Neustadt im Zentrum

von 5. August 2010

Am Dienstag stand eine Diskussionsrunde der Internationalen Bauausstellung IBA 2010 ganz im Zeichen von Halle-Neustadt. Im Keller des Neustädter Gesundheitszentrums wurde mit Dr. Thomas Pohlack (Bürgermeister und Baudezernent), Prof. Philipp Oswalt (Direktor des Bauhauses Dessau) und Udo Mittinger (Vorsitzender des Halle-Neustadt-Vereins) heiß diskutiert. Der freie Journalist Theo M. Lies moderierte die Veranstaltung.

In einem einleitenden Referat wurde zunächst die Entwicklung Neustadts dargestellt. Lebten hier 1989 noch knapp 100.000 Menschen, sind es im Moment nur noch 44.000. Prognosen sagen eine weitere Schrumpfung auf bis zu 30.000 BewohnerInnen im Jahr 2025 voraus.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden in Neustadt einige Gebäude saniert und innovative Projekte wie der Rollmops Skatepark in die Tat umgesetzt. Das Neustadt-Centrum, das Magistralen-Carree und die Neustädter Passage bilden einen attraktiven Stadtteilkern. Auch an den Öffentlichen Nahverkehr, an Bundesstraßen und an die Autobahn ist Neustadt gut angebunden.
Trotzdem sind die Folgen der demographischen Entwicklung nicht zu übersehen: Viele Häuser sind sanierungsbedürftig, stehen leer und verwahrlosen. Außerdem wurde der Nordbahnhof abgerissen, für den es in den letzten Jahren keine Ideen für eine Nachnutzung gab.

Hochhausscheiben
Im Mittelpunkt der Diskussion standen allerdings die fünf Hochhausscheiben. Vier der Scheiben sind ungenutzt, nur eine ist bewohnt. In Anbetracht der Bevölkerungsentwicklung muss über die Zukunft der Häuser geredet werden. In einem waren sich alle Anwesenden einig: Ein Komplettabriss steht nicht zur Debatte.

Vorstellbar wäre aber durchaus die Abtragung von mehreren Etagen der Häuser. Dadurch würden sich möglicherweise einfacher Investoren zur Sanierung finden. Allerdings wären die Scheiben dann keine Hochhäuser mehr, sondern nur noch einfache Häuser und somit in ihrer Symbolfunktion eingeschränkt.

Als weitere Option wurde der Abriss einzelner Domizile diskutiert. Dr. Pohlack stellte folgendes Szenario vor: Die Eigentümer der drei Häuser, die sich in Privatbesitz befinden, können ihre Forderungen gegen die Stadt für so genannte Ersatzvornahmen (Sicherungsmaßnahmen, Brandlöschung, etc.) nicht bezahlen. Die Häuser kommen in die Zwangsversteigerung und werden von der Stadt erworben. Die Stadt reißt beispielsweise zwei der insgesamt fünf Hochhäuser ab und saniert sie. Allerdings fehle dazu leider das Geld, betonte Pohlack. Verschwinden einzelne Scheiben, muss man sich allerdings Gedanken über die Nutzung der Leerräume machen. Prof. Oswalt schlug vor, die Häuser leer stehen zu lassen. Dies sei auch in anderen Städten der Fall. Als prominentes Beispiel nannte er Detroit. So bliebe das Wahrzeichen bestehen und gleichzeitig bestehe immer noch die Möglichkeit zur Investition zu einem späteren Zeitpunkt. Zur Deckung der Kosten für die Erhaltung (circa 100 000 € pro Jahr) wären Solarenergienutzungen oder Großflächenwerbung möglich. Zwar sei nur eine Fläche der Häuser gen Süden gerichtet, in Zukunft seien aber möglicherweise auch Solarenergienutzungen auf West-und Nordflächen denkbar. Einen ähnlichen Vorschlag hatten auch schon die Linken gemacht (HalleForum.de berichtete).

Dem Neustadtexperten Udo Mittinger wäre es am liebsten, wenn die Schreiben saniert werden könnten, da er die leerstehenden Häuser als unattraktiv empfindet. Da dies aber im Moment nicht realistisch ist, plädierte er dafür die verschiedenen Optionen durchzudeklinieren, um zu einer baldigen Lösung des Problems zu kommen. Mittinger kritisiert außerdem die Geschäftsleute in der Neustadt-Galerie. Seiner Meinung nach seien sie nicht in der Lage Marketing zu betreiben. Es bestehe überhaupt kein Zusammenhalt unter den Händlern. Nicht einmal am Sommerfest des Halle-Neustadt-Vereins hätten sie in teilnehmen wollen. Mittinger wünscht sich hier mehr Entgegenkommen und Zusammenarbeit.

Aus dem Publikum gab es vor allen kritische Meinungen zur Schreibe C, die sich im öffentlichen Besitz befindet. Der geplante Umzug des Finanzamtes war im letzten Jahr aufgrund finanzieller Mittel gescheitert. Viele Teilnehmer forderten eine Sanierung und anschließende öffentliche Nutzung der Schreibe C, um als gutes Beispiel voranzugehen und ein Zentrum Neustadt wiederzubeleben. Eine Vertreterin des Gesundheitszentrums betitelte die Scheibe E als Schandfleck. Das Gesundheitszentrum müsse allein für Schädlingsbekämpfungen o.ä. aufkommen. Auch für Patienten sei die Nachbarschaft zu dem leerstehenden Gebäude nicht besonders attraktiv. Somit forderte sie den Abriss des Hochhauses. Eine weitere Teilnehmerin betonte am Ende der Veranstaltung, dass Neustadt in erster Linie ein Image-Problem habe, an dem gearbeitet werden müsse. Dadurch würden sich vielleicht viele Lösungen von selber ergeben. Recht hat sie!?