Offener Brief – Kulturpolitische Weichenstellung in Halle (Saale)

von 14. Januar 2019

Sehr geehrter Herr Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Bernd Wiegand,
sehr geehrter Herr Kulturminister Rainer Robra,
sehr geehrte Damen und Herren des Aufsichtsrates,

Halle (Saale) ist seit Beginn der Opernleitung von Florian Lutz, Veit Güssow und Michael v. zur Mühlen in der Spielzeit 2016/2017 und durch das seit acht Jahren kontinuierliche und mutige Wirken von Matthias Brenner und Henriette Hörnigk im neuen theater zu einem außergewöhnlichen Leuchtturm der Mitteldeutschen Kulturlandschaft mit bemerkenswerter deutschlandweiter Strahlkraft avanciert, von dem zukunftsweisende Impulse für die deutsche Stadt- und Musiktheaterlandschaft ausgehen. In Halle wird mit künstlerischer Vision und Leidenschaft an einem Theater der Gegenwart gearbeitet, das sich in intensivem Austausch mit den Menschen der Stadt und Region befindet und mit einem vielfältigen Angebot auf die sich wandelnde Stadtgesellschaft reagiert. Wir beglückwünschen den Aufsichtsrat ausdrücklich, sich für dieses künstlerische Profil für seine Stadt entschieden zu haben!

Gerade deshalb verfolgen wir mit größter Sorge die jüngste Zuspitzung des Konfliktes zwischen den künstlerischen Leitungen der Oper und des neuen theater auf der einen und der Geschäftsführung der TOOH auf der anderen Seite. Als Kulturschaffende wissen wir, wie ungemein wichtig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Geschäftsführung und künstlerischer Leitung für die Arbeit am Theater ist. Bedingungen in allen Abteilungen zu schaffen, welche die freie Entfaltung der Kunst ermöglichen ist der eigentliche Zweck jeder Theaterinstitution. Wir wissen auch, dass die freie Entfaltung der Kunst nicht nur eine Frage der Spielplanautonomie in jeglicher Hinsicht ist, sondern vor allem auch von der Fairness und dem Wohlwollen der kaufmännischen Abteilung abhängt, diese nach innen wie außen zu ermöglichen. Leider gibt es in jüngster Zeit zahlreiche Beispiele die zeigen, welch destruktive Energie und welch nachhaltiger Schaden für eine Kulturinstitution entstehen kann, wenn die Machtverhältnisse und Organisationsstruktur im Hause und die Repräsentation gegenüber den Aufsichtsgremien die Kunst aus den Augen verlieren.

Die aktuellen Entwicklungen in Halle zeugen von einer akuten Gefahr für das Theater und uns scheint dringender Handlungsbedarf der entsprechenden Aufsichtsgremien in Stadt und Land geboten, die künstlerische Arbeit der derzeitigen Intendanten in Halle zu schützen.

Sie haben die politischen Mittel in der Hand, diese Entwicklung zu befördern und das Theater in Halle und die Kulturlandschaft von Sachsen-Anhalt vor einem lange nachwirkenden, schweren Schaden zu bewahren. Bitte unternehmen Sie alles Notwendige, um die künstlerische Arbeit der äußerst erfolgreichen, oben genannten Intendanten auch in zukünftigen Spielzeiten für Halle zu ermöglichen und zu gewährleisten.

UNTERZEICHNER*INNEN:

Matthias Lilienthal (Intendant Münchner Kammerspiele)
Prof. Jürgen Flimm (Intendant a.D. Staatsoper Berlin)
Dietmar Schwarz (Intendant Deutsche Oper Berlin)
Oliver Reese (Intendant Berliner Ensemble)
Erika Fischer-Lichte (Direktorin Käte-Hamburger-Kolleg)
Barbara Mundel (des. Intendantin Münchner Kammerspiele)
Nicolas Stemann (des. Intendant Schauspielhaus Zürich)