Stadtmuseum: Planungen für neue Dauerausstellung nehmen Gestalt an

von 24. April 2012

Noch ein halbes Jahr, dann wird die neue Dauerausstellung zur Stadtgeschichte im Stadtmuseum Halle (Saale) eröffnen. Am Dienstag stellte Ausstellungskuratorin Susanne Feldmann das Konzept in einer Sonderausstellung des Kulturausschusses vor. Fünf Themenbereiche auf zwei Etagen mit je 450 Quadratmetern Fläche sind vorgesehen. Im ersten Obergeschoss werde es zwei Themenbereich geben, die noch in diesem Jahr eröffnen. Später folgen eine Etage höher zwei weitere Themenbereiche, so Feldmann. Allerdings ist noch unklar, wann die letzten beiden Bereiche eröffnet werden. Hier fehlt zunächst einmal das Geld für die Sanierung der Räumlichkeiten. Die Ausstellungsgestaltung übernimmt das hallesche Büro “complizen”, es hatte eine Ausschreibung unter 56 Planungsbüros gewonnen. Die Besucher werden in der neuen Ausstellung mit einem Prolog empfangen. Hier sollen die Gäste bereits auf die Ausstellung vorbereitet werden. Mehrere Flaschen aus der Bauzeit der Druckerei um 1914, die bei der Sanierung des Gebäudes gefunden worden, sollen dort exemplarisch gezeigt werden. Mit diesem Müll sei damals die Baustelle verfüllt worden, heute dient dieser Müll als Ausstellungsstück zur Stadtgeschichte. Feldmann hob hervor, dass man durch diese Falschen – unter anderem Bier- und Mineralwasserfalschen – noch einen guten Einblick in die damals sehr umfangreiche Brauereilandschaft erhalte. Im ersten Themenbereich stehen Siedlungsgunst und -entwicklung der Stadt im Mittelpunkt. Dabei wird auch das 1961 erbaute Stadtmodell gezeigt, das den Zustand der Stadt um 1600 zeigt. “Made in Halle” heißt der zweite Themenbereich mit Produkten, die aus Halle kommen und teilweise überregionale Bedeutung haben wie . Themen wie Salz, Musik, Händel und Pietismus werden ja bereits an anderer Stelle gezeigt, zum Beispiel in den Franckeschen Stiftungen und dem Händelhaus. Als eine Art Drehscheibenfunktion wolle man auf diese Einrichtungen verweisen. “Wir dagegen besetzen das Feld Industriestadt”, meinte Susanne Feldmann. Doch auch der wirtschaftlichen Entwicklung nach der politischen Wende wolle man sich widmen. Raum werde hier dem Medienstandort Halle und der Kunsthochschule gegeben. Im dritten Bereich geht es mit dem Titel “Die Welt in Halle” darum, welche Beziehungen die Hallenser in alle Welt haben und welche Einflüsse von Außen die Entwicklung in Halle beeinflusst haben. Daneben wird es ein Sammlungsschaufenster geben, in dem regelmäßig die gezeigten Objekte ständig wechseln. Los gehe es zunächst mit einer Kulturgeschichte der Schürzen. Es gebe im Depot viele Objekte um die es Schade wäre, sie dort verstauben zu lassen. Der vierte Bereich wird den Titel “Stadt als Gemeinschaft” tragen. Dabei sollen auch Personen gezeigt werden, die die Stadtgemeinschaft ausmachen wie beispielsweise eine Büste von Riebeck. Doch auch Porträts von anonymen Menschen werden in der Schau gezeigt. Durch einen digitalen Bilderrahmen kann sich jeder Besucher selbst mit einem Foto in der Schau verewigen. “Halle im Herzen?!” widmet sich dem Thema Bilder von Halle, Ansichten und Eindrücke. Die Besucher können dabei auch ihren eigenen Eindruck von Halle übermitteln. Erhalten blieb die originale Meisterbude der Druckerei. Als Bonusbereich zum Schluss der Ausstellung sollen hier verschiedene Gegenstände aus der Geschichte der Druckerei gezeigt werden. Leitfrage sei, wie es gelingen kann, dass sich vor allem Familien und junge Leute sich in der Ausstellung wohlfühlen. Ein Punkt sei die Anmutungsqualität der Objekte. Diese sollen ein Wegweiser durch die Geschichte der Stadt sein. “Egal wieviele Quadratmeter wir zur Verfügung haben, die ganze Stadtgeschichte werden wir nie abbilden können.” Die Schau solle ein Einstieg in de Stadtgeschichte sein. “Nicht mehr, aber auch nicht weniger”, so Feldmann. 2.500 Objekte habe man gesichtet. Die prägnanten und treffenden Gegenstände wolle man zeigen. Dazu gehören zum Beispiel bedeutende Jugendstil-Bilderbücher aus der Gebauer-Schwetschke-Druckerei. Wert gelegt werden soll auch auf eine interaktive Gestaltung der Schau. “Die Besucher sollen aktiv werden”, so Feldmann. So könne man historische Musterkataloge durchblättern oder durch einen Knopfdruck Geräte in Gang setzen. “Interaktiv heißt nicht immer nur multimedial”, so Feldmann, sondern auch “Hören, Riechen, Schmecken, Tasten.” Man wolle die Entdeckerfreude wecken und es schaffen, dass die Besucher miteinander ins Gespräch kommen. Geplant sei es, ein Begleitheft zu Schau zu erstellen. Dieses solle als Orientierung für die Ausstellung dienen. Dabei geht es auch um die Frage, “Was muss der Hallener von der Geschichte wissen?” Interaktiv gestaltet werden soll der Zugang für blinde und Sehbehinderte Menschen. Möglich macht es die Förderung einer Stiftung. Taktile Wahrnehmungselemente wird es geben. Beispielsweise soll ein Druckstock zum selbst ertasten nachgebildet werden. Auch Sonderführungen seien geplant. Eine Mitarbeiterin des Museums befinde sich derzeit in einem Lehrgang beim Museumsverband, um künftig mehr Wert auf die Barrierefreiheit zu legen. Ein wichtiger Punkt seien die Ausstellungstexte, die kurz, prägnant und leicht verständlich sein sollen. Wie das bei den Porträts umgesetzt werden soll, ist noch unklar. Gern wolle man die Biografie der Gezeigten präsentieren. In welcher Form, stehe noch nicht fest. Nun gelte es, diesen Feinkonzept ins Ausstellungsdrehbuch zu überführen. Das Konzept wurde durch eine Expertenrunde beraten. In ihr waren unter anderem Thomas Müller-Bahlke, Holger Zaunstöck, Steffen Kohlert und Katja Schneider Mitglied. Auch Volker Rodekamp vom Museumsverband und Direktor des Leipziger Stadtmuseums hat sich eingebracht. Mit der geleisteten Arbeit der Vorbereitungsgruppe sei man zufrieden, habe einen großartigen Schritt nach vorn erkannt, sagte Rodekamp. Das Gerüst sei modern und tragfähig. Die Stadt brauche dringlichst ein Stadtmuseum, um im Konzert der großen Städte mitspielen zu können. Halle verkaufe sich bislang unter Wert. Die Schau solle anschaulich die Entwicklung der Stadt präsentieren. Wichtige Etappen der Stadtgeschichte sollen wie unter einem Brennglas hervorgehoben werden. Doch auch Kritik am Konzept hatte Rodekamp parat. So solle nachgedacht werden, wie die mittelalterliche Geschichte besser dargestellt werden kann. An bestimmten Punkten solle Geschichte personalisiert werden, die verschiedenen Perspektiven sollen dabei Raum finden. Denn es gebe keinen eindimensionalen Blick auf die Geschichte. Definiert werden müssten noch die Zielgruppen, ob es ein Museum für Bürger der Stadt, Touristen oder die jüngere Generation sein soll. Über diesen Punkt solle noch einmal nachgedacht werden. Gelingen müsse