Gottes Wort in der Vitrine

von 1. März 2010

Von Halle aus hat das Wort Gottes die Welt erobert. Vor 300 Jahren, im Jahre 1710, hat der Freiherr Carl Hildebrand von Canstein (1667-1719) am Halleschen Waisenhaus die erste Bibelanstalt der Welt gegründet. Fast wie „vom Fließband“ wurden hier Bibeln gefertigt. Cantstein setzte damit die reformatorische Forderung in die Tat um, Jedermann eine Bibel in die Hand zu geben. Innerhalb von nur neun Jahren verließen bereits 80.000 Bibeln und 100.000 Neue Testamente im handlichen Format die hallische Bibelanstalt, in der Zeit ihres Bestehens summierte sich die Zahl auf viele Millionen.

Cantstein machte die Bibeln erschwinglich. „Eine revolutionäre Idee“, so Britta Klosterberg, Leiterin des Studienzentrums August Hermann Francke. „Die Bibel wurde zum Taschenbuch für Jedermann.“ Für zwei Groschen, damals der Preis von etwa einem Laib Brot, gab es schon die einfachen Exemplare. Doch in der Bibelanstalt wurden auch reich verzierte Bibeln gestaltet. Bestellt bei Cantstein hat auch der Soldatenkönig. Vor allem Gesangsbücher. „Das war ein wirtschaftlicher großer Auftrag“, so Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen. „Aber Cantstein konnte damit auch seine Idee verwirklichen, den Pietismus ins Militär zu tragen.“

Die hallischen Texte waren für ihre Qualität bekannt, der Vertrieb über die Waisenhausbuchhandlung florierte. Den preiswerten Druck in hohen Auflagen sollte nach Empfehlung des Leiters der Buchhandlung Heinrich Julius Elers (1667-1728) die Verwendung des stehenden Satzes garantieren. Die Einführung dieser innovativen Drucktechnik in Deutschland reiht sich in die Verdienste Cansteins ein.

Der Bibeltradition Halles wird nun eine eigene Ausstellung unter dem Titel "Bibeldruck in Halle. Die Cansteinsche Bibelsammlung der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen" in der Kulissenbibliothek der Franckeschen Stiftungen gewidmet. Gezeigt werden Kleinode der Bibelsammlungen – die immerhin gut 3000 Exemplare umfasst. Unter den Ausstellungsstücken ist das Arbeitsexemplar Carl Hildebrand von Cansteins, die Stader Bibel, zerlegt in ihre einzelnen Seiten und versehen mit den Kommentaren und Korrekturen Cansteins. Ein philologisches und drucktechnisches Meisterwerk ist die 1720 in Halle herausgegebene "Biblia hebraica", die das Druckbild in der Tradition klassischer jüdischer Drucke aufnimmt: Text und Kommentare sind kunstvoll auf einer Seite gesetzt. Die kritische Übersetzung war am Collegium Orientale Theologicum des Halleschen Waisenhauses unter der Leitung von Johann Heinrich Michaelis (1668-1738) entstanden. Die 1722 erschienene Bibel in tschechischer Sprache leistete einen unschätzbaren Beitrag für den Erhalt der Sprache, die im Zuge der Rekatholisierung des Landes starken Repressionen unterlag. Sogar die erste in Amerika gedruckte Bibel, die Saur Bibel, geht auf die Cansteinsche Bibelanstalt zurück. Johann Christoph Saur (1693-1758), Sohn eines reformierten Pfarrers aus Heidelberg, war 1724 mit seiner Familie nach Pennsylvania ausgewandert. Hier druckte er 1743 eine deutsche Bibel, die auf die Canstein-Bibel fußte. Sie gilt heute als die erste in Nordamerika gedruckte Bibel. Eröffnet wird die Ausstellung am 4. März um 18 Uhr und ist bis zum 6. Juni zu sehen, immer Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.