthaus in Halle. Außerdem war es ein beliebtes studentisches Ausflugslokal, in dessen Kellerräumen das kühle Broihanbier verzehrt wurde. Eine weitere Nutzung des Hauses bestand in der Zollstation an der Schafbrücke über die Weiße Elster. Hier verlief die alte Handelsstraße, auf der Napoleon 1806 schon entlang ritt. Das alte Gemäuer wird seit Jahren wieder Stück für Stück aufgebaut. Ab dem nächsten Frühjahr soll das Haus dauerhaft öffentlich zugänglich sein.

Regelrecht überrannt wurde das Team der Schauburg. Das Ensemble, dessen Anfänge 400 Jahre zurückliegen, war ebenfalls erstmals zum Denkmaltag geöffnet. Besucher bekamen zum Beispiel die weiße Marmortreppe zu Gesicht. Unterhalten wurden sie zudem mit einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm. Da wurde auch das Warten nicht so langweilig, denn bei den Führungen hieß es anstehen. Wegen des guten Zuspruchs wurden die Führungen halbstündlich und nicht wie zunächst vorgesehen stündlich durchgeführt.

Auch andere Denkmäler der Großen Steinstraße gab es diesmal zu sehen, darunter das Fachwerkhaus mit der Hausnummer 25. Im Hof ist eine ruhige Oase entstanden, bei der man fast vergessen kann, dass man in der Großstadt ist. Im Vorderhaus waren die Türen des ehemaligen Lebensmittelladens geöffnet. Neue Hoffnung gibt es für das Haus 55. Der 100 Jahre alte Jugendstilbau stand lange leer und soll nun saniert werden. Mit dabei war auch die HWG, die ihre Räumlichkeiten in der alten Hauptpost öffnete und im Hof zu einer Lesung einlud. Das Künstlerpaar Hamers und Penz lud in der Mittelstraße in ihre Galerie ein. Das Fachwerkhaus haben sie selbst saniert. Neugierige Blicke gab es bei vielen Hallensern auch in der Goldenen Rose. Viele kennen sie noch aus DDR-Zeiten. Seit einem Jahr kümmert sich ein Verein um das Gebäude. Lange Warteschlangen sah man zudem auf dem Marktplatz. Auch der Aufstieg in die luftigen Höhen der Marktkirche war begehrt.

Eröffnet wurde der Denkmaltag, der in diesem Jahr unter dem Motto „Romantik, Realismus, Revolution – Das 19. Jahrhundert“ stand, im Institut für Geowissenschaften und Geographie der Martin-Luther-Universität. Froh sei man über diesen neuen Standort auf dem alten Kasernengelände, sagte Hausherr Peter Wycisk, Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Auch wenn es in den alten Räumlichkeiten am Dom schön kuschelig war, gebe es doch hier deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Zugleich erinnerte er an einige Herausforderungen während des Umbaus. So mussten Zwischendecken eingezogen werden. Die Deckenhöhen waren einfach zu hoch, weil hier früher die Fallschirme getrocknet wurden. Allerdings rufen solch alte Gemäuer gelegentlich mal Institutionen wie den Landesrechnungshof auf den Plan, weil die Grundrisse hier den Räumen mehr Quadratmeter zugestehen als die Landesverordnungen. Etabliert habe sich der neue Standort, merkte Rektor Udo Sträter an. Vergangene Woche wurde die Mensa eingeweiht, nächsten Monat das neue Hörsaalgebäude. Sträter erinnerte auch an den Zustand des Geländes vor 20 Jahren, als die Rote Armee die Kaserne verlassen hatte. Überall habe man noch Ölspuren gesehen, Panzerhallen standen auf dem Gelände. Landeskonservator Gotthard Voß informierte zur Geschichte des Ensembles. Im 15. Jahrhundert gab es hier vor allem Landwirtschaft und Weinberge. 1841 wurde dann die königliche Provinzialanstalt erbaut, später ein Flugplatz. Halles damaligem Oberbürgermeister Rive schwebte eine Gartenstadt vor. Doch die Nationalsozialisten hatten etwas anderes vor und errichteten hier ihre Heeresluftnachrichtenschule. Im April 1945 hatten kurzzeitig die Amerikaner die Kaserne besetzt, bevor dann am 1. Juli die Rote Armee kam und bis 1991 blieb. Ende der 90er rückte das Gelände wieder deutlich mehr in den Mittelpunkt. In seinem Festvortrag übte Voß einige Kritik an der Umsetzung. "Wir hatten erwartet, dass Gebäude abgerissen werden. Aber nicht in dem Umfang", so Voß. So einiges hätte architektonisch wertvoll gelöst werden können. "Das Gelände wird für Einfamilienhäuser zerstückelt", so der Landeskonservator. Kritik übte er auch daran, dass der Charme der gepflasterten Ringstraße durch Asphalt zerstört wurde. Der größte Schmerz sei aber der Abriss der Heilanstalt. Es habe am guten Willen gefehlt, dieses Denkmal zu erhalten. "Ohne Beziehung zu den qualitätvollen Altbauten", seien Mensa- und Hörsaal-Neubau, kritisierte Voß. Eine Vision äußerte er noch: Die Kirche auf dem Gelände, von den Russen als Sporthalle genutzt, solle einmal ein Ort der Begegnung und Erinnerung werden.

Halles Baudezernent Uwe Stäglin lobte im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung die reichhaltige Bausubstanz in der Saalestadt, Und die gelte es zu erhalten. Aktive Denkmalpflege sei nötig. Vor allem der zunehmende Verfall und Abriss einiger Denkmäler bereite ihm Sorgen. Es könne keine Lösung sein, neue Baulücken zu schaffen und diese mit Parkplätzen zu füllen. Stattdessen müssten Lösungen gefunden werden, wie die wertvollen Bausubstanzen erhalten werden können.