Zank im Rathaus

von 12. Dezember 2010

„Der Ronny hat meinen Teddy geklaut!“
„Aber die Janine hat angefangen!“
„Stimmt gar nicht!“
„Stimmt aber doch!“
„Dann nehme ich dir jetzt deine Handschuhe weg!“
„Dann beiße ich dir in den Arm!“
„Dann holt meine Mutter die Polizei!“
„Na und, mein Vater ist bei der Bundeswehr!“
„Und meiner war bei der Stasi!“

„So Kinder, jetzt haltet mal die Klappe und kommt zum Essen“, sagt die verständnisvolle Kindergärtnerin und nimmt die beiden an der Hand. Ein nicht ganz alltäglicher Streit in der Kita.
Aber wer nimmt denn nun unseren Innendezernenten und die Oberbürgermeisterin bei der Hand und versöhnt sie miteinander? Da findet sich niemand. Man könnte ja mal in Magdeburg anfragen. Vielleicht ist Innenstaatssekretär Rüdiger Erben auch dazu bereit. Wenn der dem Stadtrat die Zwangsverwaltung erklären kann, kann er doch auch den Krieg der Zwerge schlichten. Der wollte ja mal Bürgermeister von Teuchern werden, hat aber die Stichwahl furios vergeigt, gegen einen parteilosen Sekundarschullehrer. Die SPD, zu der er gehört, ist schon arm dran. Aber besser arm dran als Arm ab. Solche Leute brauchen wir! Die können uns einfach alles erklären (oder wie es so schön heißt „vermitteln“).

Rüdiger Erben war neulich beim Sanitätskommando III der Bundeswehr. Da hat er jungen Soldaten gedankt, „die am letzten Mittwoch im Schneechaos in der Nähe von Naumburg einem zehnjährigen Jungen halfen und ihn zu einer dringenden Behandlung in das Klinikum nach Jena brachten. Im geländegängigen Rettungswagen der Bundeswehr gelang es Ihnen die zugewehte Strecke nach Jena zu bringen, damit dem Jungen dort die dringende ärztliche Hilfe zuteil werden konnte.“
Das ist jetzt kein Witz, das steht auf seiner Homepage ganz oben, sozusagen als Heldentat. Jetzt wissen wir endlich, wozu die Bundeswehr eigentlich da ist. Die bringt Kinder ins Krankenhaus! Und das auch noch im Winter! Nix mit Afghanistan und Taliban und Terrorismus! Die bomben auch nicht mehr irgendwo rum, wie in Jugoslawien. Nee, die fahren Auto.

Und nicht nur das, die bringen ganze Straßen ins Krankenhaus zum Auftauen: „… gelang es Ihnen die zugewehte Strecke nach Jena zu bringen…“ Donnerwetter, die Bundeswehr! Dass Herr Erben da kleine Geschenke verteilt hat versteht sich von selbst.
Und der Mann soll nun dem Halleschen Stadtrat erklären, was hier mit den Finanzen los ist. Das wird bestimmt eine komische Veranstaltung.

Stellen Sie sich mal vor, Leute wie Erben oder andere Vertreter der politischen Herrenklasse müssten einen Einbürgerungstest machen.
Da wird zum Beispiel auf der Seite www.deutsch-werden.de, gefragt:

Meinungsfreiheit in Deutschland heißt, dass ich …
1. auf Flugblättern falsche Tatsachen behaupten darf.
2. meine Meinung in Leserbriefen äußern kann.
3. Nazi-Symbole tragen darf.
4. Meine Meinung sagen darf, solange ich der Regierung nicht widerspreche.

Ich denke mal, die Regierenden in Stadt und Land würden sich folgerichtig für Antwort 4 entscheiden. Ein junger Nazi natürlich für die 3. Aber selbst die richtige Antwort verweist darauf, was wir mit unserer grundgesetzgeschützten Meinungsfreiheit anfangen können.
Schreiben Sie doch mal wieder einen Leserbrief!

Friedrich Ohnzorn