es, das Haus im Reigen der anderen Museen zu positionieren. Bildungsdezernent Tobias Kogge verwies darauf, dass man mit einem enormen Zeitdruck kämpfe. Man habe mehr Aufgaben, als man eigentlich mit dem kleinen Team managen könne. Mehr Mut wünschte er sich für den Umgang mit umstrittenen Personen aus der Stadtgeschichte, wie zum Beispiel Margot Honecker. Inés Brock (Grüne) äußerte ein Kompliment dafür, dass man bereits von Anfang an auf die Barrierefreiheit geachtet habe. Stärker herausstellen will Brock gerne “inoffizielle” Punkte aus der Stadtgeschichte und bürgerschaft in der Gegenwart, da könnte beispielsweise auch das Paulusfest einen Platz finden. Mit Blick darauf, dass Männer in der Vergangenheit eine Hauptrolle spielten, erkundigte sich Brock danach, ob man sich in der Schau denn auch der Geschichte der Frauen und Kinder in der Vergangenheit widme, also der Geschlechterrolle im historischen Kontext. Hier befinde man sich laut Susanne Feldmann in den Überlegungen. Robert Bonan (SPD) lobte ebenso die Barrierefreiheit. Einen Hinweis auf die Ehrenbürger wünschte sich Hans-Dieter Wöllenweber (FDP) und begrüßte den Blick auf die Multiperspektivität bei Personen. Mit Blick darauf, dass nur ein Teil des Fundus gezeigt wird, fragte er nach, ob denn die Objekte immer mal wieder wechseln. Laut Susanne Feldmann gebe es einen statischen Ausstellung bereich, an bestimmten Punkten seien aber auch Objektwechsel möglich und geplant. Auch einen Bereich für Wechselausstellungsflächen werde man vorhalten. Nach dem geplanten Ausstellungsteil zu Halle-Neustadt erkundigte sich Erwin Bartsch (Linke), brachte hier die politischen Dimensionen ins Gespräch. Laut Susanne Feldmann werde es ein Stadtmodell geben, möglicherweise auch Ausstellungsstücke aus dem sogenannten Plasteblock. Auch der Architektur-Utopie werde man sich widmen. Daneben erkundigte sich Bartsch, ob Kardinal Albrecht und die Reformation eine Rolle spielen. Für diesen bereich sei man noch in der Vorbereitung, spreche unter anderem mit der Moritzburg. Birgitt Leibrich (Linke) vermisst den prägenden Punkt Chemie. Deshalb störe sie, dass das Kofferradio als Mittelpunkt der Industriestadt Halle dargestellt werden soll. Halle sei jahrzehntelang Chemiestadt gewesen. Susanne Feldmann sagte, man werde durchaus darüber nachdenken. Detlef Wend (SPD wünscht sich einige “Aufblitzer” in der Schau, über die Besucher reden werden. Auch Volker Rodekamp unterstützte den Wunsch nach einem mutigen Museum. Ein Museum müsse das Herz des Menschen und nicht den Kopf erreichen. “Ich wünsche, dass ihr Euch reibt an Eurem Museum”, meinte Rodekamp. Einen Blick auf einige besondere Ausstellungsstücke gab es schon. So wird ein Überseekoffer des Wissenschaftlers und Leopoldina-Mitglieds Theodor Roemer zu sehen sein. Auch eine Teigteilmaschine aus dem Jahr 1910 – Halle war einst ein wichtiger Standort für die Produktion von Bäckereimaschinen – gehört zum Ausstellungsinventar. Gezeigt wird daneben ein Petroliumkocher aus dem Jahr 1946, hergestellt in der Sowjetunion. Und doch hat er eine Beziehung zu Halle, hat ihn doch ein ehemaliger Siebelwerker mitgebracht. Der war einst in der SU tätig, nachdem das Werk als Reparationsleistung demontiert und in der Sowjetunion wieder aufgebaut wurde. Außerdem ist ein vierbändiges arabisch-latainisches Lexikon zu sehen, gedruckt um 1830 von Gebauer-Schwetschke.[/p]