Im Osten geht die Sonne auf

von 29. August 2010

Obwohl weniger junge Leute im Osten Abitur machen, haben sich genauso viele angehende Studenten an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beworben wie im vergangenen Jahr. Nach Angaben der Universität lag die Zahl auch in diesem Jahr bei 12.000. Torsten Evers, Marketing-Referent der Universität, bezeichnet den Wert deshalb als gute Zahl: „In den neuen Bundesländern gibt es 15 Prozent weniger Abiturienten, und trotzdem haben wir keine sinkenden Bewerberzahlen.“

Offensichtlich gelingt es der Universität, mehr angehende Studenten aus den alten Bundesländern nach Halle zu locken. Dort gibt es geburtenstarke Jahrgänge, doppelte Abiturjahrgänge und damit überfüllte Universitäten. Die doppelten Jahrgänge entstehen durch die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre, etwa in NRW oder Bayern. Im Hochschulpakt 2020 haben Bund und Länder deshalb festgelegt, dass die Unis im Osten zusätzliche Gelder erhalten und im Gegenzug die Zahl der Studienanfänger konstant halten.

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Uni seit Mai 2009 einige ihrer Studenten als „Studienbotschafter“ ein. Mithilfe der Kampagne „Ich-will-wissen“ sollen Schüler aus dem Westen für ein Studium in Halle begeistert werden. In Bundesländern mit doppelten Abi-Jahrgängen ist die Kampagne nach Angaben von Torsten Evers besonders aktiv. Nach Berichten der Studienbotschafter stößt sie dort auch auf gute Resonanz.

Studienbotschafterin Ramona Thomalla erzählt von besorgten Eltern aus München. Deren Kindern sollten eigentlich eine renommierte Uni im Ausland besuchen, wenn schon ein Studium in Bayern nicht möglich ist. „Bei denen geht dann die Sonne auf, wenn sie von den guten Studienbedingungen in Halle hören“, sagt Ramona Thomalla. Botschafter Jesko Habert hat in Fürth Schüler kennengelernt, die ganz offen nach dem Numerus Clausus fragen: „Die fürchten sogar schon eine Überfüllung an unserer Uni. Aber da kann ich sie beruhigen.“

Auch in Niedersachsen und Hamburg machen sich Eltern und Schüler wegen des doppelten Abiturjahrgangs Sorgen. Botschafter Eric Gransow berichtet „von einem unglaublich starken Zuspruch und Ängsten, in der eigenen Region nicht zum Zug zu kommen.“

Der Politik-und Medienwissenschaften-Student kümmert sich um einen besonders wichtigen Kanal der Kampagne: Das Web 2.0. Wenn er bei Schülern auf Messen das Interesse an Halle geweckt hat, verweist er nicht nur auf die Website der Kampagne. Die Studienbotschafter beantworten Fragen auch in dem Netzwerk SchülerVZ, erzählen ihre Erfahrungen in eigenen Blogs und chatten mit den Schülern.

Es sollen nicht nur Informationen geboten werden, sondern auch Möglichkeiten, selber aktiv zu werden. „Ein Studium ist eben kein Schokoriegel, für den man nur ein bisschen flippige Werbung machen muss“, sagt Marketing-Experte Torsten Evers.

Ein abschließendes Urteil zum Erfolg im Westen will Torsten Evers aber noch nicht treffen. Dafür müssten erst auch die Bewerbungen für die zulassungsfreien Studiengängen und die tatsächlichen Einschreibungen vorliegen.

Anne-Kathrin Gerstlauer, Stipendiatin der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung