Wirtschaftspolitiker denken anders

von 14. April 2011

Am Morgen des 13. April war es dann klar. In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD wurde auch das Kultusministerium neu zugeschnitten und hat den Bereich »Wissenschaft« an das Wirtschaftsministerium abgegeben. Die Podiumsdiskussion am selben Abend, zu der das Sprecherkollegium des Studierendenrates der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Arbeitskreis Bildungspolitik des Studierendenrates der MLU eingeladen hatten, kam also genau richtig. Doch auf dem Podium wusste auch niemand wirklich genau, wie es zu dieser Entscheidung kam, dabei waren wichtige Akteure anwesend.

Allen voran die Noch-Kultusministerin Birgitta Wolff (CDU), die letztes Jahr von einer Professur in Magdeburg in die Politik wechselte und nun das neue "Wirtschaftsministerium" leiten soll. Als solches will Wolff, die sich nach eigener Aussage noch immer als Hochschullehrerin versteht, ihre zukünftige Behörde jedoch nicht verstanden wissen. "Das Ministerium soll Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium heißen", betonte sie mehrmals in der ersten, sehr zähen halben Stunde der Diskussion.

Diese gewann erst an Fahrt, als ein Zuhörer eindringlich "Jetzt mal Butter bei die Fische" forderte und die Podiumsgäste ermunterte, doch mal genau zu sagen, wie und warum es zu dieser Entscheidung kam. Stephan Dorgerloh, der für die SPD die Koalitionsverhandlungen mitleitete, verdeutlichte daraufhin die Zwänge einer Koalitionsverhandlung. Immerhin muss seine Partei das Ressort nun der CDU überlassen: "Die Frage ist nicht: Warum haben wir die Hochschulen abgegeben. Sondern: Warum konnten wir sie nicht behalten?" Laut Dorgerloh war es eine Prämisse der Christdemokraten, die Hochschulen zu behaupten.

"Warum?", wollte neben einigen Zuhörern auch Professor Armin Willingmann (SPD), der ebenfalls auf dem Podium saß, wissen. Der Rektor der Hochschule Harz fragte nach dem Konzept, das hinter dieser neuen Zusammenlegung steckt. Warum sie zumindest nicht verheerend ist, beantwortete sein Kollege Professor Udo Sträter, Rektor der MLU. Als Kirchenhistoriker verwies er darauf, dass die Hochschulen geschichtlich nicht immer zum Kultusministerium, das eigentlich Schule und Kirche als Kernressorts habe, gehörten. Außerdem probierte er im Sinne von Birgitta Wolff, den Blickwinkel zu ändern, sodass das Wirtschafts- durch das Wissenschaftsressort aufgenommen werde. Unklar blieb die Frage, was passieren wird, wenn Wolff irgendwann an ihren Lehrstuhl in Magdeburg zurückgeht.

Etwas expliziter probierte Noch-Kultusministerin Birgitta Wolff dann doch die Frage von Armin Willingmann und mehreren Zuhörern zu beantworten. "Es gab immer den Vorwurf, wir bilden zu wenige Ingenieure aus. Auf dem Papier ist das aber nicht so", beschrieb sie das Problem der Abwanderung von Fachkräften, das in einem gemeinsamen Ministerium viel besser angegangen werden könne. Auch die Schwerpunktbildung in Abstimmung mit den Universitäten sei so besser möglich, woraufhin aus dem Publikum auch auf die Geisteswissenschaften verwiesen wurden, die oft keinen direkten Bezug zur Wirtschaft haben.

Die Befürchtung, dass in einem Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium nur noch gefördert wird, was den Unternehmen nutzt, sah auch Udo Sträter. Der Rektor der MLU verwies aber darauf, dass es Zielvereinbarungen gebe, die nicht ohne Weiteres gebrochen werden können. Zudem sprach er von einem sehr guten Verhältnis zu Birgitta Wolff, die den Hochschulen keine "Barrikaden" in den Weg bauen wolle. Diesen Beschwichtigungen wollten weite Teile des Publikums allerdings nicht folgen – ein anwesendes Mitglied der SPD prophezeite, dass der Koalitionsvertrag, der noch durch die verhandelnden Parteien abgesegnet werden muss, wegen der Verschiebung des Hochschulressorts noch einen schweren Weg habe.

Mit dem Verlauf der Diskussion wurden dann zunehmend bekannte Argumente ausgetauscht. Der Forderung einer bedarfsgerechten Ausstattung der Hochschulen folgt der Verweis auf die Finanzlage des Landes und die Konkurrenz zu anderen Interessen, wie dem Straßenbau oder Kita-Plätzen. Birgitta Wolff rief dazu auf, auch in der Gesellschaft deutlich zu machen, welchen Wert die Hochschulen haben, und der Landtagsabgeordnete Hendrik Lange (Die Linke), der im Publikum saß, bekräftigte noch einmal die vermeintliche Gefahr, die in der Zusammenlegung von Wirtschaft und Wissenschaft steckt: "Wirtschaftspolitiker denken einfach anders. Und das hat nicht viel mit Hochschulpolitik zu tun."


Text: Julius Lukas (hastuzeit), Fotos: Enrico Seppelt