“und morgens krähte der Hahn”

von 13. Dezember 2009

Wie war das Leben auf dem Dorf früher zu „Omas Zeiten“? Viele Heimatstuben geben mit ihren Ausstellungsstücken darüber zwar Auskunft, doch sie können selten persönliche Geschichten erzählen, die uns über das Landleben viel mehr vermitteln können als die interessantes Exponate in den Vitrinen. Solche Familien- und Dorfgeschichten hat nun Sylvia Pommert in ihrem schmalen Bändchen „… und morgens krähte der Hahn“ vorgelegt.

Die Autorin, 1953 in Halle geboren, hat ihre Kindheit auf einem Bauernhof in Sachsen verbracht und lebt seit 15 Jahren im nördlichen Saalekreis. Den hallischen Lesern ist Sylvia Pommert bereits durch einige Bücher (wie „Fliederduft in der Fettbemme“) bekannt.

In einer Mischung aus Wehmut, Nachdenklichkeit, Erstaunen und Erinnerung schildert die Autorin den bäuerlichen Alltag im 20. Jahrhundert, der in der Regel aus 14 bis 16 Stunden bestand. Im Mittelpunkt ihrer Episoden und Geschichten steht die Familie Kawowski, die 1916 aus Oberschlesien in Richtung Westen aufbrach, wo sie im Raum Halle schließlich eine neue Heimat fand. Zu Wort kommen aber auch andere Dorfbewohner aus der Umgebung von Halle.

Da erfährt der Leser von heute, wie früher ein Schlachtfest als dörfliches Ereignis gefeiert wurde oder die Wäsche mit Waschbrett und Wurzelbürste wieder sauber wurde. Da wird von der harten Feldarbeit und von der Freiwilligen Feuerwehr erzählt, von der wöchentlichen Keilerei auf dem Tanzboden oder vom Plumpsklo mit Zeitungspapier.

Die kurzen Geschichten widerspiegeln aber auch die historischen Entwicklung und die sozialen Veränderungen auf dem Lande, von den Großgrundbesitzern über die Bodenreform, den Gründungen der LPGs bis zur Wende. Nur über die Zeit der Naziherrschaft wird nichts berichtet. Oder wollen sich die Leute daran nicht mehr erinnern?

Auch die zahlreichen Fotos erzählen, wie es damals auf dem Lande war. So bleibt man bei der Lektüre oder beim Durchblättern immer wieder an den einzelnen Bildern und Textpassagen hängen. Die knapp hundert Seiten sind authentischen Erinnerungen aus einer vergangenen Zeit. Sie sind nicht nur interessant für diejenigen, die diese Zeit miterlebt haben, sondern auch für ihre Kinder und Enkel, die mehr erfahren wollen, als in den üblichen Geschichtsbüchern zu lesen ist.

Sylvia Pommert
„… und morgens krähte der Hahn – Dorfgeschichten rund um Halle“
Herkules Verlag Kassel 2009, 11,90 €, 87 S., ISBN 978-3-937924-92-2

Manfred Orlick