“Mir geht es nicht um Kurzfristigkeit”

von 13. August 2009

(ens) Seit 1. August ist er der neue Mann in der Stiftung Händelhaus in Halle (Saale): Clemens Birnbaum. Am Donnerstag stellte sich der 46jährige Musikwissenschaftler Journalisten vor, gab einen Ausblick auf seine bevorstehende Arbeit. Gefragt nach dem kurzen Intermezzo seiner Vorgängers Philipp Adlung machte Birnbaum deutlich, dass er mindestens die nächsten fünf Jahre in Halle bleibe. So lange nämlich laufe der Vertrag. “Und den werde ich auf jeden Fall einhalten. Mir geht es nicht um Kurzfristigkeit. Ich will mittel- und langfristig wirken.”

Einige Themen will der neue Stiftungsdirektor die nächsten Jahre aufgreifen. So werde man sich dem Thema Macht und Kunst widmen. “Wir haben sich die Mächtigen der Musik bemächtigt?”, so Birnbaum. Und auch den Umgang Händels zur Zeit des Nationalsozialismus wolle man beleuchten. Ein bislang unbekanntes Kapital. Vielfach ging es in Händels Werken um Israel, die Nationalsozialisten “germanisierten” die Werke. Am Herzen liege ihm zudem ein Studienkolleg. Dabei solle die Editionspraxis gezeigt werden. Und auch auf kritische Weise will sich Birnbaum Händel widmen. “Nur weil wir das Händelhaus sind heißt das nicht, dass er ein Heiliger ist.”

Unmittelbar vor den Händel Festspielen führt ein privater Veranstalter die “Händels Open” durch, deutsche Schlager- und internationale Popstars stehen auf der Bühne. “Das hat mit Händel nichts zu tun”, so Birnbaum. Allerdings könne man dadurch eine Identifizierung mit dem Namen Händel schaffen. Doch Möglichkeiten, hier etwas zu ändern, hat Birnbaum kaum. “Wir können nur den Wunsch zu einer Trennlinie zwischen Festspielen und Open äußern.” Denn die zeitliche Nöhe der Veranstaltungen führe zu Verwirrungen, was MDR-Mitarbeiter bestätigten. Händel dürfe nicht für alles herhalten. “Man kann mit Händel nicht alles machen, das wir ihm nicht gerecht”, so der Musikwissenschaftler.

Und bei den Festspielen? Wird Birnbaum sicher seine Markierung setzen. Doch er machte auch deutlich, “es gibt keine Revolution.” Und Vernetzungen mit umliegenden Musikfestivals wie den Telemannfestspielen in Magdeburg und dem Leipziger Bachfest sind auch nur in begrenztem Maße möglich. “Denn wir brauchen eine Unverwechselbarkeit der Festspiele.” Als Konkurrenz mochte Birnbaum die zeitgleich in Leipzig stattfindenden Bachspiele nicht sehen. “Bach und Händel tun sich nicht weh.” Beide Veranstaltungen hätten ein unterschiedliches Profil. “Ich sehe das als eine Art Bereicherung”, so der Stiftungsdirektor.

Und die Händelfestspiele ausbauen, noch mehr (vor allem populäre) Veranstaltungen, um so die Zuschauer zu steigern? Nicht der Weg für Birnbaum. “Wir brauchen nicht nur Quantität, sondern Qualität.” Grundsätzlich sei er nicht gegen mehr Veranstaltungen, doch sei das auch eine Frage des Geldes. Und über teurere Eintrittskarten dies zu ermöglichen hält Birnbaum auch für den falschen Weg. “Wir können nicht wahllos die Eintrittspreise in die Höhe treiben”, sagte er auch mit Blick auf die hohen Arbeitslosenzahlen. Dafür konnte man schon erahnen, wie sich die Händelfestspiele künftig gestalten. Die bislang wenig beachteten Händel-Kantaten will der Musikwissenschaftler beispielsweise zur Aufführung bringen. Auch an Bridges to classics will Birnbaum festhalten. Damit könne man Menschen erreichen, die sonst mit Händel nicht viel zu tun haben.

Aufmerksam hat sich Birnbaum auch schon seinen neuen Arbeitsplatz angeschaut. Dort gibt’s schon einen neuen Computer. Nicht das einzige, was wohl geändert wird. Denn auch in der neu eröffneten Ausstellung hat der neue Händelhaus-Chef einige Nachbesserungspunkte gefunden. So ist der Raum, in dem der Händel-Film über das Leben des Komponisten gezeigt wird, zu klein. Daneben regte er an, bei der sich über zwei Häuser erstreckenden Ausstellung auch den Hauswechsel zu visualisieren. Und die Bohlenstube will Birnbaum stärker einbinden. Alles in allem ist er aber zufrieden mit der Schau. Diese habe Qualität und überfordere Besucher nicht mit Informationen.

Ansonsten hob Birnbaum noch das Händelfestspielorchester hervor, eine “wunderbare Sache und ein Pfrund, mit dem wir wuchern können.” Für ihn ist es wichtig, dass Musiker auch Werke verschiedener Epochen spielen können. Kontakt hat er zudem zum Händelhaus in London auf genommen, interessiert sich hier für das Projekt “Composer in residence”. Die Händelvermittlung für Kinder will er stärken.

Seit fünf Wochen lebt Birnbaum nun schon in Halle, im Paulusviertel. Eine wunderbare Stadt, die zu unrecht ihren schlechten Ruf habe. Die Händelfestsspiele würde Internationalität in die Stadt bringen. Birnbaum erzählte von einer Begebenheit mit drei jungen Männern, die aus Neuseeland angereist kamen. Sie hatten im Internet von den Festival gelesen, haben sich auf den Weg gemacht ohne eigentlich genau zu wissen wo Halle liegt und waren überrascht, dass sie keine Karten mehr bekommen. Doch die Jungs hätten es locker genommen, wollen laut Birnbaum im nächsten Jahr wiederkommen.